Eine glaubwürdige Nachricht von dem Martertod des heiligen Phokas findet sich in der Lobrede, die Osterius, der als Bischof von Amasea in Pontus am Ende des fünften und des sechsten Jahrhunderts lebte, auf diesen Martyrer gehalten hat.
Phokas, ein gottesfürchtiger Christ, lebte zu Sinope in Pontus. Er hatte einen Garten vor dem Tor der Stadt, den er mit großer Sorgfalt bebaute und von dem er durch seine Arbeit so viel erwarb, dass er seinen sparsamen Unterhalt davon haben und überdies noch den Armen wohltätige Unterstützung geben konnte. Sein kleines Haus stand allen offen, die in ihm Herberge nehmen wollten. Gott belohnte die Mildtätigkeit seines Dieners mit der Gnade des Martyriums. Er wurde, nachdem er sich viele Jahre hindurch, mitten unter einem abgöttischen und lasterhaften Volk, als ein zweiter Lot, gerecht erwiesen hatte, und nie eine Gelegenheit, die Werke der Liebe zu tun, versäumt hatte, sein Blut und sein Leben für Jesus Christus hinzugeben gewürdigt.
Während einer heftigen Verfolgung der Christen wurde er dem Statthalter als Bekenner Jesu angezeigt. Dieses vermeintliche Verbrechen wurde darum für hinlänglich erwiesen angesehen, weil es stadtbekannt war, und man glaubte deswegen, eine förmliche Untersuchung oder gerichtliche Verhandlung übergehen zu dürfen. Der Mann war in den Augen des stolzen Statthalters vielleicht zu gering, als dass es ihm der Mühe wert war, viele Untersuchungen angesichts seiner Verurteilung zu machen. Phokas war Christ und dieses war genug, ihn zum Tode zu verurteilen. Er war ein einfacher, ungeachteter Mann, und das reichte hin, das Urteil auf dem kürzesten Weg an ihm vollstrecken zu lassen. Es wurden daher Schergen losgeschickt, die ihn aufsuchen und sogleich töten sollten. Die Schergen suchten außerhalb der Stadt nach ihm, konnten ihn aber nicht auffinden. Weil sie nicht unverrichteter Dinge zurückkehren wollten, so traten sie in das nächste Haus, ohne zu wissen, dass es das Haus des christlichen Mannes war. Phokas war eben mit seinen Blumen beschäftigt und sang sein Gartenlied:
Das Gartenlied des heiligen Phokas
Duftet lieblich, zarte Blümlein!
Hebt die Kelche Himmel an;
Denn von Oben quillt der Segen,
Sonne spendet Gott und Regen,
Der so hold euch angetan.
Kurze Frist ward euch gegeben;
Doch in eurer Blütenzeit
Kündet ihr des Schöpfers Schöne;
Freuet still der Erde Söhne,
Selig, wer so still erfreut!
Weiße Lilien, rote Rosen;
Meines Heilands zartes Bild!
Er, der reinste Quell des Guten,
Wollte, ach! für mich verbluten;
Dass ich lebte, starb er mild.
Ewig denk ich dieser Güte;
Gib, o teurer Heiland! mir,
Dass ich gleich der Lilie sprieße,
Und mein Blut für dich vergieße,
Und erblühe nur bei Dir!
Die Schergen näherten sich dem Gärtner in der Absicht, ihn nach dem Wohnort und der Person des Phokas zu befragen. Phokas nahm sie, wie er es bei allen Fremden zu tun gewohnt war, sehr liebevoll auf, und bewirtete sie so gut er es vermochte. Während der Mahlzeit befragte er sie nach ihren Absichten und sie erklärten ihm, nachdem sie sich das Versprechen strenger Verschwiegenheit von ihm hatten geben lassen, dass sie einen Christen, Phokas mit Namen, suchten, um ihn nach dem Befehl der Obrigkeit zu töten. Phokas war darüber so wenig betroffen, dass er sich vielmehr der nahen Marterkrone in seinem Herzen innigst freute. Er sagte zu den Schergen, dass er den, den sie suchten, sehr gut kenne und ihnen am folgenden Morgen sichere Auskunft über dessen Aufenthaltsort geben wolle. Die Schergen ließen sich, als sie dieses vernommen hatten, gerne bereden, bei ihm zu übernachten. Der Diener Gottes machte, nachdem sich seine Gäste zur Ruhe begeben hatten, sein Grab und bereitete sich auf den Tod vor. Als es Tag geworden war, sprach er zu den Schergen: „Phokas hat sich gefunden und ihr könnt ihn verhaften, wann immer ihr wollt.“ Hierüber sehr erfreut, fragten sie wo er sei? „Er ist nicht weit von hier,“ antwortete er. „Er steht vor euch. Ich selbst bin der, den ihr sucht. Tut, was euch befohlen ist!“ Erstaunt standen die Schergen da und konnten sich lange nicht entschließen, einem Mann das Leben zu nehmen, der sie so liebevoll aufgenommen und so gut bewirtet hatte. Die freudige Bereitwilligkeit, die Phokas zeigte, den Todesstreich zu empfangen, machte ihnen schließlich Mut, den Befehl zu vollziehen. Sie enthaupteten ihn, wahrscheinlich bei dem Grab, das er sich vorher gemacht hatte und in welches sie seine Leiche einsenkten. Über seinem Grab wurde in der Folge eine herrliche Kirche gebaut.
Auch der Handwerksmann, ja selbst der Arme kann Barmherzigkeit ausüben, wenn er Liebe im Herzen hat. Kann man die Notleidenden auch nicht mit Gaben unterstützen, so kann man ihnen doch dienen, ihnen helfen und sie trösten.
Schon zur Zeit des Bischofs Asterius wurde der heilige Phokas von den Schiffleuten, die den Pontus Euxinus, das ägoische und adriatische Meer befuhren, als vorzüglicher Patron verehrt. Es lässt sich mit Gewissheit nicht sagen, in welcher Christenverfolgung der heilige Phokas den Martertod gelitten hat, wahrscheinlich war es die dioklezianische.