Heiliger Vinzenz Ferrer von Valencia, spanischer Priester und Bekenner aus dem Orden des hl. Dominikus, + 5.4.1419 - Fest: 5. April

       

Der heilige Vinzenz Ferrerius erblickte das Tageslicht zu Valencia in Spanien, am 23. Januar. Sein Vater und seine Mutter waren durch ihre Frömmigkeit und Liebe gegenüber den Armen ausgezeichnete Eheleute. Sie verteilten als Almosen, was sie am Ende eines jeden Jahres von ihren Einkünften noch erübrigten. Der Himmel segnete ihre Ehestand mit Kindern, auf die sich ihre Tugenden vererbten. Zwei von ihnen, Bonifatius und Vinzentius, waren große Kirchenlichter. Der erste starb als Karthäusergeneral, der zweite entfaltete von Kindheit auf glückliche Anlagen. Frühe schon hatte er die Gewohnheit angenommen, alle Mittwoche und Freitage zu fasten, um seine Leidenschaften desto sicherer zu bemeistern. Er hatte eine zärtliche Andacht zum leidenden Jesus und zur allerheiligsten Jungfrau, die er immer als seine Mutter verehrte. In den Armen erkannte er die Gliedmaßen Jesu Christi, und bezeigte ihnen die herzlichste Liebe: dies veranlasste seine Eltern, durch ihn Almosen auszuspenden.

 

Im 12. Lebensjahr schon betrat der heilige Vinzenz seine philosophische Laufbahn, und als er sich dem Studium der Theologie ergab, war er noch keine 15. Jahre. In diesen beiden Wissenschaften machte er so schnelle Fortschritte, dass er in einem Alter, wo man noch der Lehrmeister bedarf, schon öffentliche Vorlesungen hätte halten können. Nachdem er seine Studien beendigt hatte, ließ ihm seine Familie die Freiheit, sich nach Wohlgefallen einen Stand zu wählen. Er entschloss sich für das Klosterleben, und nahm das Ordenskleid bei den Dominikanern an, zu Valencia 1374. Da er den Entschluss gefasst hatte, dem heiligen Dominikus in allem nachzuahmen, war er bald ein vollendeter Mann in den Wegen der Vollkommenheit, und um sich in Stand zu setzen, den Zweck seines Ordens zu erreichen, verband er mit dem Gebet und den Abtötungen das Studium der göttlichen Schriften, wie auch das Lesen der Werke unserer Kirchenväter.

 

Kurz darauf, nachdem er seine Klostergelübde abgelegt hatte, wurde er von seinen Obern auf den Lehrstuhl der Philosophie erhoben, welchem Amt er auch mit großem Erfolg vorstand. Nach Beendigung seines Kurses gab er seine Tatkraft von den dialektischen Suppositionen heraus, da er noch nicht sein 24. Lebensjahr erreicht hatte. Man schickte ihn hierauf nach Barcelona, wo er dieselbe Stelle bekleidete. Das Studium der Scholastik verschlang aber nicht alle seine Stunden. Er erübrigte noch Zeit, um das Wort Gottes vorzutragen. Seine Predigten brachten die schönsten Früchte hervor, besonders während einer Hungersnot, womit die Stadt Barcelona heimgesucht wurde. Er weissagte den Einwohnern die Ankunft von zwei mit Früchten beladenen Schiffen, und der Erfolg bewährte die Prophezeiung, als man am wenigsten auf Beistand hoffte. Dieser Umstand steigerte nicht wenig die Gefühle der Hochachtung, die man ohnehin schon für ihn hatte.

 

Von Barcelona wurde der Heilige nach Catalonien auf die berühmte Universität Lerida geschickt, wo er das Studium der Scholastik und die Übungen des Priesteramtes allzeit mit demselben Erfolg fortsetzte: er erhielt in dieser Stadt im Jahr 1384 den Doktorhut von der Hand Kardinals Peter von Luna, Gesandten des Papstes Klemens VII. Auf Verlangen des Bischofs, der Geistlichkeit und des Volkes von Valencia, musste er dann wieder in sein Vaterland zurückkehren, wo er hierauf die heiligen Schriften erklärte und mit außerordentlichem Ruhm das Predigtamt bekleidete. Da er in allem aus reinsten Beweggründen handelte, segnete der Himmel alle seine Amtsverrichtungen, und jedermann ehrte ihn als einen vollkommenen Diener Gottes.

 

Um seine Tugend jedoch zu prüfen, ließ Gott zu, dass er von den heftigsten Versuchungen wider die Reinheit angefochten wurde. Der böse Feind stellte seiner Einbildungskraft tausend verabscheuungswürdige Bilder dar, wo nicht um ihn zu verführen, doch wenigstens um ihn zu verwirren und zu zerstreuen. Eine Frau, die von sündhafter Leidenschaft gegen den Heiligen entflammt wurde, stellte sich krank, und ließ Vinzenz zu sich rufen, unter dem Vorwand, sie wolle ihm beichten. Als sie ihn allein in ihrem Zimmer sah, erklärte sie ihm ihre Absicht, und wandte alle möglichen Mittel an, um ihn für ihre Begierde zu gewinnen. Der Heilige aber, wie ein zweiter Joseph, nahm die Flucht, und erwiderte nicht ein einziges Wort. Die Frau, über dieses Misslingen ganz in Wut gebracht, spielte nun die unverschämte Rolle der Frau Putiphars, und nahm ihre Zuflucht zur Verleumdung: da aber dieser Kunstgriff keineswegs ihrer Erwartung entsprechen wollte, gestand sie endlich selbst ihren Frevel, und tat eine öffentliche Abbitte, um sich von den Gewissensbissen, die sie jämmerlich quälten, zu befreien. Der Heilige verzieh ihr gerne, und heilte sie sogar von inneren Schmerzen, mit denen sie Gott, zur Strafe ihres Verbrechens, heimgesucht hatte.

 

Die Waffen, die der heilige Vinzenz gegen die Angriffe des Satans führte, waren: Gebet, Abtötung, strenge Wachsamkeit über alle seine Sinne, und große Sorgfalt, die ersten Regungen der Begierlichkeit zu ersticken.

 

Sein Herz war allzeit in Gott vertieft, so dass seine Studien, seine Arbeiten und überhaupt alle seine Handlungen ein beständiges Gebet wurden. Er fand sich durch diese Übung so beglückt, dass er sie allen Christen anempfahl. Lasst uns ihn selbst hören, wie er sich ausdrückt in seiner Abhandlung über das geistliche Leben, wo er jenen, die den Wissenschaften obliegen, überaus wichtige Lehren gibt. „Willst du auf eine dir ersprießliche Weise lernen, wohlan, so soll die Andacht immer deiner Studien treue Gefährtin sein, und deine Absicht immer dahingehen, die Geschicklichkeit zur Heiligung deiner Seele zu erlangen. Berate dich mehr mit Gott als mit deinen Büchern, und begehre demütig von ihm die Gnade, das zu verstehen, was du liest. Das Studium ermüdet den Geist und verdörrt das Herz. Belebe beide von Zeit zu Zeit am Fuß deines gekreuzigten Heilands. Einige Augenblicke der Ruhe in dessen geheiligten Wunden gewähren neue Kräfte und neues Licht. Unterbreche deine Arbeit durch jene kurzen und feurigen Gebete, die man Stoßgebetlein nennt. Mit dem Gebet soll endlich deine Arbeit beginnen und sich beschließen. Die Wissenschaft ist eine Gabe des Vaters der Lichter. Sie also dieselbe nicht an als das eigene Werk deines Verstandes und deiner Fähigkeiten.“ Der Heilige verfertigte daher immerhin, diesen Grundsätzen getreu, seine Predigten am Fuß des Kreuzes. Da erflehte er vom Erlöser die Einsicht seines Gesetzes, und bereitete sich, durch das Andenken der Leiden des Gottmenschen vor, seinen Zuhörern die Gefühle der Liebe und der Zerknirschung einzuflößen. Er brachte zu Valencia sechs Jahre in beständiger Übung seines apostolischen Amtes zu. Wenn er vom bösen Feind und fleischlichen Menschen viel zu leiden hatte, so genoss er desto höhere Achtung bei Personen, die das Verdienst und die Tugend zu schätzen wussten.

 

Kardinal Peter von Luna, Gesandter des Papstes Klemens VII. am spanischen Hof, erhielt den Ruf nach Frankreich zu Karl VI. in derselben Eigenschaft. Als er 1390 nach Valencia kam, wollte er, dass ihn der Heilige, zur Ehre seiner neuen Gesandtschaft, begleitete. Während der Kardinal, allzusehr dem Geist der Welt nachhangend, sich mit Politik beschäftigte, arbeitete Vinzenz an der Bekehrung der Sünder. Sein Eifer brachte in Frankreich weniger Früchte hervor als früher in Spanien. Als der Kardinal zu Anfang des Jahres 1394 nach Avignon zurückgekehrt war, lud er den Heiligen ein, ihm in diese Stadt, wo Klemens VII. sich aufhielt, zu folgen: er lehnte aber diesen Antrag ab, und schlug wieder den Weg nach Valencia ein.

 

Nachdem Klemens VII. in demselben Jahr zu Avignon, während der großen Spaltung, gestorben war, wurde der Kardinal Peter von Luna von den Spaniern und Franzosen als Papst erwählt, und nahm den Namen Benedikt XIII. an. Unmittelbar nach seiner Ernennung, berief er Vinzenz nach Avignon.

 

Der Heilige, betrübt über die Kirchenspaltung, bemühte sich, Benedikt dahin zu vermögen, dass er derselben ein Ende mache. Er erhielt von ihm schöne Versprechungen, die aber nicht ausgeführt wurden, indem der Ehrgeiz verschiedene beschönigenden Vorwände ausfindig zu machen wusste. Durch seine gewohnten Amtsverrichtungen brachte er es aber wenigstens dahin, dass er durch seine Beispiele und Reden die Kirche von Avignon gänzlich umgestaltete. Zu seiner Wohnung wählte er sich ein Kloster seines Ordens, um ein desto abgeschiedeneres und seinem Stand angemesseneres Leben führen zu können. Umsonst bot ihm Benedikt Bistümer und den Kardinalshut an, er wollte niemals eine hohe geistliche Würde annehmen. Das Einzige, was er nach Verlauf von 18 Monaten begehrte, war, dass er als apostolischer Missionar gewählt werden möchte. Man war von dessen Heiligkeit so überzeugt, dass man geglaubt hätte, durch Nichtgenehmigung dieser Bitte sich dem Himmel selbst zu widersetzen. Was er daher begehrte, wurde ihm bewilligt. Benedikt gab ihm seinen Segen als apostolischen Missionar, und sogar die Titel eines Legaten und Vikars des heiligen Stuhles.

 

Vinzenz reiste noch vor Ende des Jahres 1398 von Avignon ab, um in sein Vaterland zurückzukehren. Er predigte in allen Provinzen Spaniens, ausgenommen in Galicien. Diejenigen, die ihn einmal gehört hatten, folgten ihm scharenweise nach, um an den Orten, wo er predigten sollte, noch einmal Worte des Heils aus seinem Mund zu vernehmen. Die Wucherer, die Gotteslästerer, sündige Menschen aller Art, die verhärtetsten Übeltäter, konnten dem Strom seiner Rede nicht widerstehen: sie beweinten ihre Verirrungen und taten Buße. Unter den Bekehrten zählte man eine sehr große Menge Juden, Mohammedaner, Ketzer und Schismatiker. Der Heilige ging hierauf nach Frankreich, und verweilte eine Zeitlang in den Provinzen Languedoc, Provence und Dauphine. Von da setzte er über die Alpen, und durchwanderte Genua, die Lombardei, Piemont und Savoyen: er predigte auch in Deutschland in den Gegenden des Oberrheins und in Flandern.

 

Man hielt ihn für einen von Gott erweckten Mann, da man allenthalben, wo er Missionen hielt, unter seinen Tritten so reiche und so kostbare Früchte aufsprossen sah. Heinrich IV., König von England, schrieb ihm durch einen Edelmann einen überaus ehrfurchtsvollen Brief, um ihn in sein Königreich einzuladen. Er ließ ihn durch eines seiner Schiffe an den französischen Gestaden abholen, und empfing ihn mit allen erdenklichen Ehrenbezeigungen. Der Heilige, nachdem er dem Monarchen einige Mahnungen sowohl in Beziehung auf sich selbst, als auf dessen Untertanen, gegeben hatte, begann seine Missionen in den vorzüglichsten Städten Englands, Schottlands und Irlands. Er kam darauf wieder nach Frankreich zurück, wo sich seinem Eifer ein Wirkungskreis von der Picardie bis nach Gascogne eröffnet hatte.

 

Unwissenheit und Sittenverderbnis, die gewöhnlichen Folgen des Krieges und der Spaltung, machten damals die Missionen des heiligen Vinzenz notwendig. Es bedurfte eines Apostels, dessen Donnerstimme die Gewissen schrecken konnte, um die Sünder ihren Lastern zu entreißen: daher predigte der Heilige die furchtbarsten Wahrheiten des Christentums, als: die Sünde, die göttlichen Gerichte, die Hölle, die Ewigkeit. Er hatte ohnehin die Gabe, seine Predigten in einem feierlich erschütternden Ton vorzutragen. Als er eines Tages zu Toulouse predigte, wurden alle seine Zuhörer von einem durchbebenden Schauder ergriffen. Mehrere aus den Anwesenden fielen öfters in eine Art Ohnmacht, und er musste zuweilen einhalten, damit die Versammlung dem Schluchzen und Seufzen freien Lauf lassen konnte. Es war ihm nicht genug, hinreißend zu sein. Er redete auch noch auf eine der Fassungskraft seiner Zuhörer angemessene Weise, und stützte alles, was er sagte, auf unerschütterliche und lichtvolle Vernunftschlüsse, auf das Ansehen der Schrift und der Väter, in deren Lehre er vollkommen eingeweiht war. Die Heiligkeit seines Lebens, verbunden mit der Wundergabe, verlieh seinen Worten noch neue Kraft. Unter anderen Wundern, die er wirkte, erbetete er in Catalonien einem gewissen Johannes Soler den Gebrauch der Glieder, dessen Heilung die Ärzte für unmöglich erklärt hatten. Als nachher Soler sich durch große Verdienste auszeichnete, wurde er auf den bischöflichen Stuhl von Barcelona erhoben.

 

Vinzenz führte ein sehr strenges Leben, seiner immerwährenden Reisen und der Mühseligkeiten ungeachtet, die damit notwendigerweise verbunden waren. Niemals aß er Fleisch; er fastete alle Tage, den Sonntag ausgenommen. An den Mittwochen und Freitagen bestand seine ganze Nahrung in Wasser und Brot, das er 40 volle Jahre beobachtete. Er schlief auf bloßem Stroh oder Rebholz. Einen großen Teil des Tages brachte er im Beichtstuhl zu, wo er das, was er auf der Kanzel begonnen hatte, vollendete. Er hatte in seinen Amtsverrichtungen 5 Gehilfen seines Ordens und einige andere eifrige Priester. Seine Uneigennützigkeit war über alle Begriffe. Er bewog mehrere Personen, ihre Güter für die Armen hinzugeben. Niemals aber wollte er etwas für sich selbst annehmen. Nicht minder bewunderungswürdig war sein Bestreben, immerhin die Demut in seinem Herzen zu unterhalten. Er schlug allzeit mit unabänderlicher Standhaftigkeit alle geistlichen Würden und Ehrenstellen, die man ihm anbot, aus. Man hegte für ihn eine solche Verehrung, dass die Wirkungen der Spaltung in Bezug auf ihn aufhörten, und man ihn auf die ehrenvollste Weise in die sogenannte Obedienz eines jeden Papstes aufnahm (Während der großen Spaltung, die die Kirche im 14. und 15. Jahrhundert zerrüttete, wurden die dem Papst zugetanen Länder dessen Obedienz genannt).

 

Als er sich in Dauphine befand, erfuhr er, dass die Bewohner eines Tales, mit Namen Vaupute oder Tal des Verderbens, den abscheulichsten Lastern frönten. Sie waren so roh und verwildert, dass kein Missionar zu ihnen zu dringen wagte. Vinzenz, bereit alles zu leiden für die Ehre Gottes, unternahm, sie auf Kosten seines eigenen Lebens zu retten. Seine Arbeiten waren nicht ohne Erfolg. Diese Unglücklichen nahmen den Unterricht an, wurden gerührt, verabscheuten ihre Gräueltaten, und unterzogen sich dafür einer aufrichtigen Buße. Die Umgestaltung war so sichtbar, dass das Tal den Namen Valpure oder Tal der Reinheit empfing, den es noch bis jetzt führt.

 

Als Vinzenz sich 1403 zu Genf aufhielt, schrieb er von dieser Stadt aus an seinen Ordensgeneral. Wir haben auch noch dessen Brief, wo man mehrere Umstände in Betreff seiner Missionen findet. „Wenn ich die heilige Messe gefeiert habe,“ sagt der Heilige, „so predige ich zwei oder drei Mal des Tages, da mir für die Vorbereitung zum Predigen keine andere Zeit, als jene der Reisen übrigt. Ich habe drei Monate lang die Städte und Dörfer in Dauphine durchwandert, um das Wort Gottes zu verkündigen. Länger war mein Aufenthalt in den Tälern von Luzern, von Argenteye und Vaupúte, des Bistums Embrún; auch hatte ich das Glück, beinahe alle Ketzer jener Gegenden zu bekehren. Auf dringende Einladung habe ich mich nach Piemont begeben, wo ich Unterricht erteilte, so wie auch in Montserrat und in den Talgegenden. Meine Mühen waren nicht vergebens. Eine Menge Waldenser und andere Ketzer sind in den Schoß der Kirche zurückgekehrt. Ihre Irrtümer rührten vorzüglich aus einer groben Unwissenheit und aus Mangel an Lehrern her. Ich erhebe, wenn ich an das schreckliche Gericht denke, das hereinbrechen wird auf die geistlichen Obern, die gemächlich in reichen Palästen wohnen, während eine Menge durch das Blut Jesu Christi erkaufte Seelen, aus Abgang an nötiger Hilfe, armselig ins Verderben dahin schmachten. Möchte doch der Herr der Ernte gute Arbeiter dahin senden! Das ist die Gnade, die ich ohne Unterlass von Gott erflehe.“ Der Heilige redet dann von der Bekehrung vieler Irrgläubigen und der Versöhnung der Gülphen und Gibelinen, und dem allgemeinen Frieden, den er in die ganze Lombardei gebracht hatte. „Als ich,“ setzt er hinzu, „von den Bischöfen und Großen des Landes nach Piemont berufen wurde, brachte ich fünf Monate in den Diözesen Aosta, Tarantasia, St. Jean de Maurienne und Grenoble zu. Dermalen bin ich in Genf, wo ich endlich ein abergläubisches Fest, dem das Volk sehr anhing, abschaffte. Ich gehe nun nach Lausanne, zufolge der von dem Ortsbischof an mich ergangenen Einladung. Ich soll den Versuch machen, einigen rohen Menschen, die da die Sonne anbeten, und einer Anzahl von hartnäckigen Ketzern, die auf den Grenzen Deutschlands wohnen, die Augen öffnen.“ (Man liest, dass Vinzenz, wenn er in seiner Muttersprache redete, von den Zuhörern jeder Zunge verstanden wurde. Danach verstanden die Griechen, Deutschen, Ungarn etc. alles, was er sagte, wenn er lateinisch oder valenzianisch predigte.)

 

Der Cardinal Peter von Luna beschied den Heiligen zu sich nach Genua, mit dem Versprechen, er wolle allen Ansprüchen auf die päpstliche Würde nun entsagen. Vinzenz gehorchte, und verließ Lothringen, wo er sich damals aufhielt. Nach seiner Ankunft schilderte er dem Cardinal mit lebhaften Farben die unseligen Folgen der Kirchenspaltung, und ermahnte ihn dringend, dem Unwesen ein Ende zu machen, auf dass ihn nicht etwa der Herr zur Verantwortung desselben ziehen möchte. Seine weisen Vorstellungen fanden wenig Gehör. Die Ehrgeizigen verlieren niemals ihren Strebepunkt aus den Augen. Der Heilige predigte einen Monat lang zu Genua, worauf er neuerdings Frankreich und Flandern bereiste. 1406 kehrte er wieder nach England zurück. Die zwei nachfolgenden Jahre verflossen in neuen Missionen, in Poitou, Gascogne, Languedoc, Provence und Auvergne.

 

Der Ruhm, den Vinzenz genoss, machte tiefen Eindruck auf den Maurenkönig von Granada in Spanien. Obgleich er ein Mohammedaner war, gelüstete es ihn doch, einen so außerordentlichen Mann zu sehen. Er ließ daher eine höfliche Einladung an ihn ergehen. Der Heilige schiffte sich zu Marseille 1408 ein, um dem Wunsch des Königs zu entsprechen. Er war nicht sobald angelandet, als er schon das Evangelium zu predigen anfing. Mehrere Mohammedaner bekehrten sich. Die Großen des Reiches, in Besorgnis über den Verlust, den ihre Religion täglich erlitt, teilten dem König ihre Bedenklichkeiten mit, und baten ihn, Vinzenz zurückzuschicken. Der heilige Glaubensbote übte dann seinen Eifer im Königreich Aragonien und in Catalonien aus. Im Bistum Vich erneuerte er das Wunder der Brotvermehrung. Zu Barcelona 1409 weissagte er dem aragonischen König Martin den Tod des Königs von Sizilien, seines Sohnes, der auch Martin hieß. Die Prophezeiung ging im Juli desselben Jahres in Erfüllung. Nachdem Vinzenz den betrübten Vater getröstet hatte, riet er ihm, sich wieder zu vermählen, auf dass er durch einen Thronerben die öffentliche Ruhe in Sicherheit stelle.

 

Das Jahr darauf ging er nach Pisa, Siena, Florenz und Lucca: überall führte er wieder Frieden und Ordnung ein. 1411 bereiste er die Königreiche Kastilien, Leon, Murcia, Andalusien, Asturien und mehrere andere Gegenden, wo er seine zahlreichen Wunder und Bekehrungen fortsetzte. Die Juden von Toledo nahmen das Christentum an, und wandelten ihre Synagoge in eine Kirche um, die der Anrufung der Mutter Gottes geweiht wurde. Von da begab sich Vinzenz zu Anfang des Jahres 1412 nach Salamanca, wo er im Angesicht einer ungeheuren Volksmenge, die dahin geströmt war, einen Toten erweckte. Er drang in die Synagoge derselben Stadt, mit einem Kruzifix in der Hand, und hielt da eine kraftvolle Rede, die nur vom Geist Gottes herrühren konnte. Die Juden, anfangs betroffen, wurden endlich gerührt und bekehrt, so dass sie gleich nach der Predigt die heilige Taufe begehrten. Ihre Synagoge wurde ebenfalls in eine Kirche umgeschaffen, die den Namen zum heiligen Kreuz annahm.

 

Die Unruhen, die zwei Jahre her das Königreich Aragonien bewegten, hatten sich noch keineswegs gelegt. Man stritt unablässig fort, ohne dass man in Betreff des Kronerben sich zu verständigen vermochte. Es war so weit gekommen, dass in den Staaten von Aragonien, Catalonien und Valencia eine große Spaltung herrschte. Als die Mächtigsten in Catalonien den Grafen Urgel vorgeschlagen hatten, widersetzte sich dagegen sehr heftig der Bischof von Saragossa. Er wurde ermordet. Ein so gräuliches Verbrechen zog dem Grafen allgemeine Verabscheuung zu. Seine Anhänger verließen ihn, und man befürchtete mit Recht den Ausbruch eines Bürgerkriegs. Da noch immer keine Aussicht zur Vereinigung war, beschlossen die Stände, dass neun Bevollmächtigte, drei für jedes Reich, gewählt würden. Sie sollten im Schloss Caspe in Aragonien zusammenkommen, und derjenige, der die meisten Stimmen bekäme, sollte als König erkannt werden. Vinzenz wurde für das Königreich Valencia als Bevollmächtigter erwählt, nebst seinem Bruder Bonifacius, einem Kartäuser und vom Peter Bertrand. Als er davon Nachricht erhielt, verließ er seine Missionen, um sich in das Schloss Caspe zu verfügen. Nachdem die Bevollmächtigten die Sache reiflich überlegt hatten, erklärten sie einhellig, Ferdinand von Kastilien sei der nächste Verwandte des verstorbenen Königs und mithin der einzig rechtmäßige Thronerbe. Bei dieser Gelegenheit hielt Vinzenz eine Rede an die auswärtigen Gesandten und an das Volk, das zugegen war.

 

Vannes war nicht der einzige Ort, wo er seinen apostolischen Eifer ausübte: auch ganz Bretagne hatte sich darüber zu erfreuen. Er vergönnte sich keine Ruhe, wiewohl er äußerst schwächlich war. Auch brachte er es durch sein unverdrossenes Bemühen dahin, dass er die Laster ausrottete, den Aberglauben verdrängte, die Missbräuche abstellte, und in der ganzen Provinz eine allgemeine Umwandlung zustande brachte. Von Bretagne aus schrieb er an die Bischöfe und Vornehmsten von Kastilien, so wie auch an Dom Alphons, der während der Minderjährigkeit Johannes II., das Königreich regierte, um sie zu ermahnen, dass sie Peter von Luna als einen Afterpapst ansehen und das Konzil von Konstanz anerkennen sollten. Seine Briefe brachten die gewünschte Wirkung hervor. Kastilien schickte Gesandte nach Konstanz, die die Väter des Kirchenrates mit Freuden aufnahmen. Martin V., der im November erwählt worden war, schrieb dem Heiligen und schickte ihm Montan, einen berühmten Gottesgelehrten, um ihn in seiner Eigenschaft als apostolischer Missionar zu bestätigen. Um dieselbe Zeit begab er sich in die Normandie, auf dringende Bitten Heinrich V., Königs von England, der sich zu Caen befand. Er war damals in seinem 60. Lebensjahr. Allein er war schon so schwach, dass er ohne Stütze keinen Schritt mehr zu tun vermochte. Wie er sich aber auf dem Lehrstuhl befand, da sprach er mit solcher Kraft und Heftigkeit, als wenn er noch in der Blüte seiner Jahre wäre. Er kam oft in seinen Predigten auf die Vermeidung der Rechtshändel, die Abscheulichkeit der Lügen, Flüche, Gotteslästerungen und der übrigen Laster, die am meisten unter dem Volk herrschen.

 

Als endlich seine Gesundheit ganz erschöpft war, riet man ihm, in sein Vaterland zurückzukehren. Dies tat er auch, und trat unverzüglich die Reise an. Seine Gefährten, die stärker gegangen waren, und sich einbildeten, schon eine beträchtliche Strecke Wegs zurückgelegt zu haben, befanden sich indes erst bei Vannes. Vinzenz, der die Verschlimmerung seines Übels fühlte, ließ sich in diese Stadt führen, die Gott zu seinem Begräbnisort ausersehen hatte. Die Einwohner bezeigten eine unaussprechliche Freude, als sie ihn wieder in ihrer Mitte sahen. Die Freude aber wurde bald getrübt, als ihnen der Heilige sagte, er käme nicht, um da seine Amtsverrichtungen fortzusetzen, sondern sein Grab zu finden. Diese Worte, auf die eine kurze Ermahnung über die allgemeinen Pflichten des Christentums folgte, erregten in den Anwesenden einen lebhaften Schmerz und verbreiteten überall Bestürzung.

 

Als der Heilige merkte, dass sein Übel bösartig zu werden anfing, verdoppelte er seinen Eifer und empfing die heiligen Sakramente. Drei Tage darauf besuchte ihn der Bischof nebst mehreren Personen der Geistlichkeit und des Adels. Er bat sie inständig, das von ihm begonnene Werk zu unterhalten, ermahnte sie in der Ausübung der Tugend zu verharren, und versprach ihnen, für sie in Gottes Schoß zu beten, und sagte ihnen dann, er würde in zehn Tagen sterben. Während dieser ganzen Zeit redete er nie von seinen Schmerzen, und wenn er den Mund öffnete, war es um Gott zu danken, dass er ihm an dem Kelch seines Sohnes habe teilnehmen lassen. In seinem Todeskampf, der sehr hart war, bewies er eine außerordentliche Geduld und Ergebenheit. Man bemerkte sogar an ihm Freudengefühle mitten in den grausamsten Qualen. Die Glut seines Gebetes erhob seine Seele dergestalt zu Gott empor, dass ihn nichts zu zerstreuen vermochte.

 

Der Magistrat befürchtend, die Dominikaner, die kein Haus zu Vannes hatten, möchten seinen Leichnam in Anspruch nehmen, ließ ihn fragen, wo er hinbegraben werden wollte. Er antwortete der Gesandtschaft: „Ich bin ein unnützer Knecht, und ein armer Mönch: mir kommt nicht zu, über den Ort meiner Beerdigung zu verfügen. Die Gnade, die ich von euch begehre, ist, dass ihr den Frieden, den ich euch mein Leben hindurch so dringend anempfohlen habe, bewahren möget. Ich bitte euch, dem Prior des eurer Stadt am nächsten liegenden Dominikanerklosters zu erlauben, hierüber zu entscheiden.“ Nach dieser Antwort setzte er seine Religionsübungen, die er auf einen Augenblick unterbrochen hatte, wieder fort. Er sehnte sich oft nach der Befreiung seiner Seele von den Banden des Körpers, um sich in Gottes Unermesslichkeit zu versenken. Am zehnten Tag seiner Krankheit ließ er sich die Leidensgeschichte Jesu vorlesen, und betete die sieben Bußpsalmen, worauf er ruhig entschlief, am Mittwoch vor dem Palmsonntag, am 5. April des Jahres 1419. Er war 62 Jahre, 2 Monate und 13 Tage alt. Die Herzogin von Bretagne, Johanna von Frankreich, Tochter Karls VI., wusch mit eigenen Händen den Leichnam des Heiligen. Es geschahen mehrere Wunder durch die Kraft des Wassers, das zu dieser Zeremonie diente, so wie auch durch die Berührung der Kleider, des Gürtels etc. des Dieners Gottes.

 

Der Herzog von Bretagne und der Bischof von Vannes beschlossen, dass Vinzenz Ferrer in die Domkirche begraben würde. Papst Calixtus III. sprach ihn 1455 heilig. Die Bulle seiner Canonisation wurde aber erst drei Jahre nachher durch Pius II. bekannt gemacht, 1456 erhob man den Leib des Heiligen. Die Spanier, die zu wiederholten Malen den Leichnam des Heiligen vergebens begehrt hatten, entschlossen sich 1590, ihn als einen ihnen angehörigen Schatz heimlich zu entwenden. Um dem vorzubeugen, verbarg man ihn. 1637 wurde er wiederentdeckt, und dies veranlasste eine zweite Übertragung, die am 6. September geschah. Dann stellte man das Reliquienkästchen auf den Altar einer Kapelle, die man soeben im Dom gebaut hatte, wo er der Verehrung der Gläubigen ausgesetzt wird.

 

Die Demut des heiligen Vinzenz Ferrer erhielt sich im Glanz der Ehren und im Geräusch des Beifalls, Die Art, wie er in seiner Abhandlung über das geistige Leben von sich selbst redet, beweist, auf welche hohe Stufe er diese Tugend gebracht habe. „Mein ganzes Leben“, sagt er, „ist eitel Gestank. Ich bin nur Fäulnis an Leib und Seele. Alles atmet in mir einen Geruch des Verderbens, der von dem Gräuel meiner Sünden und Missetaten herrührt. Und was noch schlimmer ist, ich fühle, dass diese Fäulnis täglich zunimmt, und allzeit unerträglicher wird.“ Ohne Demut gibt es nach ihm keine Tugend. „Wer aus Hoffart gerne hadert und widerspricht, der wird nie wahrhaft tugendhaft werden. Jesus Christus verbirgt seine Wahrheit den Hoffärtigen und offenbart sie nur den Demütigen.“ Der Heilige führt die Regeln der Vollkommenheit auf drei Dinge zurück, nämlich: 1. dass man die durch überflüssige Sorgen erzeugten äußeren Zerstreuungen vermeide; 2. dass man sein Herz gegen den Hochmutsdünkel verwahre; 3. dass man jede unordentliche Anhänglichkeit an irdische Gegenstände verbanne. Von jenen aber, welche diese drei Dinge beobachten wollen, fordert er, 1. dass sie von Herzen die Verachtung und Erniedrigung verlangen; 2. dass sie eine innige Andacht zu Jesus dem Gekreuzigten haben; 3. dass sie geduldig seien in Leiden und Drangsalen, aus Liebe zu unserm anbetungswürdigen Erlöser.