Heiliger Ludwig von Anjou, Erzbischof und Kardinal von Toulouse OFM, + 19.8.1297 – Fest: 19. August

 

Das Kleid und die Lebensweise des heiligen Franziskus von Assisi übten von jeher eine wunderbare Anziehungskraft auf alle gottliebenden Herzen aus, und zwar nicht bloß unter Leuten gewöhnlichen Standes, sondern auch in den höchsten Kreisen der menschlichen Gesellschaft, selbst den Stand der Fürsten und Könige nicht ausgenommen. Ein ruhmvoller Zeuge hierfür ist der heilige Ludwig von Toulouse, ein Bischof aus dem ersten Orden des heiligen Franziskus.

 

Ludwig war ein Sohn des Königs Karl II. von Neapel und Sizilien und ein Verwandter sowohl des heiligen Königs Ludwig von Frankreich als auch der heiligen Elisabeth von Thüringen. Er erblickte das Licht der Welt im Jahr 1274 und hatte gleich dem heiligen König Ludwig das Glück, von einer frommen und tugendhaften Mutter erzogen zu werden. So zeigte denn dieser königliche Prinz schon als Kind die Anlagen eines Heiligen, besonders eine engelgleiche Unschuld und vorbildliche Abtötung. Ebenso bewies er schon in diesen Jahren mit Vorliebe den Armen gegenüber Mitleid und Werktätige Barmherzigkeit. Darum vermochte er auch in den Tagen schwerer Trübsal freudige Geduld, Gottergebenheit und Standhaftigkeit zu bekunden. Solch harte Tage waren für ihn gekommen, als zwischen seinem Vater und dem König von Arragonien in Spanien ein Krieg ausbrach, in dem Ludwigs Vater in Gefangenschaft geriet. Nun musste der vierzehnjährige Prinz mit zweien seiner Brüder sich als Geißel nach Spanien begeben, um seinem Vater zur Freiheit zu verhelfen. Als Aufenthaltsort wurde ihm das Franziskanerkloster in Barcelona angewiesen.

 

Kloster statt Königspalast! Ein jäher Wechsel! Aber der Fürstensohn war darob nichts weniger als unglücklich. Unter der Leitung der Franziskanerpatres widmete er sich mit größtem Eifer sowohl den Studien als auch den Übungen der Tugend und Frömmigkeit. Und in beiden machte er bewundernswerte Fortschritte. So wurde denn schließlich dieser unfreiwillige Klosteraufenthalt auch bestimmend für den ganzen Lebenslauf des Prinzen. Denn es erwachte in ihm der Entschluss, nicht die Fürstenlaufbahn zu betreten, sondern sich dem ausschließlichen Dienst Gottes im geistlichen Stand zu weihen. Als Ludwig nun überdies in eine schwere Krankheit fiel, machte er sogar das Gelübde, in den ersten Orden des heiligen Franziskus zu treten, wenn er wieder gesund würde. Es geschah und sofort gedachte er auch sein Vorhaben auszuführen. Aber die Ordensobern wollten ihn ohne die Zustimmung seines Vaters nicht aufnehmen. Und diese erlangte er nicht eher, als bis er nach sieben Jahren in die Heimat entlassen wurde. Erst einundzwanzig Jahre war der königliche Prinz alt, da er die Priesterweihe empfing, nachdem er zugunsten seines Bruders Robert auf die Thronfolge verzichtet hatte. Auf Wunsch des Papstes Bonifatius VIII. musste er – obwohl noch nicht Bischof – die Verwaltung des Bistums Toulouse in Süd-Frankreich übernehmen. Aber zum Bischof selbst ließ er sich nicht eher weihen, als bis er seinem Gelübde gemäß in den Orden der Minderen Brüder des heiligen Franziskus aufgenommen worden war.

 

Erst im franziskanischen Kleid fühlte sich Ludwig ganz glücklich und schämte sich nicht, er, der Königssohn, die niedrigsten Arbeiten zu verrichten und von Tür zu Tür Almosen zu sammeln. Kein Wunder, dass er, als er zum Bischof geweiht war und Besitz von seiner Diözese ergriffen hatte, vom Volk wie ein Heiliger und Gesandter des Himmels betrachtet und empfangen wurde. Die Milde und Reinheit, die aus seinem jugendschönen Antlitz strahlten, entzückten jedermann. Eine Frau, die ihn noch nicht gesehen hatte, bezweifelte die Heiligkeit eines so jungen Mannes. Als sie aber dann am folgenden Tag den Bischof die heilige Messe hatte lesen sehen, rief sie aus: „Ja, ja, unser Bischof ist ein Heiliger!“ In seinem neuen hohen Stand führte Ludwig begeistert und treu die Lebensweise eines armen Franziskussohnes, erfüllte aber im Übrigen seine oberhirtlichen Pflichten aufs gewissenhafteste. Besonders erwies er sich, wie schon einst in der Kindheit, als großer Freund und Helfer der Armen, deren er täglich fünfundzwanzig an seinem Tisch speiste.

 

Nicht lange indes sollte er den geistlichen Hirtenstab führen. Schon nach eineinhalb Jahren bischöflicher Wirksamkeit war der heilige Ludwig reif für den Himmel. Erst vierundzwanzig Jahre alt starb er am 19. August 1297. Gott verherrlichte sein Grab durch so zahlreiche Wunder – selbst Tote wurden auf Anrufung seiner Fürbitte hin dem Leben wieder gegeben –, dass er schon im Jahr 1317 noch zu Lebzeiten seiner Mutter heiliggesprochen wurde. Man könnte ihn den Aloysius des seraphischen Ordens nennen. Die Kirche singt ihm in den Tagzeiten auch ein eigenes Lob mit den Worten: „Du Frühlingsrose der Liebe, du Lilie der Jungfräulichkeit, glänzender Stern, Ludwig, Gefäß der Heiligkeit, bitte für uns den Herrn!“

 

Der heilige Ludwig von Toulouse hatte eine sehr fromme Mutter. Das ist ein großes Glück, ein wahres Himmelsgeschenk. Indes – wer möchte es glauben? – kann die Frömmigkeit einer Mutter doch auch ein großes Unheil verursachen, freilich nicht als Frömmigkeit an und für sich, sondern wenn sie nicht mit Klugheit verbunden ist. Fromme Mütter haben nämlich häufig den unbedingten Wunsch, es möchte ihr Sohn oder einer ihrer Söhne „Geistlicher werden“. Das hat bisweilen zur Folge, dass solch ein Sohn aus Nachgiebigkeit gegen die Mutter, aber ohne wahren Beruf, in den geistlichen Stand tritt und dann unglücklich wird, nicht bloß für die Zeit, sondern vielleicht auch für die Ewigkeit. Daher sollen fromme Mütter sich ja hüten, auf einen Sohn irgendwelchen, wenn auch noch so sanften Druck in der bezeichneten Richtung auszuüben. Wenn es aber doch geschieht, so darf und muss solch ein Sohn einem derartigen Druck aufs Entschiedenste widerstehen. Denn in der Berufswahl sind die Kinder den Eltern nicht zum Gehorsam verpflichtet und besser ist es, ein braves und zufriedenes Weltkind als ein schlechtes und unglückliches Mitglied des geistlichen Standes zu sein. Gleiches gilt natürlich auch von einem eventuellen Zwang zum Eintritt in ein Kloster. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ (2. Korinther 3,17)