Heiliger Leo, Martyrer zu Patara in Lycien, + 4. Jhd. – Fest: 18. Februar

       

Der heilige Paregorius kam nach Patara Lycien und vergoss da sein Blut für seinen göttlichen Heiland. Der heilige Leo, der Zeuge seines Kampfes war, empfand dabei einerseits die herzlichste Freude über das Glück seines Freundes und andererseits bittere Traurigkeit, dass er noch nicht, wie sein Freund, sich in gleichen Leiden bewähren konnte. Aber bald fand er Gelegenheit, das Licht seines Glaubens leuchten zu lassen. Während der Abwesenheit des Prokonsuls von Asien, der den Kaisern einen Besuch abstattete, wollte der Statthalter von Lycien, der zu Patara seinen Sitz hatte, seinen Eifer für die Verehrung der Götzen beweisen. Er verordnete deshalb ein feierliches Fest zu Ehren des Serapis, mit dem Befehl, dass alle Einwohner von Patara ihm opfern sollten. Die Menschenfurcht bewog mehrere Christen, sich den Ungläubigen anzuschließen. Tief schmerzte den heiligen Leo sowohl die Feigheit der einen, als die Verblendung der anderen. Als er eines Tages seine Wohnung verlassen hatte, um am Grab des heiligen Paregorius zu beten, trug er kein Bedenken, am Tempel des Serapis, wo man ihm gerade Opfer brachte, vorüberzugehen. Die Heiden erkannten an seinem demütigen und bescheidenen Äußeren, dass er ein Christ sei. Er hatte sich auch wirklich von seiner Jugend auf an alle die strengen Übungen des einsamen Lebens gewöhnt und besaß, neben allen übrigen Tugenden, in einem besonders hohen Grad die Tugend der Keuschheit und Mäßigkeit. Sein Gewand war von grobem Zeug, von Kamelhaaren. Auf seinem Rückweg beschäftigte ihn der Gedanke an das glorreiche Ende seines Freundes und ganz darin vertieft, schlief er ein und hatte eine Erscheinung, in der Gott ihm zu erkennen gab, dass er denselben Kampf, wie der heilige Paregorius, werde zu bestehen haben. Das brachte ihm eine unaussprechliche Freude. Indessen fuhr er fort das Grab seines Freundes zu besuchen und anstatt weit entfernte Nebenwege einzuschlagen, ging er vielmehr mitten über den öffentlichen Platz.

 

Eines Tages, als er seinen Weg durch das Tycheum oder den Tempel der Fortuna genommen hatte, sah er diesen durch eine große Anzahl Fackeln erleuchtet. Von Mitleid und Schmerz hingerissen über die Blindheit der Heiden und von Eifer glühend für die Ehre des wahren Gottes, löschte er die Fackeln aus und zertrat sie mit den Füßen in Gegenwart des Volkes. „Wenn eure Götter“, sagte er zu ihnen, „diese Verunehrung empfinden, so mögen sie mich nur dafür bestrafen.“ Das Volk, durch die Götzenpriester angefeuert, schrie sogleich: „Wenn man diese Freveltat nicht bestraft, beehrt Fortuna unsere Stadt nicht mehr länger mit ihrem Schutz.“ Als der Statthalter von dem Vorfall Kunde erhielt, befahl er, dass man den Heiligen vor ihn führen sollte, was auch sogleich geschah. „Alter Bösewicht“, sprach er zu ihm mit zorniger Stimme, „deine gottesschänderische Tat beweist, dass du entweder die Macht der unsterblichen Götter nicht kennst, oder dass du die Befehle der Kaiser verachtest, die wir als Gottheiten und Retter der zweiten Ordnung ansehen.“

 

„Ihr seid Kinder des Irrtums“, erwiderte ihm der Martyrer, „indem ihr mehrere Götter anbetet; es ist nur ein Gott des Himmels und der Erde, der dieser unwürdigen Verehrung, die ihr euren Götzen zeigt, nicht bedarf. Das angenehmste Opfer, das man ihm darbringen kann, ist ein demütiges und zerknirschtes Herz.“

 

Der Statthalter: „Antworte auf die gegen dich vorgebrachte Anklage, statt uns dein Christentum zu verkündigen; den Göttern sei es gedankt, dass sie uns dich nach einer solchen Gräueltat finden ließen. Wähle also: entweder opferst du ihnen mit dem hier versammelten Volk, oder es trifft dich die Strafe, welche dein Frevel verdient.“

 

Der Martyrer: „Die Furcht vor den Qualen wird mich niemals zu einer Pflichtverletzung verleiten; ich bin bereit, alles, was du über mich verhängen wirst, geduldig zu ertragen. Deine Peinen erstrecken sich nicht über dieses sterbliche Leben hinaus; es gibt aber jenseits ein ewiges, zu dem man nur durch Leiden, gemäß der Grundlehre unserer göttlichen Schrift, gelangen kann: Schmal ist der Weg, der zum Leben führt.“

 

Der Statthalter: „Wohlan denn, wenn er schmal ist, so verlasse ihn und betrete unseren, der ist breit und bequem.“

 

Der Martyrer: „Ich nannte ihn schmal, weil man auf ihm Leiden und Verfolgungen der Gerechtigkeit wegen zu ertragen hat. Jene aber, die ihn großmütig gehen, ersteigen die Beschwerden durch den Glauben, der zur Ausübung aller Tugenden aufmuntert. Und selbst dieser Weg wird eben und angenehm für die, die ihn beständig gehen. Viele haben das schon erfahren.“

 

Leo redete noch weiter von der Wahrheit der christlichen Religion; aber ein verwirrtes Geschrei, das die Juden und Heiden erhoben, unterbrach ihn. „Man gebiete ihm Stillschweigen“, riefen sie. „Ich erlaube ihm im Gegenteil“, erwiderte der Statthalter, „so viel zu reden, wie er will; ich biete ihm sogar meine Freundschaft an, wenn er nur unsere Götter anerkennen will.“ Hierauf antwortete ihm Leo: „Es scheint, dass meine vorigen Worte vergessen hast, denn wie kannst du verlangen, dass ich die Wesen für Götter erkenne, die von Natur nichts Göttliches haben?“ Über diese letzten Worte wurde der Statthalter so wütend, dass er den Heiligen grausam geißeln ließ. Während ihn die Schergen ganz unbarmherzig zerfetzten, sprach der Statthalter zu ihm: „Dies ist erst der Anfang der Qualen, die ich für dich bereite. Wenn du willst, dass ich bei diesem Versuch aufhöre, so musst du unseren Göttern opfern.“

 

Der Martyrer: „Ich muss also noch einmal, was ich schon so oft gesagt habe, wiederholen. Ich erkenne eure Götter nicht und werde mich nie entschließen, ihnen zu opfern.“

 

Der Statthalter: „Sage nur, dass die Götter groß sind, dann will ich dich frei lassen, denn ich bemitleide dein hohes Alter.“

 

Der Martyrer: „Ich würde dies gerne sagen, wenn es sich von der Macht handelte, die sie haben – ihre Anbeter ins Verderben zu stürzen.“

 

Der Statthalter: „Nun werde ich dich über Kieselsteine schleifen lassen, bis dein ganzer Leib zerstückelt sein wird.“

 

Der Martyrer: „Es liegt mir wenig daran, wie ich sterbe, weil mir der Tod die Pforten des ewigen Lebens öffnen und mich in die Gemeinschaft der Seligen einführen wird.“

 

Der Statthalter: „Gehorche und sage, dass die Götter die Erhalter der Welt sind, oder du musst sterben.“

 

Der Martyrer: „Deine Drohungen sind eitel; warum lässt du sie nicht in Erfüllung gehen?“

 

Da das Volk sich indessen zusammenrottete, sprach der Statthalter das Urteil aus: der Heilige soll nämlich an einen Fuß gebunden über die Steine bis an die Todesstätte geschleift werden. Als nun Leo seine Wünsche erfüllt sah, hob er seine Augen zum Himmel und verrichtete folgendes Gebet: „Ich danke dir, o Gott! Du Vater meines liebevollen Heilandes, dass du mich sobald mit deinem Diener und meinem Freund Paregorius vereinigst. Ich freue mich, dass ich durch deine Gnade ein Mittel gefunden habe, meine alten Missetaten zu sühnen. Meine Seele übergebe ich in die Hände deiner heiligen Engel mit der Zuversicht, dass sie sie dorthin geleiten werden, wo nichts mehr vom Bösen zu fürchten ist. Herr, der du nicht den Tod, sondern die Bekehrung der Sünder willst, gib, dass meine Feinde und Mörder dich erkennen und Verzeihung ihrer Verbrechen durch die Verdienste deines eingeborenen Sohnes Jesus Christus, unseres Heilandes, erlangen. Amen.“ Noch einmal sagte er dieses Amen und seine Seele schied von seinem Leib.

 

Seinen Leichnam warf man in eine Schlucht über einen hohen Felsen; aber er wurde durch diesen Fall nicht zerschmettert, sondern nur gering verletzt. Und was noch mehr ist, es wurde dieser Ort, der vorher ein schrecklicher Abgrund war, dessen bloßer Anblick den Reisenden Grausen einjagte, vollkommen gangbar. Der Boden wurde fester und man konnte ihn, ohne sich der geringsten Gefahr auszusetzen, betreten. Die Gläubigen nahmen den Leichnam des standhaften Kämpfers Jesu Christi und beerdigten ihn. In seinem Angesicht bemerkten sie noch die Lebensfarbe und seine Hoffnung und ein sanftes Lächeln sprach noch aus seinen Zügen.