Heiliger Emmerich, Kronprinz und Bekenner von Ungarn, + 2.9.1031 - Fest: 4. November

       

Der Gärtner freut sich, wenn das junge Bäumchen, das er mit liebevoller Sorgfalt aufzog und veredelte, schon frühzeitig viele und kostbare Früchte trägt. Doch viel kostbarer sind die Früchte der Tugend und Gottseligkeit in den Augen des himmlischen Gärtners und aller Guten, deren Auge und Herz entzückt wird durch den Anblick eines Menschen, auf dessen Antlitz der Stempel der Auserwählung ruht, und dessen Leben die herrlichsten Früchte für die Ewigkeit zeitigt. Ein solches Bäumchen im Garten Gottes voll der duftigsten Blüten und köstlichsten Früchte war der heilige Emmerich, der erstgeborene Sohn des heiligen Königs Stephan von Ungarn und der Gisela von Bayern.

 

Emmerich wurde im Jahr 1007 zu Stuhlweißenburg geboren und erhielt in der Taufe den Namen seines Oheims von mütterlicher Seite, des heiligen Kaisers Heinrich II., denn Emmerich hieß so viel wie Heinrich. Der junge Prinz empfing von seinen frommen Eltern und ausgezeichneten Lehrern, insbesondere von dem heiligen Gerhard, der später als Bischof von Czanad den Martertod erlitt, die sorgfältigste Erziehung, und er machte ihnen alle Ehre. Schon in früher Jugend zeigte er einen wunderbaren Eifer in frommen Übungen. Um Mitternacht stand er auf, zündete Kerzen an, betete die Psalmen und erweckte am Schluss eines jeden Psalms einen Akt der Reue. Sein Vater beobachtete ihn öfters heimlich und dankte Gott für einen solchen Sohn.

 

Einst machte der heilige Stephan mit seinem Sohn Emmerich eine Wallfahrt zum St. Martinskloster, das er vor kurzem gestiftet hatte. Die Mönche wollten dem Stifter ihres Klosters besondere Ehre erweisen und zogen ihm in Prozession entgegen. Der König wollte der Ehrenbezeugung ausweichen und sandte ihnen deshalb seinen Sohn entgegen, dass er sie in seinem Namen begrüße. Nach der Landessitte küsste Emmerich jeden Mönch hochachtungsvoll, einige küsste er mehrmals, einen von ihnen, namens Maurus, sogar siebenmal. Der König fragte nach der Ursache eines so ungleichartigen Benehmens. Emmerich antwortete, die Mönche seien alle fromm und tugendhaft, jedoch nicht in gleichem Maße, je heiliger einer sei, desto mehr Küsse habe er ihm gegeben, am meisten dem Maurus, weil der an Reinheit alle anderen übertreffe. Um sich Gewissheit zu verschaffen, ob sein Sohn die übernatürliche Gabe der Unterscheidung der Geister von Gott empfangen habe, kehrte der König nach einigen Tagen zum Kloster zurück und wohnte heimlich um Mitternacht den Metten bei. Da bemerkte er, dass manche Brüder nach dem Chorgebet fortgingen, um in ihren Zellen zur Ruhe zu gehen, andere blieben in der Kirche, um die übrige Nachtzeit sich der Betrachtung und dem Gebet hinzugeben. Diese waren dieselben, die Emmerich mehrmals geküsst hatte. Der König trat nun hervor und grüßte die Mönche freundlich und sie erwiesen ihm ihre Ehrfurcht. Als er zu Maurus kam, wurde sein Gruß nicht erwidert und er brach sein Stillschweigen selbst dann nicht, als ihm der König ernstlich drohte, wenn er ihm keine Antwort gebe. Am anderen Tag machte der König dem Maurus in Gegenwart seiner Ordensbrüder Vorwürfe über sein Benehmen. Er nahm schweigend und demütig den Vorwurf hin. Da erkannte der König, dass sein Sohn in höherer Erleuchtung richtig geurteilt habe, überhäufte Maurus mit Lobsprüchen und ernannte ihn später zum Bischof von Fünfkirchen.

 

Wie an Jahren, so nahm Emmerich an Tugenden und Verdiensten zu. Als er einst in der Kirche des heiligen Georg zu Vesprim inbrünstig zu Gott flehte, er möge ihm offenbaren, was er ihm als wohlgefälligstes Opfer bringen könne, da wurde plötzlich die Kirche lichthell und er hörte eine Stimme von oben: „Die Enthaltsamkeit ist eine preiswürdige Sache, darum fordere ich von dir die Keuschheit des Leibes und der Seele. Opfere diese Gott und bleibe in ihr mit beständigem Vorsatz!“ Der junge Heilige wurde mit Trost erfüllt und gelobte zur Stunde, seine Keuschheit unverletzt zu erhalten.

 

Das Gelübde des Kronprinzen durchkreuzte die dringende Bitte seines Vaters und der Großen des Reiches, dass er sich mit Cziska, einer kroatischen Prinzessin verheirate, um die Thronfolge zu sichern. Aus Ehrerbietung und kindlichem Gehorsam gegenüber seinem Vater gab er schließlich nach in der sicheren Hoffnung, Gott werde ihm ermöglichen, dass Gelübde treu zu bewahren. Sein Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Der frommen Braut stellte er den hohen Wert der Jungfräulichkeit vor, und sie willigte ein, dass sie wie Bruder und Schwester in heiliger Josephsehe lebten. Beide wollten lieber eine Ehe führen, die reich an Tugenden, als reich an Kindern wäre. Beide verrichteten mit allem Eifer die Andachtsübungen, kreuzigten das Fleisch durch Fasten und Bußübungen und gewannen die Herrschaft des Geistes über alle Erdengelüste.

 

Desungeachtet sah sich der demütige Diener Christi als schwachen, armseligen Sünder an und erwog öfters die Schwere und Verantwortlichkeit der Herrschaft über ein ganzes Reich. Deshalb wünschte er, Gott möge ihn vor der Königswürde bewahren und die Bande seines Leibes lösen. Sein Gebet wurde erhört. In der schönsten Blüte des Lebens, mit 24 Jahren, empfing er statt der zeitlichen die ewige Krone. Sechs Tage früher, als ihm sein Vater die Königskrone übertragen wollte, starb er am 2. September 1031. Die jungfräuliche Witwe nahm im Frauenstift Niedernburg zu Passau den Schleier. Fünfzig Jahre nach seinem Ableben wurde Emmerich zugleich mit seinem Vater von Papst Benedikt IX. kanonisiert. Bei dieser Gelegenheit stellte man seine Überreste am 4. November auf den Altar des Domes in Stuhlweißenburg.

 

Unter den Wundern, die sich am Grab des heiligen Emmerich ereigneten, wird auch folgendes berichtet: Ein Deutscher, namens Konrad, hatte außerordentliche Laster begangen, war aber durch die Barmherzigkeit Gottes zur Erkenntnis und Sinnesänderung gebracht. Tief zerknirscht reiste er nach Rom und bat den Papst selbst, er möge ihm eine recht schwere Buße auferlegen. Es wurde ihm aufgegeben, er solle sich eiserne Ketten an den Leib schmieden lassen und zu den Gräbern der Heiligen wallfahren, bis an einem von ihnen die Ketten von selbst abfallen würden. Konrads Bußgeist nahm gern die verdiente Buße auf sich. Auf seinen Pilgerfahrten kam er auch an das Grab des heiligen Stephan von Ungarn. Als er dort mit großer Andacht gebetet hatte, überfiel den Weitgereisten der Schlaf. Da erschien ihm der heilige Stephan und forderte ihn auf, er solle zum Grab seines Sohnes Emmerich gehen, dort würden seine Bitten erhört werden. Konrad erwachte und tat, wie ihm im Traum befohlen worden war. Sobald er sich dem Grab des heiligen Emmerich näherte, zersprangen plötzlich die Ketten mit lautem Gekrach und fielen zu Boden, so dass alle Anwesenden in der Kirche zusammenliefen und über das Wunder staunten.