Selige Maria Magdalena Martinengo, Kapuzinerin, Äbtissin, + 27.7.1737 – Fest: 27. Juli

 

Nach den Lehren und dem eigenen Lebensbeispiel der Heiligen vollzieht sich der Aufstieg der Seelen auf den Berg der christlichen Vollkommenheit für gewöhnlich in drei Wegstufen, die man in der Wissenschaft der Heiligen genannt hat: Weg der Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung. Es ist ein langer, schwieriger Kreuz- und Himmelsweg, der die Seele zuerst aus der Nacht der Sünde und der Leidenschaften herausführt in das Lichtreich der Gnade, sie sodann die Höhenpfade des christlichen Gebetslebens und Tugendstrebens weist und zuletzt im Glorienlicht der mystischen Vereinigung mit Gott schon auf dieser Welt in den Vorhof des Himmels geleitet. In dem Leben der Heiligen und Seligen aus der neueren Zeit, über deren innere Seelenentwicklung genauere Angaben vorhanden sind, lässt sich dieser naturgemäße, stufenweise Aufstieg gut verfolgen. Schließlich haben ja für die praktische Nachahmung der Heiligen weniger die Berichte über ihre Wunder, Weissagungen und Visionen, wie sie früher mit Vorliebe gepflegt wurden, Bedeutung. In der neueren Zeit, d.h. in den letzten fünf Jahrhunderten, hat der Franziskusorden der Kapuziner die meisten Heiligen und Seligen aufzuweisen, darunter die selige Maria Magdalena Martinengo, deren Seelenentwicklung durch ihre Selbstbiographie und andere Berichte als ein Musterbeispiel angesehen werden kann.

 

Als ein Kind von besonderer Begnadung und Berufung erschien einst das junge Töchterchen des Grafen Martinengo in Oberitalien. Die kleine Prinzessin war in Wahrheit eine „Perle“, als die sie ihr Name Margarita kenntlich macht. Ausgezeichnet mit allen Gaben der Natur und Übernatur, vergöttert von Verwandten und Bekannten, führte sie ein mehr himmlisches als irdisches Leben in früher Jugendzeit. Mündliches und betrachtendes Gebet war die übernatürliche Luft, in der der kleine Engel lebte. Abtötungen und Opfer waren Freude und fast ein liebes Spiel im Dienst des göttlichen Bräutigams, dem Margarita ewige und unverletzliche Brautliebe gelobt hatte. Bisher hatte die Gnade gewirkt, blauer Himmel und heller Sonnenschein ihre Seele in ein Paradies verwandelt. Bald begann aber der Weg der Reinigung, Läuterung und Prüfung der Seele durch ein Fegfeuer der schrecklichsten Versuchungen gegen Glauben und Reinheit. Verzagtheit und Verzweiflung zermürbten alles stolze Selbstvertrauen. Die unrichtige Leitung und Beurteilung seitens der Beichtväter trieb die arme Seele durch alle Höllenqualen der „geistlichen Nacht“. Während dieser inneren Wirrnisse suchte die Welt die junge Prinzessin an sich zu reißen. Ihre Brüder erschienen plötzlich im Institut, wo sie bei den frommen Nonnen ausgebildet wurde, brachten prächtige Kleider, die neuesten Romane mit und beglückwünschten das sechzehnjährige Mädchen als Bräutchen eines ganz ideal gesinnten jungen Edelmannes, mit dem die Verehelichung in der allernächsten Zeit stattfinden sollte. Ein schwerer Streit erhob sich in dem gequälten Herzen: Himmelsbraut oder Erdenbraut? Die Gnade siegte. Margarita beharrte auf ihrem Klosterentschluss. War diese Überrumpelung nicht gelungen, so sollte eine längere Belagerung diese Seelenfestung zu Fall bringen. Nach dem Willen des Vaters musste Margarita eine Rundreise durch Italien machen, von einem Fürstenhof zum andern. Die Pracht der Städte und Fürstenhöfe, Schmeicheleien und Drohungen, Feste und Theater würden doch diese eigensinnige Prinzessin von ihren Klostergedanken abbringen. Inmitten aller verführerischen Pracht wurde sie vom bittersten Herzweh und Heimweh gequält, von Furcht vor dem strengen Klosterleben geschüttelt, von den Verwandten allseits bestürmt – schließlich gab Margarita den Widerstand auf und griff zur Feder, um ihrem zugedachten Bräutigam ein Liebesbillett zu schreiben. Da kam eine Zofe dazu und bat die Prinzessin, noch etwas zu warten und zu Gott um Erleuchtung und Starkmut zu beten. Und siehe, Gnade und Wille siegten über das Herz. Mit heiliger Energie brachte Margarita das schwere Opfer und ließ sich bei der Einkleidung mit dem rauen Ordenskleid der Kapuzinerinnen die übliche Dornenkrone aufs Haupt setzen, deren Stacheln ihr Leib und Seele in einem langen Martyrium durchbohren und zuletzt als himmlische Lichtstrahlen ihre ewige Gloriole bilden sollten. Auch im Kloster hatte die eifrige Novizin mit dem Namen Maria Magdalena noch manche Fegfeuerleiden der inneren Reinigung durchzumachen. Dann aber führte sie Gott mit Riesenschritten den Weg der Erleuchtung vorwärts und aufwärts im Gebetsleben und Tugendstreben. Als Braut des Herrn lebte sie nur allein dem innigen Verkehr des Gebetes, des Glaubens und der Liebe mit Gott. Beständig blieb die Selige in Gott gesammelt und äußerer Lärm und Unruhe konnte die heilige Stille in ihrem Seelenheiligtum nicht stören. „Mutter,“ wurde sie einst von einer Nonne gefragt, wie können Sie sich unter solchem Geschrei in Gott gesammelt halten?“ Darauf erwiderte die Äbtissin: „Ich meine in einer Wüste zu sein, umgeben von vielen Vögeln, die mir kein Leid verursachen.“ Unter ihrem allseitigen Tugendheroismus fällt besonders ihre ganz außergewöhnliche Berufung zu körperlichen Leiden und Selbstkreuzigungen auf, wodurch sie sich ganz als Brandopfer zu Ehren ihres gekreuzigten Bräutigams darbrachte mit der Begründung: „Mein Gott, ich wünsche, dass mein Leib vom Kopf bis zu den Füßen voll Schmerz und Pein sei zur Nachahmung der Leiden Jesu!“ Ferner ragt sie durch das Gelübde hervor, immer das Vollkommenere zu tun. Das drückte sie in den Worten aus: „Ich mache das Gelübde, das Vollkommene und Gott wohlgefälligere zu tun, zu reden und zu denken, und habe die Meinung, dass alle jene Tugenden, die ich nenne, als ebenso viel besondere Gelübde gelten: die Demut, Geduld, die Liebe, das beständige Gebet, die Eingezogenheit, der Eifer im Lob Gottes, die Abtötung in allen Dingen, die Meidung jeder Erleichterung, die freudige Annahme jedes Leids, das Stillschweigen, die Vergegenwärtigung Gottes und die beständige Verleugnung des eigenen Willens.“ Im zwanzigsten Lebensjahr hat die Selige dieses einzig dastehende Gelübdeopfer dargebracht und es treulich eingehalten trotz ihrer arbeitsreichen Ämter als Pförtnerin, Novizenmeisterin und schließlich Äbtissin, wobei sie eine mehr himmlische als irdische Amtsführung bewies.

 

Diesen heroischen Lebenseifer belohnte Gottes Gnade durch die Erhebung auf die seltene, dritte Stufe des geistlichen Lebens, zur Vereinigung mit Gott. Die Selige schreibt in ihrer, im heiligen Gehorsam verfassten Selbstbiographie: „Ich begann meinen Weg mit den Worten: O mein Gott, ich liebe dich! Dabei blieb ich stehen und es schien mir, ich stünde ganz in Brand. So hielt ich mich drei bis vier Stunden wie unbeweglich und kostete eine überaus süße, zuweilen aber auch gewaltige Liebe. Ich hatte zu solcher Zeit keinen besonderen Gedanken und fühlte mich ganz brennend. Die Süßigkeit der Inbrunst schien mir oft wie unerträglich, weshalb ich ausrief: O mein Gott, ich kann nicht mehr! Es wundert mich sehr, dass ich nach achtzehn Jahren eines solchen Liebesbrandes noch am Leben bin.“ Endlich sollte für diese Braut und Jüngerin Christi in ihrem schmerzlich-seligen Martyrium die Erlösungsstunde schlagen. Als sich die Selige auf ihr Schmerzens- und Sterbelager hinstreckte, rief sie jubelnd: „Es ist vollbracht!“ Nach einer letzten Leidensprüfung holte der himmlische Bräutigam die Seele heim zur ewigen Hochzeit.

 

Jeder Christ hat die Berufung zu einer bestimmten Stufe der Vollkommenheit. Er erhält dazu die notwendigen Gnaden und soll auch in getreuer Benutzung dieser übernatürlichen Talente an seiner Heiligung arbeiten, vor allem auf dem Weg der Reinigung und Erleuchtung. Zuerst sich herausarbeiten aus den schweren und lässlichen Sünden. Sodann Gebetsübung und Streben nach den christlichen und berufsmäßigen Tugenden. Bei diesem Fortschritt der Seele bilden das Geheimnis des Erfolgs die drei Hauptübungen: Innerlichkeit und Losschälung von den Geschöpfen, Selbstüberwindung und Beharrlichkeit. Dazu kommt noch die Fügung und Führung der Vorsehung, die mit Gottes Meißel und Hammer durch mancherlei Leiden aus dem spröden Material der Seele mit Zeit und Geduld ein kleineres oder größeres Heiligenbild herausarbeitet. Kleine Heilige müssen wir alle werden.