Etwa ein Stündchen Wegs vom Hohen Dom zu Trier die Mosel aufwärts erhebt sich breit und wuchtig aus der Niederung am Fluss, grau und verwittert, ein mächtiges Gotteshaus aus alter Zeit. Jahrhundertelang haben unsere Vorfahren in Ehrfurcht daran gebaut und haben keine Mühen und keine Kosten gescheut, bis das herrliche Werk vollendet war zu Ehren des heiligen Matthias, der dort als einziger Apostel diesseits der Alpen die letzte Ruhestätte gefunden hat, hochverehrt von den Völkern, die ringsum wohnen.
Nach der Legende ist Betlehem der Geburtsort des heiligen Matthias. Als der liebe Heiland zu Beginn des öffentlichen Lebens aus der Schar der Jünger die zwölf Apostel auswählte, war Matthias allerdings nicht unter ihnen. Wohl gehörte er zu der Schar der zweiundsiebzig Jünger. Warum, wann und wie aber wurde Matthias in die Schar der Apostel aufgenommen?
Judas hatte, wie wir uns erinnern, versagt und den Heiland verraten und verkauft. Weil er also ausfiel, gab es eine Lücke unter den Zwölfen. Bei den vielen Aufregungen, die sich nach der Auferstehung Jesu in der Osterwoche einstellten, kam niemand auf den Gedanken, den Verräter durch einen anderen zu ersetzen. Anschließend zogen die Jünger auf das Geheiß des Herrn nach Galiläa, wo ihnen der Auferstandene mehrmals erschien, und von dort wanderten die Jünger wieder nach Jerusalem zurück, um Zeugen bei der Himmelfahrt Jesu zu sein.
Nach der Himmelfahrt versammelten sich die Apostel und die übrigen Jünger im Abendmahlssaal, um betend die angekündigte Herabkunft des Heiligen Geistes zu erwarten. Da endlich wurde es stiller um sie, und langsam kamen sie wieder so weit, dass sie nachdachten, Petrus vor allem; denn er war jetzt derjenige, der nach des Herrn Heimgang die Verantwortung trug. Petrus dachte nach, und da kam es ihm zum Bewusstsein, dass der Verräter vor dem Pfingstfest noch ersetzt werden müsse, damit bei der Herabkunft des Heiligen Geistes die Zwölfzahl wieder aufgefüllt sei und damit sie als die ersten Missionare zu zwölft die Sendung erhielten, die Frohbotschaft in der ganzen Welt zu verkünden.
So kam es zur Wahl eines neuen Apostels, und wie es bei der Wahl zuging, wird im Neuen Testament erzählt. Zwei Männer, Joseph und Matthias mit Namen, wurden ausersehen, und Petrus warf über sie das Los, und das Los fiel auf Matthias, und Matthias wurde den elf Aposteln beigezählt. Man kann wohl sagen, dass diese Wahl eine gute und glückliche war, denn Matthias war einer von denen, auf die man sich verlassen konnte. Nach der Legende hat er in Äthiopien, also in Afrika, die Frohbotschaft verkündet, bis auch er das Los aller übrigen Apostel außer Johannes teilte und durch Enthauptung das Leben für Christus hingeben durfte.
Auf weiten Wegen kamen später die Überreste des heiligen Matthias durch die heilige Kaiserin Helena in die Stadt Trier an der Mosel, die dadurch zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort wurde bis in unsere Zeit.
Leider gibt es auch heutzutage manche, die wie der Verräter Judas für Geld oder weil ihnen die Zugehörigkeit peinlich ist oder für eine gutbezahlte Stellung den Glauben an Christus aufgeben und aus der katholischen Kirche austreten. Das ist eine Armseligkeit und Treulosigkeit sondergleichen.
Als Judas, das unwürdige Glied,
Aus der Apostel reihe schied,
Da wurden nach St. Petri Willen,
Um seine Stelle auszufüllen,
Erwählt aus der Gemeine
Zwei Männer, von denen der eine
Joseph der Gerechte hieß,
Der andre Matthias. Da ließ
Gott durch sein Los erscheinen
Diesen und sonst keinen
Als den Apostel lobesam.
Man sagt, dass ein Licht niederkam
Auf ihn; da sahen allesamt,
Ihm zieme wahrlich dieses Amt.
Nach diesen Zeiten kam er da
In das Land Macedonia,
Von Gottes Herrlichkeit zu zeugen.
Doch ward er dort von den Feigen
Zu einem vergifteten Trank geladen.
Er aber trank ihn ohne Schaden,
Nachdem er drob das Kreuzeszeichen
Gemacht. Nun warfen die Teufelgleichen
In einen Kerker den heiligen Mann.
Viel Höllenspuk focht ihn da an.
Doch zum Lohn seiner Zuversicht
Erschien, umstrahlt von großem Licht,
Sein Meister und schloss auf die Tür.
Da ging Matthias frei herfür,
So dass das Volk erschrak genug
Und reuig an die Brust sich schlug.
Doch die ihm schufen die Gefährde,
Verschlang als Lebende die Erde.
So kam er nach Judäa wieder
Und heilte viele sieche Brüder.
Das ward den argen Juden leid;
Sie griffen ihn mit Grimmigkeit;
Vor ihren Bischof brachten sie
Den heiligen Zwölfboten hie.
Zwei falsche Zeugen sagten
Viel Lügen und verklagten
Den guten Mann; so ward er mit Macht
Zur Stätte des Todes hinausgebracht.
Zuerst von allen traten
Die Zeugen hin und taten
Den ersten Wurf. Ein böser Mann
Gab ihm mit einer Axt sodann
Den letzten Hieb. Manche sagen,
Er wurde zuerst ans Kreuz geschlagen,
Und man habe am Kreuz den Reinen
Zu Tode geworfen mit Steinen.
Sein heiliger Leichnam ist nunmehr
Zu Trier. Aus dem Himmel her
Mög` seine Hilfe denen frommen.
Die hilfeflehend zu ihm kommen!
(Aus: "Goldene Legende der Heiligen"
von Richard von Kralik
München 1902)