Auffindung des Leibes des heiligen Erzmartyrers Stephanus - Fest: 3. August

Arm und Haupt des hl. Stephanus

       

Aus einem altehrwürdigem Martyrologium: „Es war im Jahr nach Christi Geburt 418, als es Gott gefiel, sein gläubiges Volk mit besonderem himmlischen Trost zu erfreuen, die Wunder seiner Gnade und Güte vor ihren Augen zu erneuern, den Glauben und die Andacht aufs Neue zu beleben, den Irrglauben in so vielen Menschen zu beschämen, und den Unglauben auf das göttliche Wesen des Christentums aufmerksam zu machen, und zwar durch die Asche und dürren Gebeine des heiligen Stephanus, der in den letzten Tagen seines Lebens eines Geistes voll war, dem niemand widerstehen konnte. Diese heilige Wurzel, die als Erstlingsmartyrer Jesu Christi gewaltsam in die Erde sank, sollte nach Gottes gnädigem Willen, der alle Zeiten durchschaut, und alle Ereignisse an seiner Hand hält, ausschlagen und herrliche Früchte des Lebens tragen zur Erquickung der Gläubigen nach den schweren Tagen so harter Verfolgung von Innen und Außen, und besonders sollte die Kirche in Asien und Afrika erfreut, erfrischt und gestärkt werden vor dem bald nachfolgenden göttlichen Gericht durch die vandalische Verfolgung, weswegen die Verherrlichung des Heiligen ganz weltkundig werden musste. Vor Gott leben alle seine Heiligen, und er wacht sogar über ihre Gebeine, weil sie sein Eigentum und zur Verherrlichung bestimmt sind. Das Grabmal des Heiligen war in Vergessenheit gekommen, sogar der Ort, wo das Grabmal war, wurde unbekannt. Es war aber im Flecken, namens Kaphargamala, etwa drei deutsche Meilen von Jerusalem entfernt, wo eine Kirche stand, die von einem ehrwürdigen Priester bedient wurde, namens Luzian. Die Entdeckung geschah auf folgende Weise:

 

Eines Freitags am 3. Dezember im Jahr 415, unter dem sechsten Konsulat des Honorius und unter dem sechsten des Theodosius des Jüngeren, um die neunte Stunde des Abends schlief Luzian nach seiner Sitte in der Sakristei bei der Taufstätte, zur Bewahrung des Kirchengerätes. Halb erwacht sah er einen ehrwürdigen Greis, hohen Wuchses und von wunderbarer Schönheit. Dieser Greis hatte einen langen weißen Bart und ein weißes Gewand mit goldenen Kreuzen besetzt, und trug einen goldenen Stab in der Hand. Als er sich Luzian genähert hatte, rief er ihn dreimal mit seinem Namen und befahl ihm, nach Jerusalem zu gehen und dem Bischof Johannes zu sagen, dass er käme, das Grabmal zu öffnen, worin seine Überbleibsel und die Überbleibsel einiger anderer Diener Jesu seien, damit Gottes Erbarmungen durch sie verherrlicht würden. Luzian fragte ihn um seinen Namen. „Ich bin“, sagte er ihm, „Gamaliel, der den heiligen Paulus im Gesetz unterrichtet hat. An der Morgenseite des Grabmals liegt Stephanus, den die Juden vor dem Stadttor gegen Abend gesteinigt haben. Sein Leib lag dort einen Tag und eine Nacht unbegraben, aber weder das Gevögel noch vierfüßige Tiere wagten es, ihn zu berühren. Die Gläubigen nahmen ihn dann auf meine Mahnung während der Nacht, und brachten ihn in mein Landhaus, wo ich ihn in mein eigenes Grabmal auf der Morgenseite legte, nachdem ich sein Leichenbegängnis vierzig Tage lang gefeiert hatte. Nikodemus, der in der Nacht zu Jesus kam, liegt auch da in einem anderen Sarg. Da er wegen seines Glaubens an den Heiland von den Ältesten des Volkes seiner Würde entsetzt und aus Jerusalem verbannt worden war, nahm ich ihn in mein Landhaus auf, unterhielt ihn daselbst bis an sein Lebensende, und begrub ihn nach seinem Tod bei Stephanus. An derselben Stätte habe ich auch meinen Sohn Abidas begraben, der vor mir, in seinem zwanzigsten Jahr, gestorben ist. Sein Leichnam liegt in dem dritten Sarg, welcher der oberste steht, und in welchem man mich selbst nach meinem Tod beigesetzt hat. Erhna, meine Frau und Semelias, meine Tochter, die nicht an Christus glauben wollten, wurden an einen anderen Ort begraben, der Kapharsemalia heißt.“

 

Luzian, fürchtend wegen einer zu großen Leichtgläubigkeit als ein Betrüger gelten zu können, flehte, damit er sich versichere, ob dieses Gesicht von Gott sei, um ein zweites und um ein drittes, und um sich dieser Gnade würdig zu machen, beharrte er im Gebet und im Fasten. Am folgenden Freitag erschien ihm Gamaliel wieder in derselben Gestalt und befahl ihm zu gehorchen. Er gab ihm noch die Verdienste der Heiligen, deren Überbleibsel er ihm entdeckte, unter dem Bild von vier Körben zu erkennen, welche er ihm zeigte. Drei waren von Gold und der andere von Silber. Von den goldenen Körben waren zwei mit weißen Rosen angefüllt, und der andere mit roten. Im silbernen waren Safranblumen, welche einen süßen Wohlgeruch dufteten. Auf Luzians Frage, was diese Körbe bedeuteten, antwortete ihm Gamaliel: „Das sind unsere Überbleibsel. Diese roten Rosen stellen den heiligen Stephan vor, der am Eingang des Grabes liegt. Der zweite Korb bezeichnet Nikodemus, der bei der Tür liegt, der silberne stellt meinen Sohn Abidas vor, der vom Mutterleib an unbefleckt geblieben, er berührt den meinigen.“ Mit diesen Worten verschwand er. Luzian wachte dann auf und dankte Gott, seine Fasten setzte er aber immer noch fort. An demselben Tag und um dieselbe Stunde der dritten Woche erschien ihm Gamaliel von neuem und hielt ihm sein Zögern in Vollziehung des erhaltenen Auftrags vor. Er fügte noch bei, dass durch die Entdeckung seiner und der andern Überbleibsel die Dürre, welche damals das Land hart heimsuchte, aufhören würde. Luzian von Schrecken ergriffen, versprach, ferner nicht mehr zu säumen.

 

Er begab sich dann nach diesem dritten Gesicht nach Jerusalem. Der Bischof Johannes, dem er alles, was ihm begegnet war, erzählte, weinte vor Freuden und hieß ihn die Leiber der Heiligen aufsuchen, mit dem Bemerken, er würde sie unter einem großen Steinhaufen bei seiner Kirche finden. Luzian sagte ihm, wie auch er vermutet habe, dass unter dem Steinhaufen das Grabmal sein möge. Dann ging er heim und ließ am folgenden Tag die Einwohner des Fleckens versammeln, um unter dem Steinhaufen nachzusuchen. Während er aber an den Ort ging, wo man arbeitete, begegnete ihm Migezius, ein frommer Einsiedler, der ihm sagte, dass ihm Gamaliel erschienen sei und ihm den Auftrag gegeben habe, ihm zu bedeuten, dass man umsonst an jener Stätte sich ermüde. Er fügte noch bei, Gamaliel habe ihm Folgendes gesagt: „“Nach unserer Begräbnisfeier legte man uns dorthin, und der alten Gewohnheit gemäß war dieser Steinhaufen bestimmt als Andenken dem Schmerz unserer Freunde. Suchet anderswo, an einem Ort, Debatalia genannt. Und wirklich“, fuhr Migezius in der Erzählung des gehabten Gesichtes fort, „ich befand sich plötzlich an dem angegebenen Ort und nahm da ein altes Grabmal wahr, wo drei mit Gold geschmückte Betten waren. Das eine höher, schloss in sich einen Jüngling und einen bejahrten Mann, die zwei anderen schlossen jedes einen Mann in sich.“ – Da Luzian so einen neuen Beweis für die Wahrheit des gehabten Gesichtes erhalten hatte, verließ er den Steinhaufen und begab sich an den ihm angegebenen Ort. Er ließ die Erde aufgraben und fand drei Särge mit einem Stein, worauf in großen Buchstaben folgende Namen gegraben waren: Cheliel, Nasuam, Gamaliel, Abidas. Die zwei ersten sind syrisch und heißen: Stephanus oder Kranz, und Nikodemus oder Volkssieg. Sogleich berichtete Luzian den ganzen Hergang an den Bischof Johannes, der unverzüglich mit Eutonius und Eleutherius, wovon der eine Bischof von Sebaste und der andere von Jericho war. Sich aufmachte und an die heilige Stätte sich begab.

 

Als sie den Sarg des heiligen Stephanus eröffneten, erbebte die Erde, und es verbreitete sich ein unbegreiflicher Wohlgeruch. Eine große Menge Volkes war herbeigeströmt, darunter viele Kranke. Dreiundsiebzig mit verschiedenen Plagen Behaftete genasen sogleich. Der Bischof Johannes wollte, dass man die Reliquien des heiligen Stephanus nach Jerusalem bringen solle, da er Diakon dieser Kirche gewesen ist. Die Überbleibsel der anderen Heiligen blieben zu Kaphargamala. Der Leichnam des heiligen Stephanus war in Staub zerfallen, die Gebeine jedoch noch ganz und in ihrer natürlichen Lage. Man fand auch darin von seinem Blut. Einige Überbleibsel des heiligen Erstlingsmartyrers ließ man zurück für die Kirche zu Kaphargamala, die übrigen schloss man in den Sarg und brachte sie unter Psalmen- und Hymnengesang feierlich hinüber in die Kirche zu Sion. Da ergoss sich reichlicher Regen über das Land, welcher ihm nach langer Dürre die ersehnte Fruchtbarkeit wieder gab. Diese Übertragung der Gebeine des heiligen Stephanus geschah am 26. Dezember, an welchem Tag die Kirche allzeit das Andenken seines Martertodes gefeiert hat; am 3. August wird aber das Andenken der Entdeckung seiner Gebeine gefeiert, welches ohne Zweifel daher kommt, dass irgend eine Kirche, vielleicht die von Ankona, an diesem Tag unter Anrufung des heiligen Stephanus geweiht worden.

 

Die Entdeckung dieses kostbaren Schatzes wurde in Jahresfrist bis nach Spanien bekannt, weil Avitus und Arosius, beide spanische Priester, sich damals in Palästina, der letzte beim heiligen Hieronymus, aufhielten. Überall suchten die Kirchen einige Reliquien zu erhalten, und so kamen mehrere derselben an verschiedene Orte in Afrika und Spanien. Bei der Übertragung und Aussetzung dieses Heiligtums geschahen viele und erstaunliche Wunder durch Berührung mit Tüchern, mit Blumen, beim Gebet an heiliger Stätte, wo das Heiligtum aufbewahrt wurde. Blinde sahen, Lahme gingen, Kranke wurden gesund, Tote standen zum Leben auf, und das so zahlreich und so öffentlich, dass ganze Kirchen davon Zeugen waren, und ganze Bücher davon geschrieben wurden, wovon der heilige Augustinus als Ohren- und selbst Augenzeuge gar viel Schönes anrühmt. Gott erbarmte sich auch seines Volkes, der Juden, auf das Gebet ihres Heiligen, wie einst auf die Fürbitte Moses. Zu Mahon in Afrika bekehrten sich, während einige Reliquien des Heiligen dort lagen, ganz unerwartet 540 Juden mit ihrem Rabbi Theodor, begehrten die Taufe, und erbauten nachher auf ihre eigene Kosten und mit eigenen Händen eine Kirche. Der Geist, der in Stephanus wirkte, hob ihnen die Decke von den Augen. Die Gnade Gottes ergoss sich auch über die Heiden. Zu Kalama war ein vornehmer Heide, namens Marzial, ein eifriger Götzendiener und gegen alle Belehrung und Ermahnung verstockt auch bei seinem nahen Tod. Sein Tochtermann, ein Christ, betete lange für seine Bekehrung vor den Reliquien des heiligen Stephanus und brachte einige Blumen von dem Reliquienkästchen nach Hause, und legte sie auf das Kopfkissen des Kranken. Dies geschah am Abend, und ehe der Tag anbrach, verlangte der Kranke einen Priester, glaubte, wurde getauft und wiederholte bis zum letzten Atemzug die Worte, womit der heilige Stephanus sein Leben beschloss: „Herr Jesus, nimm auf meinen Geist!“ In Hippon wurde auch im Jahr 425 während der Ostertage zur Zeit des Gottesdienstes beim Reliquienkästchen des heiligen Stephanus, wo sie beteten, zwei Kinder, die ihre Mutter verflucht hatte, wunderbar geheilt, worauf dieselben der heilige Augustinus neben sich auf der Kanzel stehen ließ, jedermann zum Zeugnis des Wunders und als lebendiger Text seiner Predigt.

 

Einige Zeit blieb der Leib des heiligen Stephanus in der Kirche von Sion. Im Jahr 444 ließ aber die Kaiserin Eudoria, als sie das zweite Mal nach Jerusalem kam, eine prachtvolle Kirche bauen an dem Ort der Steinigung und den Leichnam dahin übersetzen. Sie selbst ward auch dort begraben.

 

„Lasst uns“, sagt der heilige Augustinus, da er zu seinem Volk von den Überbleibseln des heiligen Stephanus redete, „lasst uns zeitliche Güter durch die Fürbitte dieses Heiligen zu erlangen wünschen, allein so, dass wir, ihm nachahmend, jene, die ewig sind, verdienen können.“ Um unsere geistigen Krankheiten zu heilen, ist der allmächtige Seelenarzt vom Himmel herabgestiegen. Da er aber während seines Wandels auf Erde den Kranken die leibliche Gesundheit gab und die Besessenen von den unreinen Geistern befreite, wollte er den Menschen sichtbare Beweise seiner Macht geben. Seine Hauptabsicht ging jedoch dahin, uns begreiflich zu machen, dass er gekommen sei, die Krankheiten unserer Seele zu erleichtern und uns der Gewalt des Teufels zu entreißen. Wenn er uns demnach durch seine heiligen Güter des Leibes gewährt, so geschieht dieses, um unser Vertrauen auf seine Barmherzigkeit zu erwecken und uns anzuregen, dass wir durch ihre Fürbitte den inneren Gnadenbeistand zu erstreben suchen. Alle Tage sollen wir zwar um unsere leiblichen Bedürfnisse bitten, diese Gebete sollen aber unsere Heiligung zum Hauptgegenstand haben und allzeit der Ehre Gottes untergeordnet sein, weil wir nicht wissen, was uns am nützlichsten ist. Gott bietet uns seine Gnade, seine Liebe, sich selbst uns dar, er soll demnach auch das letzte Ziel und Ende aller unserer Gebete sein. „Wenn ein reicher und freigebiger Fürst“, sagt die heilige Theresia, „sich verpflichtete, uns alles, was wir begehren möchten, zu geben, würden wir seiner nicht spotten, wenn wir nichts als unbedeutende Dinge begehrten?“

 

So ehrt Gott seine Heiligen! So lange sie unter Menschen leben, lässt er zu, dass sie misshandelt, verfolgt und verachtet werden, wie es dem heiligen Stephan widerfuhr. Er will aber auch oft, dass sie auf dieser Welt nach dem Tod geehrt und verherrlicht werden. Achten wir daher die Ehre und den Ruhm bei Menschen nicht, suchen wir nur die Ehre Gottes und die Erfüllung seines Willens, lieben wir, so viel wir können und es uns unsere Verhältnisse erlauben, ein stilles, zurückgezogenes Leben, um uns vor den ansteckenden bösen Grundsätzen und Beispielen der Welt zu bewahren, übrigens überlassen wir uns ganz der göttlichen Vorsehung. Wir dürfen versichert sein, dass Gott alles zu seiner Ehre und zu unserem Heil wird gereichen lassen. – Die Verehrung der heiligen Reliquien, so wie die Verehrung und die Anrufung der Heiligen, ist erlaubt, Gott wohlgefällig und uns nützlich. „Wir ehren die Reliquien der Märtyrer“, schreibt der heilige Hieronymus, „damit wir denjenigen, dessen Märtyrer sie sind, anbeten. Wir ehren die Diener, damit die Ehre der Diener auf den Herrn falle.“

 

Gebet. O Gott, der du dem heiligen Stephanus zur Belohnung seiner Treue den Himmel geöffnet und ihn durch viele Wunder verherrlicht hast, gib, dass wir durch die Verehrung der Heiligen zur Nachfolge ihrer Tugenden ermuntert werden, durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen. 

 

Stephanus

 

Stephanus, der Gottesheld,

Ward vom Herren auserwählt,

Dass er zu großer Ehre

Der erste Martyrer wäre.

Dieweil nach Christi Himmelfahrt

So groß die Zahl der Christen ward,

Dass die Apostel ganz allein

Dem Predigtamt sich mussten weihn,

Ward er mit sechs anderen noch

Zum Diakon erwählt. Das Joch

Nahm er auf sich, in allen Wegen

Der armen Christen so zu pflegen,

Dass ihnen keine Notdurft fehle

Und dass sie keine Armut quäle.

Er war den Heidenchristen gleich

Wie Judenchristen liebereich.

 

Doch grad aus diesem Grund beluden

Mit ihrem größten Hass die Juden

Den treuen Pfleger der Gemeine.

Durch falsche Zeugen ward der Reine

Beschuldigt dass er wider Gott

Und wider des Moses Gebot

Geredet, dass er unglaublichen Spott

Mit ihre Gesetze und mit Gott

Verübt, dass er von Christus gehört, 

Die Stadt und der Tempel würden zerstört

Und alles ausgetrieben;

So hätten auch die Propheten geschrieben.

 

Stephanus aber mit Wort und Tat

Verteidigte sich vor dem hohen Rat,

So wie der heilige Geist ihn lehrte.

Der Gute, Treubewährte

Begann die Rede fördersam

Vom Patriarchen Abraham,

Ging dann über zu Moses, dem guten,

Und den Propheten, den hochgemuten,

Und zeigte ihnen, wie alle Zeit

Ihre Väter lagen mit Gott im Streit,

Wie sie waren des Herzens unbeschnitten

Und von hartnäckig bösen Sitten,

Wie sie widerstanden dem heiligen Geiste,

Wie sie verschmähten, was er ihnen weiste,

Wie sie Weissager und Propheten

Martern ließen und auch töten;

Darum es wohl kein Wunder war,

Wenn sie zum Schlusse offenbar

Auch den Messias zum Tode brachten,

Ihn, dessen alle Propheten gedachten.

 

Als er die Reden ihnen vorwarf,

Da ward ihr Unmut also scharf,

Dass sie sich nicht wollten schämen,

Sondern begannen zu griesgrämen

Gleich bösen Hunden im Gemüte

Auf Stephanus, der voll der Güte

Wie ein Lämmlein vor ihnen stand

Und ganz entzückt zur rechten Hand

Des Vaters Jesus im Himmel sah.

Aus der Stadt stießen sie ihn da,

Ihn zu töten mit Steinen.

Die falschen Zeugen, die unreinen,

Sollten nach Gewohnheit

Ihm erbieten das erste Leid.

So taten sie ihre Kleider ab.

Der junge Saulus aber gab

Der Kleider acht und nahm sie in Hut,

Hievon er an des Heiligen Blut

Wahrlich auch sehr mitschuldig ward,

Weil er jenen auf solche Art

Eine gute Förderung war.

Doch das bereute er offenbar

Später, da ein heiliger Paul

Ward aus dem feindgesinnten Saul.

 

So warfen sie mit Steinen

Den Gotteshelden. Den reinen.

Der litt mit Geduld das Ungemach;

Zu Gott rief er und sprach:

"Empfang, Herr, meinen Geist allhie!"

Damit fiel er auf die Knie.

Ihn entbrannte der Minne Schwall,

Trotz der häufigen Steine Fall

Und des Volkes Tobsucht.

Seine hohe tugendliche Zucht

Zwang ihn zu Seufzern tief.

Unseren Herren er anrief

Gar gütlich mit dem Wort allein:

"O viel lieber Herre mein,

Sieh an die blinden Leute

Und vergib ihnen heute,

Was sie mir Leides hier getan,

Weil sie sich Besseres nicht versah`n!"

 

Also der Held sein Blut vergoss.

Die Juden, aller Ehren bloß

Und ohne züchtigliche Scham,

Ließen da den Leichnam

Liegen, den Hunden wegzuzerren.

Nun waren da zwei edle Herren,

Auch Fürsten in Israel:

Nikodemus und Gamaliel,

Also waren sie genannt.

Ihre Herzen waren gänzlich entbrannt

Von Jesu Christi guter Lehr`,

Doch verbargen sie das sehr

Aus Angst in diesen Jahren;

Aber beide waren

Im Rat der Juden allezeit

Den Christen zur Hilfe gern bereit.

Die waren es, die nun hinkamen,

Den Leichnam aufnahmen

Und ihn begruben auf dem Feld,

Das sich Gamaliel hatte bestellt.

 

Nach des guten Stephanus Tod

Erhub sich Angst und Not

Allda den Christenleuten.

Man begann sie auszubeuten,

Sie zu schlagen und zu jagen.

So herbe ward es in den Tagen

Nach Sankt Stephanus` Fall,

Dass die Christen überall

Aus Jerusalem entwichen

Und heimlich sich verstrichen.

Nur die zwölf Apostel gut,

Sie hatten also kühnen Mut,

Was man ihnen Schande erbot,

Dass sie bestanden in der Not.

Ihrer ward auch mancher erschlagen,

Wie die weiteren Mären sagen.

 

Stephanus` Leichnam ward gefunden

Erst wiederum in späteren Stunden,

Vierhundertundfünfzehn Jahr

Nach Christi Geburt fürwahr.

Einem Priester, Lucianus genannt,

Ward die Stätte im Traum bekannt.

Ihm erschien ein alter Mann

Im Schlafe, der also begann:

"Ich bin es, der in alten Tagen

Des Gesetzes Meisterschaft getragen;

Paulus, der große Bote,

War unter meinem Gebote,

Dieweil ich sein Schulmeister war.

Ich bin Gamaliel. Offenbar

Mach` ich dir dies: an sichrem Ort

Findest du vier Särge dort,

Die sollst du mit Ehren aufheben

Und davon Kunde geben

Dem Bischof von Jerusalem,

Johannes. Merke noch zu dem:

Im ersten Sarg ist Stephanus` Gebein,

Der zweite Sarg ist aber mein,

Der dritte des Nikodemus dann,

Der mit mir die Taufe gewann

Von Petrus und Johannes.

Die Leiche dieses frommen Mannes

Ließ ich zu Stephanus begraben.

Im vierten Sarge aber haben

Sie Abibas, meinen lieben Sohn,

Bestattet, der der Keuschheit Lohn

Mit zwanzig Jahren von Gott empfing."

Der Priester Lucianus ging

Erst dann zu jener Stätte hin,

Als ihm der Traum dreimal erschien.

 

Sankt Stephans Leichnam ward gebracht

Auf Sion mit großer Andacht,

Drauf nach Konstantinopel der Stadt

Und endlich, als Theodosius bat,

Den Kaiser, kam er hin nach Rom

In Sankt Laurentius` schönen Dom.

Dort liegen die beiden Diakone

Und tragen aller Ehren Krone.

 

So folgen wir dem Bilde,

Das uns der Holde, der Milde

In Nöten hat vorgetragen,

So dass wir unsre Feinde jagen

Nicht mit des Herzens Hasse,

Sondern, dass man sie fasse

Mit Gebet auf der Minne Spur.

Mit Liebe und Gebete nur

Jagen wir sie dem Teufel ab.

In solcher Liebesfehde gab

Doch stets die Flucht der Böse,

Von dem uns Gott erlöse!

 

Aus: "Goldene Legende der Heiligen

von Joachim und Anna bis auf Constantin den Großen"

neu erzählt, geordnet und gedichtet von

Richard von Kralik, 1902)