Seliger Heinrich Suso (Seuse), Priester und Prior von Konstanz, + 25.1.1366 - Fest: 25. Januar

       

„Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ so spricht der große Kreuzträger, unser göttliches Vorbild. Alle treuen Jünger Christi haben den Leidensweg gehen müssen, aber das Kreuz ist ihnen auch der Himmelsschlüssel geworden. Dies sehen wir recht augenfällig im Leben des seligen Heinrich Suso, eines der vorzüglichsten Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts.

 

Heinrich Suso entstammte dem vornehmen Geschlecht derer vom Berg, und mütterlicherseits dem Geschlecht Säußen aus Überlingen, und erblickte um 1290 das Licht der Welt zu Konstanz. In dieser seiner Vaterstadt empfing er einen vortrefflichen Unterricht bei den Dominikanern. Schon als junger Mann entsagte er dem Glanz und den Ehren der Welt, trat in den Orden der Dominikaner ein und leuchtete all seinen Ordensbrüdern durch strenge Bußübungen und Fasten, Wachen und Beten vor. In den heftigen Versuchungen des Fleisches und bösen Feindes tröstete ihn Gott mit himmlischen Verzückungen. Auf der Hochschule zu Köln vollendete er seine Studien und zeichnete sich in den Wissenschaften so ruhmvoll aus, dass man ihn zum Doktor der Gottesgelehrtheit befördern wollte, allein seine Demut untersagte es ihm. Er beschloss, sich ganz zu Gott zu wenden und seine ganze Kraft der Predigt des göttlichen Wortes und dem Seelenheil seiner Mitmenschen zu widmen. Deshalb empfing er die Priesterweihe und feierte das heilige Messopfer mit einer solchen Andacht, dass man ihm den Namen „Amandus“, der Liebenswürdige, beilegte. Seine glühende Beredsamkeit setzte alle seine Zuhörer in Erstaunen, und die Gemeinden schätzten sich glücklich, wo er sein trostvolles Wort erschallen ließ und zur Gottesminne entflammte. Seine Wirksamkeit als Prediger erstreckte sich über ganz Deutschland. Längere Zeit wirkte er im Dominikanerkloster zu Zürich, leitete die Frauenklöster zu Thöß, Ödenbach, Dießenhofen und erwarb sich um das Aufblühen des religiösen Lebens hervorragende Verdienste.

 

Dem seeleneifrigen Ordensmann sollten die Leiden nicht erspart werden. Einst sah er in der Verzückung eine Schar Engel und einer sprach zu ihm: „Tue deine Hände auf!“ Er streckt die Hand aus und sieht mitten aus der Hand eine schöne rote Rose entspringen mit hübschen grünen Blättern. Die Rose war so groß, dass sie die Hand bis an die Finger bedeckte, und so schön und prächtig, dass man den Blick nicht von ihr lassen konnte. Er kehrte die Hand um, außen und innen, da war es beiderseits ein wunderbarer Anblick. Er sprach höchst verwundert: „Eja, lieber Gesell, was bedeutet dieses Gesicht?“ Der Engel sprach: „Es bedeutet Leiden und Leiden und abermals Leiden und Leiden, und das sind die vier roten Rosen an beiden Händen und Füßen.“ Da seufzte Suso und sprach: „Ach, lieber Herr, dass Leiden dem Menschen so weh tut, und es doch ihn geistlich so schön ziert, das ist ein wunderlich Gefüge von Gott.“

 

Die Leiden brachen in der Tat wie eine wilde Flut über ihn herein. Böse Menschen verdächtigten ihn als Kirchenräuber, als scheinheiligen Betrüger, als Giftmischer und Ketzer. Eine gottlose Frau behauptete, er sei der Vater ihres unehelichen Kindes. Er wurde verurteilt und musste jahrelang die Unterhaltskosten für das Kind bezahlen und die Verachtung seiner Brüder wie den Spott der Welt tragen, bis Gott seine Unschuld glänzend rechtfertigte. Seine Schwester, die ins Kloster gegangen war, hatte sich wieder herauslocken und zu einem sündhaften Leben verführen lassen und erst nach unsäglichen Anstrengungen gelang es ihm, sie zur Buße und Besserung zu bewegen. Ein verrückter Klosterbruder gab ihn als Brunnenvergifter an und kaum entging er dem Tod in dem entstandenen Volksaufruhr. In diesem Meer von Trübsalen fand er Trost und Stärkung im Gebet. Jede Nacht erhob er sich von seinem harten Lager, betrachtete lebhaft das Leiden Christi und ging mit ihm leidend den Stationsweg bis Golgotha. In seiner Liebesglut zum leidenden Erlöser grub er sich einst den Namen Jesu mit einem eisernen Griffel so tief in seine Brust ein, dass das Blut auf den Boden seiner Zelle floss und er betete: „O mein Jesus! Die Liebhaber der Welt tragen das Bild ihrer Geliebten in Gemälden oder Zeichnungen bei sich; ich liebe dich inniger und habe dich mit meinem Blut ins Herz selber eingegraben.“

 

Wie Heinrich Suso eine innige Liebe zum leidenden Heiland pflegte, so verehrte und liebte er auch die Mutter des Herrn. Am Tag nach Mariä Himmelfahrt schaute er in einem Gesicht den Himmel offen und eine glühende Sehnsucht zog ihn dorthin. Da kam zu ihm ein Jüngling und sprach: „Du darfst noch nicht hinein, du musst noch büßen für deine Missetat, ehe du den himmlischen Gesang hören magst.“ Und der Jüngling führte ihn unter die Erde in ein Loch, das finster und öde war, dass er sich weder hin- noch herwenden, weder Sonne noch Mond sehen konnte. Dies schmerzte ihn und er klagte über sein Gefängnis. Bald kam der Jüngling wieder und fragte ihn, wie es ihm gehe? Heinrich jammerte: „Übel und übel!“ Jener erwiderte: „Wisse, dass die oberste Fürstin des Himmels jetzt dir zürnt, weil du an ihren Festen so ungern predigst, und gestern noch hast du deinen Obern gesagt, dass du nicht predigen wollest.“ Heinrich seufzte: „O weh mir! Doch vernimm, mein Herr: mich dünkt, die Mutter Gottes ist also großer Ehre wert, dass ich mir zu klein vorkomme, von ihr zu predigen, und überlasse es den Älteren und Würdigeren.“ Der Jüngling belehrte ihn: „Wisse, dass sie auch von dir es gerne hat und ihr ein angenehmer Dienst ist; darum sage es nie mehr ab!“ Heinrich weinte: „Ach, herzlieber Jüngling! Versöhne mich mit der reinsten Mutter! Ich gelobe es dir treu, dass es nicht mehr geschieht!“ Der Jüngling lächelte, führte ihn aus dem Gefängnis und tröstete ihn: „Ich hab es an der Himmelsfürstin gütigem Antlitz und Worten, die sie für dich hatte, bemerkt, dass sie dir nicht mehr zürnt und immer zu dir mütterliche Treue haben will.“ Von nun an predigte er fröhlich und feierlich an allen Marienfesten.

 

Sein minnereiches Herz ließ ihn an den Leiden der Trauernden und Weinenden innigen Anteil nehmen. Jederzeit war er bereit zum Raterteilen, eifrig zur Bekehrung der Sünder, liebevoll gegenüber allen Freunden Gottes, versöhnlich gegenüber allen seinen Feinden, milde gegenüber allen Geschöpfen Gottes, geduldig in jeder Trübsal.

 

Nachdem Heinrich Suso ein halbes Jahrhundert lang unermüdlich für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen gearbeitet, glänzende Erfolge erreicht und viele Wunder gewirkt hatte, vergönnten ihm seine Ordensobern, dass er den Rest seines tatenreichen Lebens in Ruhe auf seine Vorbereitung zum Tod verwende und schickten ihn zu dem Ende in ihr Kloster nach Ulm. Erschöpft von seinen vielen Mühen und harte Bußwerken, gestählt von der Gnade, geläutert im Feuerofen der Leiden, ging er in den Himmel, den er manchmal geöffnet gesehen hatte, wirklich ein am 25. Januar 1365. An seinem Grab geschahen so viele Wunder, dass er zugleich mit Thomas von Aquin dem Papst zur Heiligsprechung vorgeschlagen wurde, doch der fand die Akten über ihn noch nicht völlig spruchreif. Als man im Jahr 1613 eines Baus wegen im Kreuzgang des Dominikanerklosters zu Ulm das Grab des Seligen öffnete, fand man die Leiche noch ganz unversehrt in den Ordenskleidern und ein lieblicher Wohlgeruch ging von ihr aus. Der protestantische Bürgermeister ließ das Grab sogleich wieder schließen, damit kein Aufsehen entstehe. Papst Gregor XVI. bestätigte 1831 die allgemeine Verehrung des Seligen. Seine Schriften hauchen Weisheit und herzinnige Gottesminne.