Seliger Karlmann von Monte Cassino, fränkischer Herzog und Mönch, + 17.8.755 – Gedenktag: 17. August

Seliger Karlmann im Landesmuseum Württemberg

 

Hast du schon einmal einem wilden Bergwasser zugeschaut, das durch Felstrümmer daherschäumt und alles mitfortreißt, was sich ihm in den Weg stellt? Du mochtest glauben, vor lauter Wildheit könne es nicht anders als Schaden stiften. Aber das gleiche Wasser lässt sich auch wieder eindämmen in den Werkkanal und dann liefert es dir Licht und Kraft für deine Maschinen. So ein wild daherströmendes und zerstörendes Bergwasser war gleich anderen germanischen Stämmen in der Völkerwanderung auch das Frankenvolk, so lange seine ungestüme Kraft noch nicht in richtige Bahnen gelenkt war durch den christlichen Glauben. Und jeder einzelne Franke zeigt diese Eigenart seines Volkes etwas in sich ausgeprägt, in jeder großen Persönlichkeit jener Zeit finden wir dieses Ringen zwischen Überschäumender Kraft des Blutes und zwischen der Inbrunst lebendigsten Glaubens. Karl der Große ist hier das Beispiel. Aber die gleiche Erscheinung treffen wir auch bei seinem nicht unberühmten Oheim, dem seligen Karlmann, von dem wir heute hören.

 

Der Vater Karlmanns, Karl Martell, der eigentliche Regent (Maior domus, Hausmeier) des Frankenreiches an Stelle der merovingischen Scheinkönige, war in erster Linie Fürst und Kriegsmann. Die Klöster und Bistümer waren für ihn dazu da, um seine Großen, die sich in der Schlacht ausgezeichnet hatten oder die er für seine Politik notwendig hatte, damit zu beschenken. Wie da mit dem Kirchengut gewirtschaftet wurde, wie sehr die Kirchenzucht unter solchen Bischöfen leiden musste, kann man sich vorstellen. Der heilige Bonifatius führt nach dem Tod Karl Martells (741) gar bewegende Klage über den allgemeinen Verfall der fränkischen Kirche. Er setzte nun alle seine Hoffnung auf beide Söhne und Erben, Karlmann und Pippin, denen er beim Regierungsantritt mit Nachdruck das Wort des Evangeliums zuruft: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet?“ Und die Hoffnung des heiligen Erzbischofs wurde nicht getäuscht. Pippin und Karlmann waren in der Abteischule von St. Denis schon von Jugend auf in einem kirchlichen Geist erzogen worden und nun gingen sie daran, die Verschuldungen ihres Vaters gutzumachen. Für Bonifatius war zunächst Karlmann zuständig, der die Regierung über den östlichen Teil des Frankenreiches, die Länder am Rhein, Alemannien und Thüringen, übernommen hatte. Sofort ließ der Herzog den Bischof zu sich bescheiden und beauftragte ihn mit der Berufung einer Synode, einer Versammlung der Bischöfe und Priester, um die Kirchenreform in seinem Reichsteil einzuleiten, „dass sie mir Rat gebe, wie Gottes Gesetze und die kirchliche Lehre wieder zur Geltung gebracht, die in den Tagen unserer fürstlichen Vorfahren darniederlagen, und wie das christliche Volk zum Heil gelange und nicht durch falsche Priester irregeleitet zugrunde gehe“. Am 21. April 742 fand die Synode statt, der Ort ist unbekannt. Einschneidende Beschlüsse wurden gefasst über die Rückgabe des Kirchengutes, die Wiederbesetzung der Bischofsstühle, die Sittenzucht unter den Geistlichen u.a. und von Karlmann als sein Herrscherwille und gesetzliche Verpflichtungen verkündet. Eine zweite Synode zu Estinnes in Belgien am 1. Mai 743 schärfte die Bestimmungen aufs Neue ein. Im Jahr 745 war dann nochmals eine große Synode, auf der Köln zum Erzbistum erhoben und die Organisation der ostfränkischen Kirche zum Abschluss gebracht werden sollte. Doch kam der Plan nicht zur Ausführung. In seinem Werk der Glaubenspredigt in Deutschland fand der heilige Bonifatius an Karlmann einen tatkräftigen Förderer. Von ihm erhielt er den meisten Grund und Boden zur Gründung des Klosters Fulda, welches Beispiel dann auch andere Adelige zur Nachahmung aneiferte. Überhaupt war der Herzog ein Freund der Klöster und mit der beschlossenen Rückerstattung des veräußerten Kirchengutes war es ihm wirklich ernst. Wenn er sie Verhältnisse halber nicht allweg durchführen konnte, bewies er sich andererseits um so freigebiger in Neuschenkungen an wertvollen Gefäßen, Gütern und Hörigen. „Reicher Lohn harrt ihrer dort im Himmel,“ schreibt 744 im Hinblick auf die beiden Regenten Papst Zacharias an Bonifatius, „denn seliggepriesen ist der Mensch, durch den Gott seliggepriesen wird.“

 

Damit aber nicht einer meine, Karlmann sei zwar ein guter Sohn seiner Kirche, aber sonst ein schwacher Fürst gewesen, so sei hingewiesen auf die glücklichen Kriege, die er geführt hatte. In Gemeinschaft mit seinem Bruder Pippin besiegte er den Herzog Hunold von Aquitanien, mehr als einmal zwang er die alemannischen Rebellen zu Boden, auch die Bayern und Sachsen hatten seine starke Hand zu fühlen. Manchmal brach dabei seine leidenschaftliche, gewalttätige Frankennatur sich Bahn und oft quälte ihn später im Kloster die Erinnerung an das auf seinen Befehl vergossene Blut.

 

Zwei ganz verschiedene Seelen wohnten in der Brust Karlmanns, die eine stritt um den Namen und Ruhm eines großen Herrschers, die andere wollte arm und niedrig sein, wie es der ewige König für uns geworden ist. Und diese zweite Seele trug den Sieg davon. Im Jahr 747 übergab Karlmann die Herrschaft an seinen Bruder Pippin und pilgerte nach Rom, um sich dort vom Papst Zacharias zum Mönch scheren und weihen zu lassen. Seinen Zeitgenossen kam dieser Schritt unerwartet, da Karlmann ja glücklich und siegreich regiert hatte. Sie finden keinen anderen Erklärungsgrund als seine Gottinnigkeit und seine Liebe zum himmlischen Reich. Zunächst nahm Karlmann Aufenthalt auf dem Berg Soratte, wo er zu Ehren des heiligen Silvester ein kleines Kloster baute. Bald aber zog es ihn nach Monte Cassino. Hier hoffte er mehr in Verborgenheit und Gehorsam seine Lebenstage verbringen zu können.

 

Unerkannt kam er mit einem vertrauten Freund, so erzählt eine frühe Legende, im Kloster des heiligen Benedikt an und bat um Aufnahme. Er sei ein Franke und ein großer Verbrecher, der viele Menschen getötet hat, und will jetzt Buße tun für sein früheres Leben. Nach strengster Prüfung ließ ihn Abt Optatus zum Noviziat zu und nach einem Jahr, nachdem er alle Demütigungen standhaft ertragen hatte, zur Profess. Als er nun einmal in der Küche Dienst tat und sich recht ungeschickt anstellte, brauste der Bruder Koch gegen ihn auf und gab ihm eine Ohrfeige. Karlmann blieb ganz ruhig und sagte nur: „Bruder, es verzeihe dir Gott und Karlmann!“ Darüber regte sich der andere noch mehr auf und wiederholte seinen Schlag und erhielt wieder die gleiche Antwort. Und so nochmal. Da konnte sich der alte Freund Karlmanns, der Zeuge war, nicht mehr halten und ging auf den Bruder mit dem Kochlöffel los: „Elender Sklave, dir soll weder Gott noch Karlmann verzeihen!“ Darüber beschwerte der sich beim Abt und der fragte den fränkischen Mönch vor allen Brüdern, warum er seinen Mitbruder geschlagen hat. „Weil ich sehen musste,“ antwortete er, „wie ein nichtswürdiger Sklave den besten und edelsten Mann, den ich auf der Welt kenne, nicht bloß mit Worten beschimpft, sondern sogar mit Schlägen traktiert hat. Denn er ist Karlmann, einst König der Franken, der aus Liebe zu Christus sein Reich und alle Herrlichkeiten der Welt verlassen hat.“ Von da an hielten die Brüder Karlmann in allen Ehren. Aber seine Demut freute sich, als er zum Schafhirten des Klosters bestellt wurde und wenn ihm sein Abt tüchtig die Leviten las. Später wusste man darüber auf Monte Cassino noch manches Geschichtlein.

 

Karlmann durfte nicht beim heiligen Benedikt sterben. Er, der aus der Welt geflohen war, wurde am Schluss seines Lebens nochmals die große Politik hineingezogen. Der Langobardenkönig Aistulf verlangte von Abt Optatus, er solle Karlmann zu seinem Bruder Pippin schicken, damit er dort dem Papst Stephan, der den Frankenkönig zum Schutz gegen ihn angerufen hatte, entgegenwirke. Nur höchst ungern entsprach der Abt der Forderung seines Königs und nur aus Gehorsam reiste Karlmann in das Frankenreich, aber den Auftrag Aistulfs erfüllte er nicht, da er gegen sein Gewissen und seine politische Überzeugung ging. Auf der Rückkehr raffte ihn zu Vienne ein frühzeitiger Tod dahin. Sein Bruder ließ den Leichnam in einem goldenen Sarg nach Monte Cassino bringen, wo sein Andenken allzeit als das eines Heiligen lebendig blieb.

 

So eine leicht entzündbare Frankenseele steckt mehr oder weniger in jedem Menschen, der unter dem Gesetz der Erbsünde seufzt. Der Funke des Zornes oder des Neides, des Stolzes oder der Weltliebe, der Unkeuschheit oder Habsucht glimmt ganz verborgen im Herzen und lodert ganz unversehens zur Flamme auf. Sieh zu, dass du deine Leidenschaft erkennst! Und wenn du dagegen auch nicht die außerordentlichen Mittel der evangelischen Räte anzuwenden berufen bist, auf der Hut zu sein, dich zu überwinden, bist du immer verpflichtet. Die kostbaren Gnadenmittel des Gebetes und der Sakramente musst du gebrauchen, um die Leidenschaften des Herzens nicht groß werden zu lassen, sie zu mindern und auszulöschen. Dann wirst du ein Karlmann, ein starker Mensch, ein Held!