Der heilige Theotimus war unter den Griechen erzogen worden und hatte sich in den Wissenschaften, besonders in der Philosophie, nach deren Grundsätzen er sein ganzes Leben einrichtete, ausgezeichnet. Diese Lebensweise, erhöht durch Demut und andere christliche Tugenden, flößte ihm Ekel ein gegen die eitlen Weltgüter. Als Bischof lebte er beständig mitten unter dem Volk und kannte keine größere Freude, als den Menschen die Quellen der Heilslehren aufzuschließen. Er war sehr streng gegen seinen eigenen Körper, und ohne sich an gewisse Stunden für das Mittagsmahl zu binden, aß er nur dann, wenn ihn der Hunger oder Durst dazu nötigte. Er wurde unter der Regierung der Kaiser Theodosius und Arcadius zum Bischof von Tomi, der Hauptstadt von Klein- Scythien, das zwischen Thracien, der Donau und dem Pontus Euxinus lag, erwählt. Aber sein Eifer beschränkte sich nicht auf diese Grenzen: er setzte über die Donau, um auch unter den Hunnen, einem wilden Volk, das damals das Land der Dacier und Gethen bewohnte, das Licht des Evangeliums zu verbreiten. Da dieses Volk die Wunder sah, die er zur Begründung des christlichen Glaubens wirkte, und die nur aus göttlicher Kraft herrühren konnten, nannte es ihn gewöhnlich den Gott der Römer, und hatte für seine glänzenden Tugenden die größte Ehrerbietung. Dieses Volk war grausam und seine Sitten trugen das Gepräge der Wildheit. Durch die Klugheit seines Verhaltens führte sie aber Theotimus zur Menschlichkeit und zum geselligen Leben. Nachdem er ihre Herzen gewonnen hatte, wirkte er auch bald auf ihren Verstand. Da er ihnen von Zeit zu Zeit kleine Geschenke reichte, um sie für seine Unterweisungen empfänglich zu machen, legte ihm einer von ihnen, der vom Geiz verblendet war und ihn für reich hielt, eine Schlinge, um ihn zu überfallen und zu berauben. Doch in demselben Augenblick, als er nach seinem Schild griff, erstarrte sein Arm, den er nicht eher wieder bewegen konnte, als bis er seinen Fehler bekannt hatte und seine Gefährten ihre Zuflucht zu dem Heiligen nahmen, auf dass er von Gott seine Befreiung erbitten möchte.
Theotimus hegte dieselben Gesinnungen und lebte im größten Einverständnis mit dem heiligen Chrysostomus, dem Patriarchen von Konstantinopel, und nahm unerschrocken seine Partei gegen Theophilus von Alexandrien und die übrigen, die die Verdammung des Origenes und dessen Schriften zu betreiben suchten, ohne Unterschied des Verdammungswürdigen und desjenigen, was die Verdammung nicht verdiente. Er fand sich bei der Synode von Konstantinopel ein, die der heilige Epiphanius von Salamis in Zypern, ohne Mitwissen des heiligen Chrysostomus, hatte versammeln lassen. Überzeugt von der Redlichkeit und Aufrichtigkeit der Gesinnungen des heiligen Patriarchen, verteidigte er ihn gegen das Verfahren des heiligen Epiphanius, dessen Eifer den Kirchensatzungen entgegen zu sein schien. Nicht nur verweigerte er seine Unterschrift dem Beschluss, der ohne Unterschied alle Bücher des Origenes verdammte, sondern erklärte laut, er könne sich nicht entschließen, das Andenken eines Mannes zu entehren, der schon längst gestorben sei, und er könne nicht so verwegen sein, Bücher zu verdammen, die von den Vorfahren nicht für verdammungswürdig befunden worden sind. Sogleich ließ er eines der Bücher des Origenes bringen, las es laut vor und zeigte, dass dessen Erklärungen der Heiligen Schrift ganz mit den Grundsätzen der katholischen Kirche übereinstimmten. Unser Heiliger wollte keineswegs alle Werke des Origenes ohne Ausnahme verteidigen. Er wollte sich nur für diejenigen Schriften aussprechen, die er gesehen und in denen er nichts Widerrechtliches gefunden habe. Dies sind dieselben Gesinnungen, die vor ihm der heilige Athanasius und der heilige Gregorius von Nyssa hegten, dies war die Meinung des heiligen Augustinus und der erleuchtetsten Männer der katholischen Kirche. Der heilige Hieronymus selbst, der zur Zeit, als Theotimus die Rechte des heiligen Chrysostomus verteidigte, sich mit Theophilus und Epiphanius zu verbinden schien, konnte ihm dennoch nicht Unrecht geben. Er sprach ebenfalls für die Absonderung des Guten von dem Bösen in den Schriften des Origenes.
Die Geschichte hat uns nichts weiter von dem Leben des heiligen Theotimus hinterlassen. Man weiß nicht, ob er den heiligen Chrysostomus überlebt hat. Sein Name findet sich im römischen Martyrologium am 20. April, obgleich man weder von dem Tag noch dem Jahr seines Todes etwas Zuverlässiges angeben kann.