Selige Elisabeth M. Alphonsa Eppinger, Stifterin der Schwestern vom allerheiligsten Heiland, genannt „Niederbronner Schwestern“, + 31.7.1867 – Gedenktag: 31. Juli

 

Unter den neueren Kongregationen, die in ausgebreiteter Tätigkeit segensreich zum Wohl der leidenden Menschheit arbeiten, nehmen keinen geringen Platz die Niederbronner Schwestern ein. Wer aber kennt den Namen der Gründerin dieser Genossenschaft? Freilich nimmt diese bescheidene, aber überaus erfolgreiche Arbeiterin im Weinberg des Herrn keinen kanonisch-rechtlichen Titel in Anspruch, wie solchen die Kirche nach strengster Prüfung des Lebens ihren auserwählten Kindern zu geben pflegt. Menschlicher Voraussicht nach wird das Gedächtnis der seligen Stifterin auch ferner nur in der Liebe und kindlichen Verehrung ihrer geistlichen Töchter gefeiert werden. Die Persönlichkeit der Elisabeth Eppinger aber weist so merkwürdige Züge in ihrem Leben auf, ihre Gründung nahm einen so wunderbar von Gott gesegneten Aufschwung, dass ihr Andenken es verdient, auch hier festgehalten zu werden.

 

Eines einfachen Landmannes Kind hat Elisabeth Eppinger am 9. September 1814 in dem in einem Tal der Vogesen reizend gelegenen Badestädtchen Niederbronn das Licht der Welt erblickt. Frommer Sinn und kernige Biederkeit war der Erbteil ihres Geschlechtes. Ihre tiefreligiöse Mutter hatte die Gnade, die älteste von den elf Kindern um fast vierzehn Jahre zu überleben und ihr Werk in ungeahnter Weise gedeihen zu sehen. Schon in den allerfrühesten Jahren hatte das Kind die größte Freude am Erlernen der Gebete und ein auffallendes Wohlgefallen am Englischen Gruß. Als es einmal, an einem Feldkreuz vorübergehend, die Mutter fragte, warum man den lieben Heiland so gekreuzigt habe, gab die Mutter zur Antwort: „Dies, mein Kind, haben unsere Sünden getan.“ Auf die weitere Frage, was denn Sünde sei, erklärte ihm die Mutter in verständlicher Art, wie Kinder durch Unachtsamkeit beim Gebet, durch Ungehorsam, durch Streiten mit anderen Kindern Gott beleidigen können. Von da ab zeigte die kleine Elisabeth das ernsteste Bestreben, alles das, was ihm der Mund der Mutter als unrecht vor Gott angegeben hatte, aufs ernsthafteste zu meiden. Vom sechzehnten Jahr ab begann sie – bei Kindern gewiss eine Seltenheit – ihre Hauptfehler, Eigensinn und Heftigkeit, Gebrechen, die sie noch in spätesten Jahren belästigten, sorgsam zu bekämpfen. In der Schule zeigte sie für die gewöhnlichen Fächer des Lesens, Schreibens und Rechnens wenig Neigung. Sie konnte auch in späteren Jahren wenig mehr als ihren Namen schreiben. Um so lebhafter erregte der Religionsunterricht die kindliche, zu Gott hinneigende Seele. Wie in eine köstliche andere Welt versenkte sich ihr reiches Gemüt in die hohen Geheimnisse des Christentums, ein klarer Drang nach innerer Vervollkommnung hatte sie erfasst. Die Liebe und Sehnsucht nach immer innigerer Vereinigung mit dem leidenden Heiland ließ die heranwachsende Jungfrau mit verzehrender Sehnsucht die tägliche Kommunion erstreben, entgegen dem damals üblichen Gebrauch.

 

Vom zwölften Jahr an hatte Elisabeth schon den Beruf zum Ordensstand zu erkennen geglaubt. Als aber die Zeit der Entscheidung kam, schien Gott sie durch langjähriges Leiden auf einen anderen Weg führen zu wollen. Starkmütig sich der göttlichen Vorsehung überlassend, wurde sie mit reicher innerer Erfahrung und außerordentlichen Gnaden belohnt. Nach zweimaliger Wiedergenesung warf sie eine dritte schwere Erkrankung, 1845, wiederum aufs Krankenlager, von dem sie sich vier Jahre nicht mehr erhob. Im ganzen Wesen der Kranken ging eine auffallende Veränderung vor. Die Einsamkeit der Krankenstube mit schlaflosen Nächten, körperliche Gefühlsüberreizung, der ständige Verkehr der weltabgewandten Seele mit Gott, die zur zweiten Gewohnheit gewordene Übung des inneren Gebetes brachten die Kranke in jene eigentümlichen Zustände, die dem Kenner des mystischen Lebens nichts Überraschendes sind. Ein inniges, gesteigertes Glaubens- und Liebesleben veranlasst ja schließlich den Herrn, sich in außerordentlicher Weise den begnadeten Seelen mitzuteilen. Auch unsere gottselige, demütige Jungfrau, die längst ihren Herrn und Erlöser allein zum Bräutigam erkoren hatte, glaubte seines besonderen gnadenvollen Verkehrs sich versichert halten zu dürfen, Weisungen von ihm zu bekommen, die sich auf ihr eigenes und anderer Seelenheil bezogen, ja selbst Einsicht in zukünftige, bedeutsame Geschehnisse zu erhalten. Ein einsichtsvoller, klug zurückhaltender Beurteiler hat sich dahin ausgesprochen, Elisabeth Eppinger sei von Gott berufen worden, wohltätig auf ihre Zeitgenossen einzuwirken. Sie habe die Kenntnis des inneren Wertes der Menschen besessen und ihren sittlichen Zustand auffallend richtig zu beurteilen verstanden. Ihr Eindruck sei ein wirksamer gewesen; keiner habe sie verlassen ohne tief ergriffen worden zu sein und heilsame Entschlüsse fürs Leben gefasst zu haben.

 

Der Ruf der „geistigen“ Jungfrau von Niederbronn wuchs immer mehr. Waren es anfangs nur fromme Mädchen, die durch das Band des Dritten Ordens mit ihr verbunden waren und die sie ihre erleuchtete Führerin nannten, so bewarben sich hernach Leute aus allen Ständen, geistliche und weltliche, niedrige und vornehme, auch hochgebildete und gelehrte, um den Rat der „Ekstatischen“ für ihr Seelenheil oder in zeitlichen Anliegen. In den drei Jahren vor Gründung der Genossenschaft erschienen bis zu achtzig und neunzig Personen im Tag in dem Krankenzimmer Elisabeths. Aus den entferntesten Gegenden Frankreichs strömten sie herbei; selbst auf geistlichen Einspruch hin konnte der Zulauf nicht gehemmt werden. Der fromme, kluge, wohlerfahrene und feste Pfarrer Johann David Reichard von Niederbronn, der Elisabeth von Jugend auf geleitet und oft ernstlich geprüft hatte, musste zur Vermeidung von Missbräuchen und Sicherung des inneren Lebens der so viel Besuchten eine bestimmte Tagesordnung vorschreiben, ihr Gebets- und äußeres Leben regeln und sich täglich Rechenschaft geben lassen über ihre Gespräche mit den Besuchern und ihre dabei gegebenen Ratschläge.

 

Merkwürdige Bekehrungen, bisweilen schier täglich, konnte Pfarrer Reichard an seinen Bischof melden. Im Sommer 1850 zum Beispiel kamen unter vielen zwei vornehme Franzosen. Der eine, ganz ungläubig und fanatischer Religionsspötter, wollte aus reiner Neugierde das Niederbronner Bauernmädchen über seine Zukunft befragen. Elisabeth gab Reichard, der den Dolmetscher machte, die Antwort: „Sagen Sie diesem Herrn, dass die Zukunft nicht in seiner Gewalt ist; er soll sich nicht darum kümmern, soll für die Gegenwart sorgen und sein Gewissen in Ordnung bringen.“ Die gemessene Weisung machte auf den Fragesteller einen solchen Eindruck, dass er noch am selben Abend seine Beichte ablegte, nach dem er fünfundzwanzig Jahre lang allen religiösen Übungen ferngeblieben war. Auch der zweite wurde durch die eigentümliche Macht der Persönlichkeit Elisabeths zu Tränen gerührt und ging nach achtzehnjähriger Unterbrechung wieder zu den heiligen Sakramenten.

 

Die eigenartigen Ereignisse, die um das Krankenlager der Elisabeth Eppinger spielten, ihr Ruhm, der von hochstehenden, angesehenen Männern in Briefen und Schriften weithin getragen wurde, riefen begreiflicherweise auch absprechende Urteile und heftige Anklagen hervor, jetzt gegen ihre Person, wie später gegen ihre Stiftung. So ist es noch immer gewesen. Erst im Widerspruch klärt sich Idee und Charakter, Recht und Tugend. Der Diözesanbischof Dr. Andreas Räß, der ob seiner Verdienste um das Wiedererwachen katholischen Lebens in Deutschland in höchsten Ehren stand, hatte sich stets eingehend über die Kranke berichten lassen. Im Juli 1848 kam er selbst auf drei Tage nach Niederbronn, um Elisabeth einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Das Ergebnis fiel äußerst vorteilhaft aus. Der Bischof bewunderte in Eppinger eine hochbegnadete Seele von lauterster Gesinnung und bestem Glauben. Für sie und ihr Werk war es von Anfang an von entscheidender Bedeutung, dass ihr Oberhirte sich rückhaltlos auf ihre Seite stellte und schützend und segnend seine Hand über sie hielt. Eine abermalige mehrwöchige Prüfung, 1851, bestärkte ihn nur noch mehr in seiner guten Meinung über die von Gott Erwählte.

 

Elisabeths sehnlichster Wunsch, dem Herrn im Ordensstand zu dienen, war trotz ihres leidenden Zustandes noch immer rege, so aussichtslos seine Erfüllung auch erschien. Gerade die Belästigung durch die vielen Besuche veranlasste sie um Aufnahme bei den Schulschwestern von der göttlichen Vorsehung in Rappoltsweiler nachzusuchen. Ungeachtet ihres vorgerückten Alters und der voraussichtlichen Unfähigkeit einer zweckentsprechenden Beschäftigung erhielt sie die Zusage. Allein Bischof Räß glaubte den wohltätigen Einfluss der Kranken auf die Allgemeinheit nicht hemmen zu dürfen und versagte vorerst seine Genehmigung. In den Septembertagen des Jahres 1848, das so viel Jammer und Not über die Völker ausschüttete, kam Elisabeth durch innere Erleuchtung zu dem folgenschweren Entschluss, selbst einen Orden zu gründen, der wirksam mithelfen sollte zur Steuerung der Not. Schon im Januar 1849 legte Pfarrer Reichard die Satzungen des geplanten Institutes dem Bischof vor, der Elisabeths Unternehmen mit freudigem Wohlwollen entgegenkam. Die auftauchenden Bedenken überwand das erstaunliche Gottvertrauen des frommen Pfarrers, der fortan dem neuen Werk seine ganze Kraft widmete.

 

„Orden der Töchter des göttlichen Erlösers zur Verpflegung armer Kranken und Unterstützung anderer Armen, errichtet zu Ehren des göttlichen Herzens Jesu und des heiligsten und unbefleckten Herzens Mariä, unter Anrufung des heiligen Alphons Maria von Liguori und der heiligen Theresia“, so lautete der ursprüngliche Titel der Niederbronner Genossenschaft. Hauskrankenpflege und Armenhilfe ist ihr erster Zweck und damit kam sie tatsächlich einem dringenden Bedürfnis der Zeit entgegen. Nur eine von Liebe zu Gott und zur leidenden Menschheit glühende Seele, die selbst im Feuerofen des Leidens geprüft wurde und überdies in besonderer Weise vom Heiligen Geist geführt war, konnte einen so zeitgelegenen, vortrefflichen Ordensplan entwerfen. Nicht hohe Bildung, nicht Weltweisheit und Welterfahrung hat ihn gereift. Zum Klosterbau flossen die Gaben reichlich; nicht weniger zahlreich meldeten sich die Ordensbewerberinnen. Am 28. August 1849 bezog die Stifterin, jetzt Mutter Maria Alphonsa genannt, das notdürftig ein gerichtete Klösterlein. Nun genas sie allmählich, so dass sie als Generaloberin später auch weite Reisen zu ihren Filialtöchtern unternehmen konnte. Sie zeigte sich als Meisterin in der schweren Kunst, Menschen für Gott und zum Dienst der Mitwelt zu erziehen. Ihr erbauendes Beispiel, das Wort, das sie gar wohl zu führen verstand, ihr ganzes Wesen wirkten mit bezwingender Gewalt auf alle, die ihren Rat oder ihre Führung suchten. In den herben Linien des Gesichtes, dem die Leidensjahre, die Schule der Betrachtung und das Bewusstsein einer hohen Aufgabe den Stempel stillen Ernstes aufgedrückt hatten, war eine unbeugsame Energie, eine Willenskraft sondergleichen ausgeprägt. Dem schwachen Leib wohnte eine starke Seele inne. Die größten Schwierigkeiten schreckten sie nicht. Wohl gab Gott sichtlich einem Werk seinen Segen, das auch viele Widersacher hatte. Aber die Stifterin hat nicht alles vom Himmel erwartet und müßig die Hände in den Schoß gelegt. Mit grenzenlosem Gottvertrauen verband sie eine rechte Auffassung der Dinge, rasches Handeln, kluge Ausnützung der gegebenen Umstände. Mit kraftvoller Hand leitete sie die Genossenschaft. Da sie große Anforderungen an sich selber stellte, verlangte sie auch viel von ihren Untergebenen, die ihr vielfach blindlings ergeben waren. Gegen Ungehorsam konnte sie von großer Strenge sein. Doch ist es unter den Tugenden und Charakterzügen der Schwester Alphonsa gerade die Güte und Aufopferung für die Ihren, die von ihrer achtzehnjährigen treuen Mitarbeiterin M. Josepha gerühmt werden.

 

Der Redemptoristenpater Amhard macht nach anfänglichem Misstrauen in einem Brief an Pfarrer Reichard das „Geständnis“: „Ich erkannte eine hohe Erleuchtung an der ehrwürdigen Mutter. Ihre völlige Ergebung in den heiligen Willen Gottes, ihr großes Verlangen nach Demut und Kreuz, ihre Furcht vor übernatürlichen Erscheinungen, ihre gänzliche Abhängigkeit vom Beichtvater und dem hochwürdigsten Bischof, ihre Einfachheit in der Rede und ihre ungewöhnliche Leichtigkeit, mit der sie von göttlichen Dingen redet – all das überzeugte mich, dass ich eine von Gott hochbegnadete Person vor mir hatte.“

 

Das Eingreifen der Hand Gottes im Leben der gottseligen M. Alphonsa zeigt sich unverkennbar in der staunend raschen Ausbreitung ihrer Genossenschaft. Schon im zweiten Jahr ihres Bestehens wurden acht Niederlassungen im Unterelsass errichtet. Von 1852 an folgten Gründungen in Deutschland (als erste in Speyer), in Frankreich, in Österreich, Ungarn, in der Schweiz usw. Im Jahr 1866 wurden die Niederlassungen in Würzburg, Wien und Ödenburg (Ungarn) von den dortigen Bischöfen vom Mutterhaus Niederbronn getrennt und zu selbstständigen Genossenschaften erhoben. Am 1. Januar 1924 zählte die Niederbronner Kongregation, die die päpstliche Approbation besitzt und deren eigentlicher Name seit 1863 „Schwestern vom allerheiligsten Heiland“ lautet, 3218 Profess-Schwestern, 236 Novizen und 100 Postulantinnen in 407 Niederlassungen. Nachdem jetzt das Elsass zu Frankreich geschlagen ist, wurde in Neumarkt in der Oberpfalz ein neues Mutterhaus für Deutschland errichtet.

 

Im harten Ringen um das Gedeihen der Genossenschaft hatten sich die Kräfte der Mutter Alphonsa erschöpft. Seit Juni 1867 lag sie an einem bösen Gehirnfieber hoffnungslos darnieder, das am 21. Juli in Bewusstlosigkeit überging. Dies wirkte auf ihren greisen, hochverdienten Mitarbeiter Superior Reichard so erschütternd, dass er selbst von einem Schlagfluss gerührt wurde und schon am 24. Juli verstarb. Die ehrwürdige Mutter Alphonsa aber wurde erst am 31. Juli 1867 vom Herrn aus dieser Zeitlichkeit abberufen. So war es keinem dieser beiden um das Wohl des Nächsten so verdienten Menschen mehr vergönnt, ein letztes Wort der Ermahnung und des Trostes an die trauernde Klosterfamilie zu richten.

 

Dafür soll ein an die Darmstädter Oberin gerichtetes Mahnwort M. Alphonsas festgehalten werden, das sie selber treffend kennzeichnet:

 

„Suchen Sie immer in Ihren Handlungen die Ehre Gottes und seiner Kirche, das Heil der Seelen und Ihre eigene Vollkommenheit und geben Sie gar nicht acht auf das, was von außen vorgeht. Sagen Sie mit dem Verfasser der Nachfolge Christi: Heute ist man für mich, morgen kann man gegen mich sein. Ich will vor allem trachten, meinem Gott wohlzugefallen, mein Elend immer vor Augen zu haben, damit ich mich nicht selbst erhebe und Gott dadurch missfalle, dem allein alle Ehre gebührt.“

 

Die Seligsprechung von Elisabeth M. Alphonsa Eppinger erfolgte am 9. September 2018 in Straßburg durch Kardinal Angelo Becciu, den Vorsitzenden der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen im Auftrag von Papst Franziskus.