Noch fünf Tage sind es bis zum Weihnachtsfest, auf das uns in den letzten Wochen Sankt Martin, Sankt Elisabeth, Sankt Nikolaus und die herrlichen Blutzeuginnen Cäcilia, Katharina, Barbara und Lucia hingewiesen haben, die alle bereits in der Vorweihnachtszeit wie Rosen und Lilien dem Christkind zu Ehren im Kirchenjahr erblühen.
Je näher die hohe Zeit heranrückt, desto feierlicher wird es, denn gleich vor und gleich nach Weihnachten begeht die Kirche das Fest zweier Heiligen, die zu den vornehmsten gehöre, die es im Himmelreich gibt. Es sind die Apostel, und von diesen stellt die Kirche zwei, Sankt Thomas am 21. und Sankt Johannes Evangelist am 27. Dezember, wie mächtige, festlich brennende Kerzen neben die Krippe im Stall zu Betlehem.
Was weiß man denn eigentlich vom heiligen Thomas?
Das landläufige Wissen um diesen Apostel ist leider sehr beschränkt. Man weiß, dass Thomas, ein Fischer vom See Genezareth, Zwilling genannt wurde und der Zweifler an der Auferstehung Jesu war, und schließlich weiß man auch noch, dass derjenige, der am Thomastag, dem kürzesten Tag, zu spät in die Schule kommt, für das nächste Jahr den Namen „der faule Thomas“ führt, was an sich keine Ehre ist. Das ist alles, was man von Thomas weiß, und das ist sehr wenig. Nur davon weiß man nichts, dass dieser Apostel zu den anziehendsten Heiligen gehört, die man sich denken kann und der uns gerade jetzt zu Weihnachten etwas Schönes zu sagen hat.
Nur an drei Stelle wird uns im Evangelium vom heiligen Thomas kurz berichtet, aber nach dem, was da gesagt wird, muss er ein Mann gewesen sein, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte, ein wenig bedächtig zwar und vorsichtig, aber von einer unbedingten Treue und von einer männlich schönen Liebe zum Heiland.
Kurz vor dem bitteren Leiden, so berichtet das Evangelium, als es bereits brenzlich um ihn stand, hielt sich Jesus mit den Zwölfen verborgen, weil seine Stunde noch nicht gekommen war. Damals wurde er an das Kranken- und Sterbebett seines Freundes Lazarus nach Bethanien gerufen, und als er sich auf den Weg machen wollte, versuchten ihn die Apostel zurückzuhalten, indem sie ihm sagten, das dürfe er nicht tun, es sei viel zu gefährlich, man würde ihn umbringen und so weiter. Mitten in diesen aufgeregten Redeschwall platzte auf einmal der stille Thomas hinein und sagte fest und kernig: „Ihr Angsthasen und Feiglinge! Wenn der Heiland geht, gehen wir alle mit ihm, und wenn er stirbt, sterben wir mit ihm.“
Thomas, das hast du fein gemacht!
Als dann der Heiland einige Zeit später beim letzten Abendmahl Abschied von den Aposteln nahm und dabei geheimnisvoll von seinem Heimgang in das Haus des Vaters sprach, wo er ihnen eine Wohnung bereiten wolle, fiel ihm Thomas, der den Sinn der Worte nicht begriff, in die Rede und sagte in seiner biederen Art treuherzig zum Herrn: „Zeig uns nur den Weg! Wohin du gehst, gehen wir mit dir.“ So war Thomas, ein rechter Mann, unbedingt zuverlässig und von einer männlich schönen Liebe zum Heiland.
Als schließlich der auferstandene Heiland am Osterabend den Aposteln im Abendmahlssaal erschien, war Thomas nicht unter ihnen. Nachher berichteten ihm die übrigen das Ereignis in höchster Erregung mit Worten, die sich überstürzten und überschlugen. Doch dem bedächtigen Thomas kamen die Reden verdächtig vor, und frank und frei, wie es seine Art war, erklärte er: „Dass der liebe Heiland die Macht hat, von den Toten aufzuerstehen, ist mir klar, aber was ihr da sagt, ist so verworren, dass ich es nicht annehme, bevor ich selbst ihn nicht sehen und berühren kann.“ So spricht ein Mann, und der liebe Heiland hat dem ruhigen und vernünftigen Thomas die Rede nicht übelgenommen, denn wenige Tage später erschien er erneut den Aposteln, und Thomas, der diesmal zugegen war, durfte, wie er es sich gewünscht hatte, die Hand auf das Herz des lieben Heilandes legen, und da ist er in die Knie gesunken und hat vor lauter Glück und Freude nur die Worte sprechen können: „Mein Herr und mein Gott!“ Wie froh war er doch, dass alles so war, wie die anderen es ihm erzählt hatten!
So war Thomas, ein wenig bedächtig und vorsichtig, aber von einer unbedingten Treue und von einer männlich schönen Liebe zum Heiland, und so wissen wir nun, in welchen Gesinnungen wir uns in fünf Tagen bei der Krippe einfinden müssen, nämlich unbedingt zuverlässig in der Treue zum Heiland und in männlich schöner Liebe.