Heiliger Hugo von Lincoln, Kartäuser und Bischof, + 16.11.1200 – Fest: 17. November

 

Über dem Eingangstor der Kartause zu Parkminster in England befindet sich die steinerne Figur eines Mönches im bischöflichen Ornat mit einem Schwan zu seinen Füßen. Es ist der heilige Hugo, Bischof von Lincoln, der neben dem heiligen Hugo, Bischof von Grenoble, dem Freund des heiligen Bruno und Stifter der Großen Kartause, im Kartäuserorden besonders verehrt wird. Aus diesem Orden hervorgegangen, ist er auch als Bischof seiner Gesinnung nach und in seinen Lebensgewohnheiten stets Kartäuser geblieben.

 

Geboren im Jahr 1140 in der Dauphiné in Südfrankreich auf dem Schloss zu Avalon, hatte er das Glück Eltern zu besitzen, die mit dem Adel des Blutes einen feurigen Glauben und eine nicht gewöhnliche Tugend verbanden. Seine fromme Mutter, die ihn schon früh zu Werken der Nächstenliebe anleitete, wurde ihm im Alter von acht Jahren entrissen. Sein Vater aber trat, dem Zug seines Herzens folgend, mit seinem Sohn in das nahegelegene Kloster regulierter Kanoniker zu Villard-Benoit ein, wo er selbst das Ordensgewand nahm und den jungen Hugo einem älteren Geistlichen zur Erziehung übergab, der ihn gleichzeitig auf die Ablegung der Ordensgelübde vorbereiten sollte. Im Alter von fünfzehn Jahren konnte sich Hugo bereits dem höchsten Herrn weihen. Bald darauf wurde ihm die Pflege seines alten, erkrankten Vaters übertragen, der ihm wie ein zweiter Patriarch Isaak sterbend seinen väterlichen Segen spendete. Mit neunzehn Jahren Diakon geworden, durfte er in der Kirche der Kanoniker das Predigtamt ausüben und darnach die Verwaltung eines den Kanonikern gehörigen Priorats mit kleiner Pfarrei übernehmen. Zur Darbringung des heiligen Opfers und Spendung der heiligen Sakramente wurde ihm ein älterer Kanoniker zur Seite gegeben. Mit aller Wachsamkeit, Klugheit und Energie verwaltete Hugo dieses Amt. Bei einem Besuch in der unweit gelegenen Großen Kartause reifte in ihm jedoch der Entschluss, die Welt zu verlassen und sich ganz dem beschaulichen Leben zu widmen. Der Teufel wusste wohl, was für ein gefährlicher Gegner ihm in Hugo erstehen sollte, darum trat er mit ihm in einen furchtbaren Kampf, besonders auf Erregung der Sinnlichkeit, um ihm die Ruhe des Herzens zu rauben und die Einsamkeit missliebig zu machen. Hugo kämpfte dagegen mit den Waffen des Gebetes, der Tränen und der Abtötung, bis es Gott gefiel, ihn aus der Finsternis in das Licht seiner Tröstungen zu versetzen. Nach Ablauf eines Jahres konnte Hugo seine Ordensprofess als Kartäuser ablegen und wurde nun mit der Krankenpflege eines älteren Mitbruders beauftragt, der ihn auf die Priesterweihe vorbereitete und ihm mit prophetischen Worten verkündete, dass er an dem von Gott bestimmten Tag einmal Bischof werden würde. Indes verflossen zehn Jahre in aller Stille für unseren Heiligen, als ihm das Amt eines Prokurators oder Schaffner des Klosters übertragen wurde, das ihn zu seinem Bedauern der Einsamkeit und der Ruhe der Zelle entriss und ihn zwang, sich mit zeitlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Er bemühte sich trotzdem, auch diesem Amt durch eine seltene Klugheit und Sicherheit des Urteils gerecht zu werden. Bei seinen vielfachen Beschäftigungen hatte er sich doch so in der Gewalt, dass er sich nach Belieben in tiefe Sammlung versetzen konnte. Die ihn um Rat fragten, erhielten nicht bloß trefflichen Bescheid, sondern empfingen auch heilsame Belehrungen und Ermahnungen für ihr Seelenheil. Besondere Vorliebe zeigte er für die Armen, denen er mit Freuden an der Klosterpforte die Almosen ausspenden konnte. Nach sieben Jahren etwa kamen neue, noch schwerere Versuchungen über Hugo, die so heftig waren, dass er meinte, daran sterben zu müssen. Sein Vertrauen auf Gottes Beistand verließ ihn indes nicht. Er vervielfältigte seine Gebete, seine Beichten, seine Bußübungen, bis ihm eines Nachts, da er sich auf den Boden hingeworfen hatte und nach flehentlichem Gebet um Befreiung von seinem Leiden in einen leichten Schlummer gefallen war, der eben verstorbene Prior der Kartause erschien, der ihm seinen Beistand versprach. Als sich Hugo vom Boden erhob, fand er sich wunderbar geheilt und hatte auch später nie mehr Versuchungen in gleicher Heftigkeit zu leiden.

 

Gott hatte ihn geprüft und in der Prüfung bewährt gefunden. So war er denn würdig, den ihm von der Vorsehung bestimmten hohen Posten einzunehmen. Wenige Tage später kamen Gesandte aus England mit Briefen Heinrichs II., worin Hugo zum Prior der Kartause von Witham erbeten wurde, die von dem König zur Sühne für die Ermordung des heiligen Thomas von Canterbury gestiftet worden war.

 

Als Prior war Hugo ein Muster für die ihm untergebenen Religiosen, sowohl in der treuen Beobachtung der Ordensregel als ganz besonders im Gebetsleben. Wie sehr er nämlich dem Gebet ergeben war, konnte nichts besser offenbaren als das oft wiederholte „Amen“, das man ihn sogar im Schlaf sprechen hörte. Der Ruf des tugendhaften Priors von Witham verbreitete sich in ganz England. Viele holten sich Rat und Trost bei ihm. Auch der König erkannte den Wert des vorzüglichen Mannes und nahm ihn mit Vorliebe zu seinem Ratgeber. Hugo benützte seine Stellung, um mit aller Klugheit, aber auch mit vollem Freimut gegenüber den Übergriffen der königlichen Gewalt für die Rechte und Freiheiten der Kirchen und Klöster einzutreten, wie er es auch später in gleicher Weise bei dem Nachfolger und Sohn Heinrichs II., Richard Löwenherz, tat. Der König legte den größten Wert auf die Gebete des frommen Priors. Dass er mit Recht ein starkes Vertrauen auf dessen Fürbitte haben durfte, erfuhr er in einem schrecklichen Schneesturm auf der Fahrt von der Normandie nach England, wo er mit den übrigen Passagieren gerettet wurde, als er sich im Gebet an Gott wandte mit der Berufung auf die Verdienste und die Fürsprache des Priors von Witham.

 

Doch es war Gottes Wille, dass sich Hugos Tugenden in einer noch höheren Stellung in ihrem vollen Glanz entfalten sollten. Es wurde ihm der Bischofssitz von Lincoln angeboten, den Hugo jedoch erst unter Gehorsam gegen den Generaloberen annahm. Sehr bald nach seiner Inthronisation sah man einen Schwan von ungewöhnlicher Größe in einem der bischöflichen Landgüter, der eine merkwürdige Zutraulichkeit zum heiligen Hugo zeigte, indem er sich greifen und in das Zimmer des Bischofs führen ließ, wo er sich an ihn schmiegte, Bissen Brotes aus seiner Hand nahm, sich von ihm streicheln ließ, zuweilen den Kopf und den langen Hals in die weiten Ärmel des Heiligen steckte, ja sogar den Wächter an seinem Bett machte, wo er niemand vorübergehen ließ, ohne dass er sich dagegen sträubte oder heftige Schreie ausstieß. So oft der Bischof auf dieser Besitzung erschien, zeigte es der Schwan zuvor durch sein lebhaftes Benehmen und seine Schreie an und bekundete eine große Freude, sobald er die Stimme seines Herrn hörte, folgte ihm in das Haus, stieg mit ihm die Treppe hinauf und legte sich in dem Zimmer nieder, wo ihn nur Gewalt verjagen konnte. Bei der letzten Anwesenheit des Bischofs ließ er sich nicht zu ihm führen, sondern blieb traurig und verdrießlich in seinem Teich. Als man ihn nach drei Tagen endlich ergriffen und in das Zimmer des Bischofs gebracht hatte, ließ er den Kopf hängen und gab nur Zeichen der Niedergeschlagenheit und Betrübnis. Es war, als ob das unvernünftige Tier durch den Erweis seines Kummers dem geliebten Meister seinen Abschiedsgruß habe zurufen wollen. Sechs Monate später war der heilige Hugo nicht mehr unter den Lebenden auf Erden. Die Zeitgenossen erblickten in dem Schwan ein Sinnbild seines Lebens und seines Todes. Die weiße Farbe bedeutete die Reinheit seiner Seele, der Schwanengesang die Ruhe seines Todes.

 

Hugo richtete als Bischof zunächst sein Hauptaugenmerk auf die Heiligung seines Klerus: Wissenschaft und Frömmigkeit sollten die Priester seiner Diözese zieren. Die Anstrengungen des bischöflichen Amtes konnten ihn trotz häufiger Magen- und Seitenschmerzen, den Folgen seines strengen Fastens, nicht hindern, gewissenhaft allen Verpflichtungen nachzukommen. So groß seine Güte gegenüber den Armen und Untergebenen sonst war, so wusste er doch auch in aller Strenge von seinem Hirtenamt Gebrauch zu machen, wo man versuchte, die kirchlichen Rechte zu schmälern. Wenn es nicht anders möglich war, sprach er die Exkommunikation über solche Schuldige aus und der Himmel bestätigte das Urteil, indem nicht selten ein plötzlicher Tod diese überraschte oder heftige, körperliche Schmerzen sie heimsuchten.

 

Eine besondere Vorliebe zeigte der heilige Bischof indes für die kleinen Kinder, deren Taufunschuld und reine Blicke ihn anzogen und trösteten. Die Kinder wiederum empfanden eine lebhafte Zuneigung zu dem heiligen Bischof, näherten sich ihm ohne Scheu und fingen sogleich an, mit ihm zu spielen. Mehrere Wunderheilungen an kranken Kindern bezeugten, wie wohlgefällig Gott die Fürsprache des Freundes der Kinder war. Eine andere Klasse von Menschen, nämlich die Aussätzigen, waren der Gegenstand der zärtlichsten Liebe und Fürsorge unseres Heiligen, der in ihnen das Abbild des Erlösers sah, der nach den Worten des Propheten Jesaja im Tod „wie ein Aussätziger“ sich zeigte. Er gab ihnen Almosen, tröstete sie mit liebreichen Worten, umarmte und küsste sie. Endlich war es ihm ein unabweisbares Bedürfnis, aus seiner Liebe für die armen Seelen hervorgehend, das Begräbnis der Toten mit den kirchlichen Zeremonien an den Orten zu besorgen, wo er sich gerade aufhielt und es ermüdete ihn nicht, mehrere Begräbnisse nacheinander vorzunehmen. Um dieser Liebespflicht nachzukommen, scheute er es nicht, selbst den König Heinrich, der ihn zu Tisch geladen hatte, auf sich warten zu lassen. „Es ist besser,“ sagte er, „einen irdischen König ohne uns speisen zu lassen, als das Gebot des Königs der Ewigkeit zu übertreten.“ Bei aller äußeren Tätigkeit blieb ihm die Sehnsucht nach dem Klosterleben, dem er gegen seinen Willen entrissen worden war. Jedes Jahr zog er sich mehrere Monate in die Einsamkeit der Kartause zu Witham zurück, wo er in allem wie ein einfacher Ordensmann sich verhielt. Sein Ordensgewand behielt er auch als Bischof bei und seine beständige Geistessammlung, die er auch auf der Reise beobachtete, kennzeichnete ihn als Sohn der Einsamkeit. Er wollte eben ein Kartäuser bleiben, ein Kartäuserbischof sein. Wie sehr er ein Geistesmann war, offenbarte die Erscheinung des göttlichen Heilandes als Kind bei einer heiligen Messe. Diese Erscheinung war einem jungen Geistlichen als Zeichen der Wahrheit eines göttlichen Auftrages an den Heiligen gegeben worden.

 

Als Vertreter des Königs beim Friedensschluss zwischen England und Frankreich zu Andelys am 22. Mai 1200 war es ihm vergönnt, vor seiner letzten Krankheit noch einmal das Land seiner Geburt und die ihm so teuren Stätten seiner Jugendzeit zu besuchen. Nach seiner Rückkehr musste er sich in seinem Haus zu London fieberkrank niederlegen. Zwei Monate hindurch konnte er sich auf den Tod vorbereiten, wie es nur ein Heiliger tun kann. In der Oktav des heiligen Martin, am 16. November, als man abends die kirchliche Tagzeit der Komplet betete, ließ er sich auf den Boden auf von ihm selbst geweihte Asche legen und beim Beginn des Canticums „Nunc dimittis“ („Nun lässt du, Herr, deinen Diener in Frieden scheiden“) ging seine reine Seele hinüber in die glorreiche Ewigkeit. Er hatte ein Alter von sechzig Jahren erreicht. Die Übertragung seiner Leiche von London nach Lincoln glich einem wahren Triumphzug. Unterwegs und an seinem Sarg geschahen mehrere außerordentliche Krankenheilungen. Großartig gestaltete sich das Begräbnis, dem zwei Könige, Wilhelm von Schottland und Johann-ohne-Land von England, beiwohnten, die abwechselnd mit den Vornehmsten des Gefolges es sich als Ehre anrechneten, den heiligen Leib in die Kathedrale zu tragen. Zahlreiche Wunder am Grab des Heiligen führten schon zwanzig Jahre später unter Honorius III. seine Heiligsprechung herbei. Im sechzehnten Jahrhundert unter dem tyrannischen Reformator Heinrich VIII. wurden seine Gebeine zerstreut. Sein Name blieb trotzdem im anglikanischen Kalender bis auf den heutigen Tag. Sein Andenken ist in Verehrung selbst bei denen, die seinen Glauben nicht teilen, denn unser Kartäuserbischof galt stets als einer der großen Männer Englands.

 

„Tue zu jeder Zeit und an jedem Ort, was du tun musst, und tue es mit möglichster Vollkommenheit. - Liebe im Herzen, Wahrheit auf den Lippen, Reinheit im Körper; ohne diese Bedingungen verdienen wir nicht unseren schönen Namen, sind wir nicht Christen.“ (Heiliger Hugo)