Der Name Oliver Plunket bildet den glorreichen Schluss einer langen Liste von Martyrern, ursprünglich 353, jetzt 315, die in England seit der Glaubensspaltung ihr Leben für die wahre Kirche hingaben und vom apostolischen Stuhl als „ehrwürdig“ und „selig“ anerkannt worden sind. Erst im Mai 1920 wurde dem ehrwürdigen Primas von Irland die Ehre des „Seligen“ zuerkannt. Die Seligsprechung fand am 23. Mai 1920 durch Papst Benedikt XV. statt. Papst Paul VI. bestimmte ihn am 12. Oktober 1975 zum Heiligen der katholischen Kirche.
Oliver Plunket, geboren 1629, entstammt einer hochangesehenen, mit den edelsten Geschlechtern verbundenen Familie Irlands. Einer Neigung zum geistlichen Stand folgend, ging er mit 16. Jahren zur Fortsetzung seiner Studien nach Rom und blieb daselbst 25 Jahre als Professor der Gottesgelehrtheit. Groß war der Ruf seiner Tugend und Wissenschaft. Daher übertrug ihm der Papst 1669 den erledigten erzbischöflichen Sitz von Armagh. Nur ein ganz apostolischer Mann, der nichts Irdisches suchte, dem nur Übernatürliches als begehrenswert galt, konnte eine so gefahrvolle Stellung wie die eines Primas von Irland auf sich nehmen. Bei der damaligen Verfolgung der Katholiken in England durch den nichtswürdigen, hasserfüllten Staatsmann Shaftesbury musste sein Leben in ständiger Todesgefahr schweben. Die äußerste Armut war der Anteil seiner Kirche. Aber mutig ergriff der Auserwählte den ihm anvertrauten Hirtenstab und führte ihn eines Nachfolgers der Apostel und eines Heiligen würdig.
Mit größter Aufopferung arbeitete Plunket für seine Herde, visitierte die Sprengel, besuchte auch die Missionen in Schottland und hielt ein Nationalkonzil für die Oberhirten Irlands ab. Ein Hauptaugenmerk widmete der seeleneifrige Erzbischof der Reinheit und Heiligkeit des priesterlichen Standes und bot Liebe und Strenge auf, um unwürdige Glieder wieder zur Pflicht zurückzuführen. Der Hass einiger dieser Unseligen sollte ihm zur Marterkrone verhelfen.
Im Jahr 1673 hatte das englische Parlament auch für Irland die Verbannung aller Bischöfe, Generalvikare, Äbte und die Unterdrückung aller Klöster, Seminare und katholischen Schulen verfügt. Als der Vizekönig von Irland eine scharfe Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes erließ, flüchtete der Erzbischof von Armagh in Begleitung eines bischöflichen Mitbruders. Bei schneidendem Wind, unter Schnee und dichtem Hagel waren sie oft in Gefahr, den Weg zu verlieren und in den Schluchten im Schnee umzukommen. Ein armer Edelmann nahm sie auf, konnte ihnen aber der Sicherheit halber nur eine Dachstube ohne Ofen anbieten, durch deren schadhaftes Dach Wind und Wetter die Insassen belästigten. Die Nahrung bestand in Haferbrot und Milch. „Trotzdem,“ so schrieb der edle Dulder in einem Brief, „würden wir eher vor Kälte und Hunger sterben, als unsere Herde verlassen; denn eine Schmach wäre es, wenn geistliche Krieger, die zu Rom ausgebildet wurden, zu Mietlingen herabsinken würden.“ Als er es wagte, nach Dublin zu kommen, um einem greisen Bischof, einem Anverwandten, in der letzten Krankheit beizustehen, wurde er aufgespürt und im Schloss eingekerkert. Ein halbes Jahr blieb der Heilige eingesperrt, da eine Klage auf Hochverrat nicht aufgestellt werden konnte. Endlich fanden sich falsche Zeugen, zwei abgefallene Franziskaner, die als unverbesserlich aus dem Kloster hatten gestoßen werden müssen und ein übelbeleumdeter, suspendierter Weltpriester. Doch schenkte man ihnen bei keinem irdischen Gericht Glauben. Da ließ Shaftesbury den Erzbischof und die sauberen Zeugen nach London kommen, wo sich immer wieder gewissenlose, wohldienerische Richter fanden, die kirchlich treue Katholiken als Hochverräter dem Galgen überlieferten.
Seit Ende Oktober 1680 war der heilige Martyrer den Leiden einer überaus strengen Kerkerhaft in London preisgegeben und von jedem Verkehr mit Freunden abgeschlossen. Um die hohen Gerichtskosten zu bestreiten, hatte er schon einen Teil seiner Habe verpfändet, sogar Kelch und Kreuz. Nicht einmal Feder und Papier wurden ihm gelassen. Nur heimlich konnte er und musste er um Almosen bitten. Selbst die Fürsprache des spanischen und französischen Gesandten waren erfolglos. Die Anklage war abgeschmackt, lächerlich. Sollte doch der Erzbischof seinem armen Klerus eine Steuer auferlegt haben, um ein Heer von 70.000 Mann zu besolden, und eine französische Landung vorbereitet haben. In England war man seit Jahren die plumpsten Verleumdungen gewohnt. Gegenzeugen zu bringen, wurde dem Angeklagten die nötige Frist verweigert. Die Geschworenen sprachen das „Schuldig“ über den wehrlosen Mann, der es mit einem herzlichen „Deo gratias“ begrüßte. Wie schamlos niederträchtig damals die englische Rechtspflege war, beleuchtet grell der Umstand, dass man sogar dem Primas von Irland, einem so heiligen Bischof, das Angebot zu machen wagte, er solle durch falsches Zeugnis und Anklage anderer sich die Begnadigung einhandeln. Mit Entrüstung stellte der Angeklagte eine derartige Banditenmoral offen vor Gericht bloß, indem er beteuerte, dass er leicht sein Leben hätte retten können, wenn er ein Mann ohne Grundsätze wäre. Lieber wollte er aber zehntausendmal sterben, als einem Menschen unrechtmäßig einen Heller von seinem Gut, einen Tag seiner Freiheit oder eine Minute seines Lebens wegnehmen.
Der leichtlebige, schwächliche und die protestantische Partei fürchtende König Karl II. bestätigte auch dieses Todesurteil, das in seiner ganzen entsetzlichen Form einen Kirchenfürsten treffen sollte, von dessen Unschuld er überzeugt sein musste. Der starkmütige Diener Gottes aber sagte dem mit ihm eingekerkerten Benediktinerpater Corker wiederholt, dass er den Tod nicht fürchte. Vor dem obersten Richter jenes Gerichtshofes, wo falschen Zeugen der Zugang verwehrt sei, habe er sich wegen vieler Sünden zu verantworten, was aber die irdische Richterbank angehe, wisse er sich keines der ihm vorgeworfenen Verbrechen schuldig. Pater Corker erzählt, wie bewundernswürdig der Verurteilte sich auf den Tod vorbereitete, und mit welch heiliger Ruhe er ihm entgegenging. Als man ihn zur Hinrichtung führte, am 1. Juli 1681, wandte sich der „Gefangene im Herrn“ ringsum nach den Kerkerfenstern und gab den mitgefangenen Katholiken fröhlichen Blickes und mit erhobenen Händen seinen Segen. Den Gnadensegen aus geweihten Händen kann keine irdische Macht binden.
Angesichts des Galgens widerlegte der ehrwürdige Primas vor unabsehbaren Scharen in einer meisterhaften Rede nochmals schlagend alle Punkte der Anklage, so dass auch die Gegner den Heldenmut und die Unschuld des angeblichen Hochverräters erkannten und als Ursache seiner Hinrichtung seinen Stand und die geistliche Tätigkeit zugeben mussten. Um das Ärgernis gutzumachen, das die anglikanischen Zuhörer an dem falschen Zeugnis der unglücklichen Abtrünnigen nehmen möchten, sagte er ihnen: „Diese Handlung fällt nur den betreffenden Personen zur Last und wirft kein schlechtes Licht weder auf den Orden des heiligen Franziskus noch auf die römisch-katholische Geistlichkeit. Es ist euch wohlbekannt, dass unter den zwölf Aposteln ein Judas Iskariot und ein Gottloser, namens Nikolaus, unter den sieben Diakonen war. Und so wie einer der genannten Diakone, nämlich der heilige Stephanus, für seine Mörder betete, so bete auch ich für jene, die mein unschuldiges Blut durch Meineid vergießen, sprechend: „Herr, rechne es ihnen nicht zur Sünde an!“ Von Herzen verzeihe ich ihnen sowie den Richtern, die mir die nötige Frist zur Beibringung meiner Beweismittel und Zeugen aus Irland nicht gewährten und so mein Leben augenscheinlicher Gefahr aussetzten.“ Schließlich bat der fromme Seelenhirte seinerseits alle um Verzeihung, die er jemals beleidigt hatte, wünschte dem König und seiner Familie irdisches Glück und die ewige Seligkeit, flehte dann durch die Verdienste Jesu Christi und die Fürsprache seiner heiligen Mutter und der Engel um die Verzeihung seiner Sünden und die ewige Ruhe. Mit Andacht betete er den Psalm Miserere und, seine Seele in die Hände des Heilandes befehlend, ging er nach kurzem Kampf zur ewigen Glorie ein.
So starb der letzte Blutzeuge auf englischem Boden. Seine Reliquien wurden später durch Pater Corker nach Deutschland ins Benediktinerkloster Lambspringe, Diözese Hildesheim, gebracht, wo Corker in der Folge Abt wurde. Erst 1883 wurden die Gebeine des „berühmten Märtyrers“, wie ihn die Grabschrift nannte, wieder in die Heimat ins englische Benediktinerkloster Downside zurückgeführt.
Was der heilige Ambrosius so schön sagt: „Durch den Tod der Märtyrer ist die Religion verteidigt, der Glaube vermehrt, die Kirche gekräftigt worden. Die Getöteten sind die Sieger, die Verfolger die Besiegten“, das ging auch und geht gerade in unserer Zeit in der englischen Kirche herrlich in Erfüllung. Die Verfolger Shaftesbury und seine Helfer nahmen ein klägliches Ende. Dem König Karl aber bewirkte das Gebet der Märtyrer die Bekehrung auf dem Sterbebett. Nirgendwo ist heute eine so zahlreiche Rückkehr von Irrenden zur katholischen Kirche zu beobachten als in England, das so viele edle Glieder der Kirche dem Tod überantwortete.