Heilige Walburgis (Walburga), 1. Äbtissin von Neuenheerse bei Paderborn, + 4.3.880 – Fest: 4. März

 

Die heilige Walburgis, von der hier die Rede ist, ist nicht zu verwechseln mit der berühmten Gründerin des Klosters Heidenheim, der Schwester der heiligen Glaubensboten Willibald und Wunibald, deren Reliquien zu Eichstätt das wunderbare Walburgis-Öl ausschwitzen. Unsere Walburgis entstammte einer Adelsfamilie in Westfalen und war eine Schwester des seligen Luthard, des dritten Bischofs von Paderborn.

 

Schon in früher Jugend beschloss Walburgis, ihre Jungfräulichkeit Gott zu weihen und mit mehreren anderen Jungfrauen ganz dem Dienst Gottes zu obliegen. Zu diesem Zweck verwendete sie ihr reiches Erbgut, um zu Heerse, einige Meilen von Paderborn, ein Kloster nebst einer Kirche zu bauen. Ihr bischöflicher Bruder erwirkte ihr auf der Synode zu Worms die Genehmigung. So begann der Bau im Jahr 868. Nach Vollendung des Klosters wurde Walburgis zur Äbtissin gewählt, nicht so sehr, weil sie das Kloster gegründet hatte, vielmehr weil sie an Tugenden und Verdiensten alle übrigen Jungfrauen überragte. Ihr Bruder Luthard empfahl sie dem heiligen Rembert, dem Erzbischof von Bremen, mit dem sie in freundschaftlichem Briefwechsel stand, dessen Rates sie sich bediente und dessen heiligem Leben sie nachfolgte. Es ist uns noch ein Brief des heiligen Rembert an die heilige Walburgis und deren Genossenschaft erhalten, der als Muster einer schönen und kraftvollen Ermahnung hier folgen soll:

 

„Rembert, der geringe Knecht der Herde Gottes, seiner lieben Tochter Walburgis und den übrigen Jungfrauen und Bräuten Christi Heil im Herrn! Der Bruder Adelgar sagte mir nach seiner Rückkehr von euch, dass ihr betrübt seid, weil ihr so selten einen Brief von mir erhieltet. Um dieses wieder gut zu machen, glaubte ich euch nichts Besseres schreiben zu können, als dass ich euch ermahne, in eurem Streben nach Heiligkeit zu verharren. Wollet ihr zur höchsten Herrlichkeit gelangen, dann müsst ihr euren Leib und eure Seele durch jegliche Tugend vor dem Verderben schützen, die innere Reinheit pflegen und nähren und die äußere Keuschheit vor jedem Verderben bewahren. Wenn ihr dieses Geschenk durch die Gnade Gottes erlangt zu haben glaubt, dann müsst ihr, wie die Heilige Schrift ermahnt, euch in allem verdemütigen, und ihr werdet Gnade finden vor Gott. Auf diesem Wege werdet ihr zu Christus, eurem Herrn und Bräutigam gelangen, der selbst gesagt hat: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen.“ Hütet euren Geist vor aufgeblähtem Stolz, eure Gedanken fliegen nicht unbemerkt an Gottes Augen vorüber. Gott schaut ins Innere, was den Geist aufbläht, und er lässt es äußerlich hervortreten, damit er es ablege. Der Herr spricht durch den Propheten Hosea zu den Israeliten: „Der Geist der Unzucht ist mitten unter ihnen und sie haben ihn nicht erkannt.“ Und um zu zeigen, sagt der heilige Gregor, dass die Wollust im Hochmut wurzele, fügt er hinzu: „Und du wirst den Stolz Israels nicht ungestraft lassen.“ Er scheint sagen zu wollen: Die Schuld, die durch Überhebung des Geistes im Innern verborgen war, wird in der Begierlichkeit des Fleisches ans Tageslicht treten. Deshalb müsst ihr die Demut überwachen, um die Reinheit und Keuschheit bewahren zu können. Denn wenn der Geist sich vor Gott beugt, erhebt sich das Fleisch nicht sündhaft über den Geist. Dem Geist ist ja die Herrschaft über das Fleisch anvertraut, aber er muss in Unterwürfigkeit unter Gott sein Recht ausüben. Denn wenn er seinen Herrn stolz verachtet, dann kündigt ihm mit Recht das Fleisch den Krieg an. Daher kommt es, dass lange geübte Enthaltsamkeit plötzlich aufhört, daher die gewöhnliche Erscheinung, dass eine bis ins Alter bewahrte Jungfräulichkeit noch verletzt wird. Weil man die Demut des Herzens verlässt, so verachtet der gerechte Richter die Reinheit des Leibes und gibt zuweilen durch öffentliche Sünden die Verworfenheit derer zu erkennen, die er im Geheimen schon längst verworfen hat. Denn wer plötzlich ein lange bewahrtes Gut fortwirft, bewahrte in seinem Innern eine Bosheit, woraus jener böse Entschluss plötzlich hervorbrach, und durch sie war er auch da schon dem allmächtigen Gott fremd, als er noch durch Reinheit des Körpers mit ihm verbunden zu sein schien. – Dies, geliebte Töchter, habe ich nicht geschrieben, als ob ich etwas von Hochmut und eitlen Rühmen an euch wahrgenommen hätte, sondern weil ich wünsche, dass ihr zu jenen gehören möchtet, von denen geschrieben steht: „Sie folgen dem Lamm, wohin es geht.“ Wenn ich beklage, dass viele gefallen sind, so wünsche ich, dass ihr vorsichtig lebt und dass unser Herr und Bräutigam zu euch sagen möge: „Ganz schön bist du, meine Freundin, und keine Makel ist an dir.“ Folgt daher dem Lamm in seinen Geboten, auf dass ihr ihm auch folgen könnt im ewigen Leben, und singt das Lied, das niemand singen kann, als der Jungfrauenchor. Dies hat schon der heilige Augustinus auseinandergesetzt, indem er die Jungfrauen ermahnt: „Harrt aus, Gottes heilige Söhne und Töchter, Mütter und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen, harrt aus bis ans Ende. Lobt lieblicher den Herrn, an den ihr öfters denkt; hofft umso glücklicher auf ihn, je eifriger ihr ihm dient; liebt ihn umso glühender, je mehr ihr ihm zu gefallen sucht! Die Lenden umgürtet, die brennenden Lampen in den Händen, erwartet den Bräutigam, wenn er zur Hochzeit kommt!“ Wenn ihr mit eingeht zur Hochzeit des Lammes, dann werdet ihr zum Klang der Zither ein neues Lied singen, das niemand singen kann, als ihr. So schaute es in der Geheimen Offenbarung der Jünger, der geliebt war vom Lamm, der auch an der Brust des Herrn ruhen durfte. Auch euch schaut er in der Schar der zwölfmal zwölftausend Jungfrauen, die unbefleckt an Leib und Seele die Harfe spielten vor dem Herrn. Folgt dem Lamm, dem jungfräulichen! Folgt dem Lamm, wohin es auch gehe, in Jungfräulichkeit des Herzens und Fleisches! Was ist Folgen anders, als Nachahmen? Petrus sagt: „Christus hat für uns gelitten und uns ein Beispiel gegeben, auf dass ihr seinen Fußspuren folgt.“

 

Der heilige Bischof Rembert scheint noch mehrere derartige Briefe an Walburgis geschrieben zu haben, aber durch die Ungunst der Zeit sind sie nicht erhalten geblieben. Alle Lehren und Ermahnungen ihres Seelenführers prägte die heilige Äbtissin ihrem Gemüt und ihrem Leben so tief ein, dass sie der heilige Bischof seine liebe Tochter zu nennen pflegte.

 

Die heilige Walburgis starb in ihrem Kloster Neuenheerse am 4. März 880 gottselig im Herrn. Noch heute sieht man ihr Grab in einer Seitenkapelle der dortigen Kirche.