Graf Ansfried von Brabant war ein tapferer Degen, was nicht bloß die auswärtigen Feinde des Vaterlandes, sondern auch ganz besonders die zahlreichen Räuberbanden fühlen mussten, die damals die Niederlande beunruhigten, und die er in ihren Schlupfwinkeln aufsuchte und aus dem Land verjagte, oder zur gerechten Strafe zog. Er war auch ein Mann des Rates und von hoher Weisheit. Nichts von Wichtigkeit wurde entschieden, ohne dass der Graf zu Rate gezogen wurde. Der Kaiser, Heinrich II., schätzte und liebte ihn, und bediente sich seiner Erfahrung und Klugheit in den Reichsgeschäften sowohl, als auch in Privatangelegenheiten. Seine Gerechtigkeitsliebe, seine Tatkraft wurde allgemein anerkannt, und er von allen Gutdenkenden hoch geachtet, von den Schlechten gefürchtet. Dabei war das Herz dieses Mannes von den innigsten Gefühlen der Frömmigkeit durchdrungen, und sie gab sich in allen seinen äußerlichen Handlungen und in seiner ganzen Lebensweise kund. Die Zeit, die er den weltlichen Geschäften entziehen konnte, widmete er dem Gebet und frommer Lesung. Er wurde dadurch mit dem Inhalt der heiligen Schriften so vertraut, dass er auch die gewöhnlichen Gespräche mit Beispielen und Aussprüchen derselben würzte. Sein Leben glich zu Zeiten, wo er nicht im Feld war oder öffentliche Angelegenheiten zu schlichten hatte, dem eines Mönches. Dieser ernste Mann hatte in seinem Herzen die zärtliche Liebe eines Kindes zu Maria. Seine Ergebenheit der heiligen Jungfrau gegenüber und sein Vertrauen in ihren mächtigen Schutz gab er unter anderem öffentlich bei folgender Gelegenheit zu erkennen.
Ein Bote war ins Lager des Kaisers, wo sich auch Aufried befand, gekommen mit der Nachricht vom Tod Balduins, des Bischofs von Utrecht. Der Kaiser führte, nachdem er einige Zeit nachgedacht hatte, Aufried beiseite und drang in ihn, da er seine Frömmigkeit und nicht gewöhnlichen Kenntnisse so gut wie seine Tapferkeit kannte, sich die heiligen Weihen geben zu lassen und den erledigten bischöflichen Stuhl einzunehmen. Der Graf machte alle Einwendungen, die ihm seine Demut eingaben. Da er aber sah, dass der Kaiser auf seinem Ansinnen beharrte und alles anwenden würde, es durchzusetzen, bat er für den Augenblick nur, sich mit seinen Freunden beraten zu dürfen, um so sicherer nach dem Willen Gottes handeln zu können. Er glaubte wohl auch, auf diese Weise sich dem Antrag seines Kaisers entziehen zu können, ohne ihn zu beleidigen. Aber die Freunde hielten es dem Willen Gottes gemäß, dass er sich den Wünschen des Kaisers füge, und so unterwarf er sich denn. Als er sich vor ihm erklärt, und der Kaiser mit Freude seine Bereitwilligkeit vernommen hatte, gürtete der tapfere Kriegsmann sein Schwert von den Lenden, legte es auf den Muttergottes-Altar und sprach mit bewegter Stimme: „Bisher habe ich dieses Zeichen irdischer Ehre und Macht getragen und es gebraucht, die Armen und Witwen zu schützen, nun übergebe ich selbes und übertrage mit ihm diesen Schutz meiner Herrin und Frau, der heiligen Jungfrau Maria, durch deren Verdienst und Fürbitte ich das Heil meiner Seele erlangen möge!“ Alle Anwesenden waren zu Tränen gerührt. Und so vertauschte denn dieser Streiter Mariens das Schwert mit dem Hirtenstab, den Helm mit der Infel (Mitra), und bekämpfte mit Gebet und Bußübungen gefährlichere Feinde, als er ehedem mit Schwert und Lanze bekämpft hatte. Seine reichen Besitzungen verwendete er zur Unterstützung der Armen und zur Gründung und Verbesserung gottseliger Stiftungen. Der Herr, der für seine Lieblinge das Ehrengeschenk der Leiden aufbewahrt und sie vor ihrem Hingang in die ewige Heimat auch von den Makeln zu reinigen sucht, von denen in diesem Tal der Verbannung auch die Tugend nicht gänzlich frei bleibt, ließ den frommen Bischof das Augenlicht verlieren. Er zog sich in die Einsamkeit zurück, nahm das Ordenskleid des heiligen Benedikt, und endete sein gottseliges Leben auf dem Frauenberg (Heiligenberg), nicht weit von der Stadt Amersford, wo er zu Ehren der heiligen Jungfrau ein Benediktiner-Kloster gestiftet hatte. Sein Andenken fällt auf den heutigen Tag.