Heilige Agathonice (Agathonika), Martyrin zu Thyatira, + 13.4.251 - Fest: 12. April

Saint Chryssi, Saints Papylus, Agathodorus, Carpus and Saint Agathonike

 

Viele hundert Jahre lang waren die uralten, echten Marterakten dieser Heiligen verschollen; da zog ein Gelehrter (Aubé) im Jahre 1881 sie ans Licht. Seitdem beschäftigte sich die Wissenschaft mehrfach eingehend mit ihnen, denn sie sind als ein kostbares Denkmal aus der Feder eines christlichen Augen- und Ohrenzeugen geflossen. Die eigenartige Originalität, die ganz ergreifende Schlichtheit des Ausdruckes und die mitunter fast rätselhafte Knappheit der Schilderung verbürgen den höchstmöglichen Grad geschichtlicher Treue. Sie sollen hier der Hauptsache nach erstmals auch in einer Heiligenlegende der Erbauung des christlichen Volkes dienen.

 

Vorausgeschickt sei noch, dass Karpus wahrscheinlich Bischof von Thyatira. Papylus Diakon und Agathonice eine Christin und Mutter eines unmündigen Sohnes war. Erstere wurden nach standhaftem Bekenntnis zum Feuertod verurteilt; Agathonice, von der Gnade Gottes angeregt, schloss sich ihnen freiwillig an. Schauplatz des Martertums war die Stadt Pergamum in Kleinasien, und zwar zur Zeit des römischen Kaisers Decius oder Marc Aurels.

 

Als der Prokonsul (von Asien) zu Pergamum weilte, wurden ihm die seligen Märtyrer Christi Karpus und Papylus vorgeführt. Nachdem er sich niedergesetzt hatte, sagte er: „Wie heißt du?“

 

Der Selige antwortete: „Mein erster und bester Name ist Christ; fragst du aber nach meinem Namen in der Welt, so heiße ich Karpus“.

 

Der Prokonsul erklärte: „Die Befehle der Kaiser sind dir bekannt, dass man die allwaltenden Götter verehren soll; darum rate ich euch, hinzuzutreten und zu opfern“.

 

Karpus entgegnete: „Ich bin Christ und verehre Christus, den Sohn Gottes, der in den letzten Zeiten zu unserem Heil gekommen ist und uns von dem Trug des Teufels befreit hat; diesen Götzenbildern da aber opfere ich nicht. Tu, was du willst; denn mir ist es unmöglich, den Truggestalten der Dämonen zu opfern; sind doch jene, die diesen Göttern opfern, ihnen gleich. Wie nämlich die wahren Verehrer – nach der göttlichen Erzählung des Herrn jene, die Gott im Geiste und in der Wahrheit anbeten (Joh 4,23) – der Herrlichkeit Gottes ähnlich werden und mit ihm unsterblich sind, teilhaftig des ewigen Lebens durch Christus, so werden auch jene, die diesen Götzen dienen, ähnlich der Eitelkeit der Dämonen und gehen mit ihnen in der Hölle unter. Sie teilen die gerechte Strafe mit jenem, der den Menschen, das auserwählte Geschöpf Gottes, hintergangen hat, ich meine den Teufel, der in seiner Schlechtigkeit den Menschen beneidet hat. Darum wisse, Prokonsul, dass ich diesen nicht opfere.“

 

Der Prokonsul aber sprach zornig: „Opfert den Göttern und seid vernünftig!“

 

Karpus entgegnete lächelnd: „Götter, die den Himmel und die Erde nicht geschaffen haben, mögen zugrunde gehen!“

 

Der Prokonsul sprach: „Du musst opfern, denn der Kaiser hat es befohlen.“

 

Karpus antwortete: „Die Lebenden opfern nicht den Toten!“

 

Der Prokonsul sprach: „Die Götter hältst du für tot?“

 

Karpus entgegnete: „Willst du hören? Sie haben nicht einmal als Menschen gelebt, um zu sterben. Willst du sehen, dass das wahr ist? Entzieh ihnen deine Ehre, die du ihnen zu erweisen scheinst, und du wirst erkennen, dass sie nichts sind; Erdstoff sind sie und gehen mit der Zeit unter. Unser Gott nämlich, der zeitlos ist und die Zeit geschaffen hat, bleibt selbst immer unvergänglich und ewig; er ist immer derselbe und leidet keinen Zugang noch Abgang; jene aber werden von Menschen gemacht und, wie ich sagte, von der Zeit vernichtet...“

 

Der Prokonsul sprach: „Indem ich dich viel Törichtes reden ließ, habe ich dich zur Schmähung der Götter und Kaiser verleitet. Damit du aber darin nicht weiter gehest, gebiete ich dir jetzt zu opfern“.

 

Karpus entgegnete: „Ich kann nicht opfern; denn niemals habe ich Götzen geopfert“.

 

Sofort ließ er ihn danach aufhängen und ihm mit Krallen die Haut aufreißen; Karpus aber rief in einem fort: „Ich bin Christ!“ Nachdem er lange zerfleischt worden war, verlor er seine Kräfte und konnte nicht mehr reden.

 

Der Prokonsul wandte sich von Karpus weg zu Papylus und sprach zu ihm: „Bist du ein Ratsherr?“

 

Der Entgegnete: „Ich bin ein Bürger“.

 

Der Prokonsul sprach: „Welcher Stadt?“

 

Papylus antwortete: „Von Thyatira“.

 

Der Prokonsul fragte: „Hast du Kinder?“

 

Papylus antwortete: „Sogar viele um Gottes willen“.

 

Einer aus der umstehenden Menge rief: „Nach seinem Christenglauben sagt er, dass er Kinder habe“.

 

Der Prokonsul sagte: „Warum lügst du und sagst, du habest Kinder?“

 

Papylus entgegnete: „Willst du sehen, dass ich nicht lüge, sondern die Wahrheit sage? In jeder Provinz und Stadt habe ich Kinder in Gott“.

 

Der Prokonsul sagte: „Opferst du, oder was sagst du?“

 

Papylus entgegnete: „Von Jugend an diene ich Gott und habe nie Götzen geopfert, sondern ich bin Christ, und mehr als dies kannst du von mir nicht erfahren; denn nichts Größeres und Schöneres als dies könnte ich sagen“.

 

Auch Papylus wurde aufgehängt und mit drei Paaren eiserner Krallen zerfleischt; aber er gab keinen Laut von sich und ließ wie ein großmütiger Kämpfer den Zorn des Widersachers über sich ergehen.

 

Als der Prokonsul ihre außerordentliche Standhaftigkeit sah, befahl er, sie lebendig zu verbrennen. Beschleunigten Schrittes traten die beiden in das Amphitheater ein, um baldigst von dieser Welt befreit zu werden. Zuerst wurde Papylus mit Nägeln an den Pfahl festgemacht und gab, als das Feuer angelegt war, ruhig betend seinen Geist auf. Nach diesem wurde Karpus angenagelt und lächelte. Die Umstehenden sprachen erstaunt zu ihm: „warum lächelst du?“

 

Der Selige antwortete: „Ich sah die Herrlichkeit des Herrn und freute mich; zugleich aber wurde ich euch los und habe keinen Teil an eurem Unglück“.

 

Als aber der Soldat die Holzstücke aufschichtete und anzünden wollte, sagte der heilige Karpus, während er dahinging: „Wir sind von derselben Mutter Eva geboren worden und haben dasselbe Fleisch, aber hinblickend auf das untrügliche Gericht erdulden wir alles“.

 

Als er dies gesagt hatte und das Feuer brannte, , betete er und sprach: „Gepriesen seist du, Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, dass du auch mich Sünder deines Besitzes gewürdigt hast“.

 

Nach diesen Worten gab er seinen Geist auf.

 

Eine gewisse Agathonice aber stand dabei und sah die Herrlichkeit des Herrn, die Karpus gesehen zu haben erklärte. Sie erkannte darin den himmlischen Ruf und erhob sofort ihre Stimme: „Das Mahl, das ich geschaut habe, ist bereitet; ich muss also kosten und essen von dem himmlischen Mahl“.

 

Das Volk aber rief: „Erbarme dich deines Sohnes!“

 

Die selige Agathonice antwortete: „Er hat Gott, der sich seiner annehmen kann, den, der für alles sorgt; aber ich, was stehe ich hier?“

 

Sie zog ihre Kleider aus und ließ sich frohlockend an das Holz nageln. Die Dabeistehenden aber sprachen unter Tränen: „Ein grausamer Urteilsspruch und ungerechte Befehle!“

 

Als sie aufgerichtet und vom Feuer erfasst war, rief sie dreimal: „Herr! Herr! Herr, hilf mir, denn zu dir habe ich mich geflüchtet!“ Und so gab sie ihren Geist auf und wurde mit den Heiligen vollendet.

 

Ihre Überreste aber trugen die Christen heimlich davon und hüteten sie zur Ehre Christi und zum Ruhm seiner Märtyrer; denn ihm gebührt Ruhm und Macht und Ehre, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.