Heiliger Andreas Kim, erster koreanischer Priester, Martyrer, + 16.9.1846 – Fest: 16. September

 

Der Name Kim spielt in der koreanischen Kirchengeschichte eine große Rolle. Im Seligsprechungsdekret vom 5. Juli 1925 kommt er nicht weniger als zwölfmal vor. Noch größer ist die Zahl der Träger dieses Namens, die ihr Leben für den heiligen Glauben hingegeben haben. In dem erwähnten Dekret steht Andreas Kim, der erste koreanische Priester an der Spitze der koreanischen Martyrer. Später folgt dann sein Vater Ignatius Kim und die übrigen Verwandten.

 

Was wir aus der Jugendzeit unseres Andreas wissen, ist herzlich wenig. Er war 1821 in der Provinz Tschung-Tschöng-Do geboren und wurde von P. Maubant im Jahr 1836 mit noch zwei anderen Jungen nach Macao gesandt, um dort zum Priester herangebildet zu werden. Andreas machte sowohl in der Tugend wie in den Wissenschaften rasche Fortschritte. Eben hatte er sein theologisches Studium begonnen, als er gegen Ende des englisch-chinesischen Krieges im Jahr 1842 dem französischen Admiral Cecile von seinen Obern als Dolmetscher beigegeben wurde. So glaubte man hoffen zu dürfen, dass Kim wieder ungehindert nach Korea zurückkommen könne, um dem neuen Bischof Ferreol, der an Stelle des 1839 gemarterten Bischofs Imbert zum Apostolischen Vikar ernannt worden war, und einem europäischen Priester den Weg dorthin zu bahnen.

 

Korea führte lange Zeit den Namen „Das verschlossene Land“. Es war noch bis 1883 den Fremden unter Todesstrafe verboten, in das Land einzudringen. Ebenso war es auch den Koreanern verboten ohne besondere Erlaubnis des Königs außer Landes zu gehen. Alle Grenzübertrittsstellen wurden Tag und Nacht scharf bewacht. Nun war es dem jungen, unerschrockenen Andreas ja schon einmal gelungen, freilich unter vielen Entbehrungen und Strapazen, aus dem verschlossenen Land herauszukommen, um in der Fremde, im kleinen Seminar zu Makao, den Stern seiner jugendlichen Sehnsucht zu suchen. Sollte nicht dieser großherzige, opferbereite Jüngling berufen sein, seinem verwaisten Vaterland den Priester des Herrn, den Bringer der heiligen Geheimnisse und Weihen, wieder zuzuführen? Ein schweres, lebeneinsetzendes Werk, aber ein eines Akolythen und Ostiariers, eines neuen Tarcisius wahrhaft würdiges, lebenswertes Werk! Und Andreas Kim, der vorbildliche Priesteramtskandidat, hat es vollbracht!

 

Der erste Versuch glückte nicht. Der Admiral Cecile konnte nicht nach Korea fahren. Andreas mühte sich nun nicht weniger als drei Mal vergeblich ab, von der Mandschurei aus in seine Heimat zu kommen. Ende Dezember 1842 stand er zwei Stunden vor der Grenze. Unter einer dreihundert Personen starken Karawane erkannte er einen christlichen Landsmann. Gar schmerzliche Nachrichten muss er erfahren. Wie der Bischof und die zwei Missionare enthauptet, wie hunderte von Christen hingerichtet wurden. Sein eigener Vater habe auf dem Block verblutet, seine Mutter irre bettelnd umher. Seines Freundes und Mitseminaristen Thomas Eltern getötet. Noch immer müssten die Christen für ihr Leben fürchten. Dringend bäten sie um Priester. So unternahm es der furchtlose Seminarist allein die Grenze zu passieren, um das Notwendige für die Aufnahme der Missionare vorzubereiten. Auf Umwegen kam Andreas, als Bettler verkleidet, zwar über die Grenze, aber seine Mundart und Kleidung verrieten ihn schon in der ersten Herberge. Nur durch sofortige Flucht in die Wüste konnte er sich retten. Drei Tage irrte er bei grimmiger Kälte ohne Speise und Trank umher. Als er sich, von Müdigkeit und Hunger überwältigt, in der dritten Nacht etwas im Schnee ausruhen wollte, wurde er alsbald durch eine Stimme geweckt, die ihm sagte: Stehe auf und gehe! Auch glaubte er einen Schatten zu sehen, der ihm in der Finsternis den Weg wies. So kam er unter mancherlei Schwierigkeiten an die Grenze und unter dem besonderen Schutz der Mutter Gottes auch wieder über dieselbe, obwohl er aufgegriffen worden war. Anfang 1843 traf er wieder mit erfrorenen Gliedern und zum Skelett abgemagert bei seinem Bischof ein. Er setzte seine theologischen Studien fort.

 

Immer dringender wurden die Bitten der Christen in Korea um Missionare. Sollte ein Eindringen ins „verschlossene Land“ nicht von Norden her möglich sein? Da wurde Ende Februar 1844 in Hung-Tschung, hart an der koreanischen Grenze, aber noch in der Tatarei, ein großer Markt abgehalten, wozu alles Grenzvolk herbeiströmte. Da fand sich auch ein seltsamer Viehhändler ein, der mit bestellten Koreanern mitten unter dem lauten Handelsgeschäft heimlich die Lage der Christensache besprach. Bitteres Weh im Herzen schied er von den Freunden, die ein Eindringen von Norden her für noch gefährlicher als vom Süden, und ein längeres Verborgenhalten eines Priesters kaum für möglich hielten. Also aussichtslos? Und welch ungeheure Schwierigkeiten und Leiden waren auch bei diesen Erkundigungs-Unternehmen zu überwinden! Der Weg ging in kältester Jahreszeit durch die schneeigen Steppen der Mandschurei, über gefrorene Flüsse und durch Gegenden, die durch wilde Tiere unsicher gemacht wurden. Der Bericht, den der „evangelische Handelsmann“ später über diese Reise an seinen Bischof verfasste, zeugt von einem geweckten Geist, von einer nicht gewöhnlichen Beobachtungsgabe und von einem studierenden Europäer alle Ehre machen.

 

Die neue Großtat des wackeren Seminaristen hatten aber auch seinem Bischof Ferreol hinreichend kundgemacht, welch prächtiger, in der Lehre Christi zutiefst gefestigter Geist, welche Kraft des Glaubens, standhafte Hingebung und Liebe zum Heiland, die auch vor Marter und Tod nicht schwanken würde, den Heldenjüngling beseelte. Mit dem edelsten europäischen Priesteramtskandidaten durfte er diesem Sohn der gelben Rasse die Tür zum Heiligtum öffnen. Andreas zählte nun dreiundzwanzig Jahre. Früher schwach und kränklich, war er nun stark geworden. Die Gefahren und Strapazen hatten seine Energie entwickelt. Der Bischof erteilte ihm und seinem ebenbürtigen Gefährten Thomas T`soi die heiligen Weihen bis zum Diakonat.

 

Der treubesorgte Oberhirte hatte auch selbst persönlich den Versuch gemacht, über den nördlichen Pass zu seiner Herde zu gelangen. Es war nicht möglich. Nun fasste er einen neuen Plan ins Auge, den Weg zur See, und zwar auf einem koreanischen Schiff. Sein neuer Diakon, der sich schon so vielfach in gefährlichster Lage durch Klugheit und Unerschrockenheit bewährt hatte, sollte das Fahrzeug in Korea selber erwerben, damit übers offene Meer nach Shanghai herübersegeln. Bei der Rückkehr würde er ihn wohl unauffällig ins ersehnte Land mitnehmen können. Mit Hilfe einiger koreanischen Christen, unter großer Gefahr und unsagbaren Nöten kam der heilige Kim nach Seoul, der Hauptstadt von Korea. Um sich nicht verdächtig zu machen, trat er nur mit wenigen Christen in Verbindung. Nicht einmal seiner armen Mutter wagte er seine Ankunft mitzuteilen. Auch dieses schwere Opfer galt einzig dem Gelingen seiner wichtigen Sendung, den Hirten der armen Schäflein und damit den eucharistischen Heiland selber seinem Heimatland zu bringen. War doch auch an ihn, den demütigen Diakon, Gottes Ruf ergangen: „Und du, Kind, wirst vor dem Herrn einhergehen und ihm en Weg bereiten“ (Lukas 1,76). So erwarb Andreas eine koreanische Barke, freilich ein so elendes, gebrechliches Fahrzeug, dass es ein verwegenes Wagnis war, sich damit der weiten stürmischen See zu überlassen. Es gelang ihm auch einige christliche Handwerker als Matrosen anzuwerben, ohne dass er ihnen seinen ganzen Plan offenbaren durfte. Denn auf das Verlassen des Landes stand Todesstrafe und China hatte sich verpflichtet alle Flüchtlinge, die chinesischen Boden beträten, auszuliefern. Nur ein heldenmütiges Vertrauen auf den Schutz Gottes und seiner heiligsten Mutter konnte einen so tollkühnen Plan rechtfertigen. Nur mit Hilfe eines einfachen Kompasses lenkte der tapfere Jüngling sein Schifflein sicheren Kurses nach Shanghai. Stürmisch und lebensgefährlich war die dreiwöchige Fahrt. Steuer, Mastbäume und Segel gingen verloren. Am 23. Mai 1845 lief er glücklich im Hafen ein. Der Zustand und die Eigentümlichkeit seiner Barke riefen aber sofort die Neugierde der Chinesen wach. Die Gefahr war nun größer als auf See. Doch Andreas besaß die Geistesgegenwart mitten unter den dort stationierenden englischen Schiffen Anker zu werfen. Das Staunen der Offiziere war nicht gering, als der seltsame koreanische Schiffskapitän sie auf Französisch um Schutz bat. Gerne wurde er ihm gewährt.

 

Kostbare Freudenstunde für den Martyrer-Bischof, seinen teuren Zögling wieder wohlbehalten in die Arme schließen zu dürfen! Tiefe Rührung aber ergriff auch die armen Christen aus Korea, als sie ihren Oberhirten sahen und seinen Segen erhielten. Nur die Erfüllung einer Dankespflicht schien es zu sein, wenn nunmehr der würdige Vater dem edelsten Sohn seiner kleinen geängstigten Herde die bischöflichen Hände auflegte. Herrliche Proben von Glaubenstreue, apostolischem Eifer, Opfermut, Klugheit, Sittenreinheit und Beredsamkeit hatte Andreas Kim in den letzten Jahren der Bedrängnis gegeben. Er war würdig Priester des Herrn zu werden. Am denkwürdigen 17. August 1845 erteilte ihm Bischof Ferréol in einer chinesischen Christengemeinde bei Shanghai die heilige Weihe. Der erste koreanische Priester stand am Altar. Am 24. August feierte der Neugeweihte in einer Kapelle der Jesuiten sein erstes heiliges Messopfer mit kindlicher Frömmigkeit.

 

In der Mission kommt dem einheimischen Priester eine viel höhere Bedeutung zu, als man gemeinhin glaubt. Gerade bei Völkern mit hoher eigener Kultur, wie das in Korea der Fall ist, genießt er vielfach mehr Vertrauen als der europäische Priester, der aller Mühe zum Trotz in Sprache, Sitte und Lebensgewohnheiten ein Ausländer bleibt. Für den Fall einer Verfolgung oder Ausweisung der Fremden ist der einheimische Priester die einzige Stütze der Religion.

 

Schon am 31. August desselben Jahres bestieg der Neupriester mit Bischof Ferréol und Pater Daveluy von neuem sein Boot, um nach Korea zurückzukehren. Diese Fahrt war nicht weniger gefährlich, aber auch nicht weniger wunderbar wie die Herfahrt. Bereits in der zweiten Nacht brach ihnen ein Sturm das Steuerruder, die Segel zerrissen, das Boot füllte sich derart mit Wasser, dass alle unausgesetzt ausschöpfen mussten. Nach sechs Tagen landeten sie auf einer Insel, weit fern noch von ihrem Ziel. Endlich am 12. Oktober durften sie nach 43tägiger Seefahrt den Boden Koreas (in Kangkien-in) betreten. Um nicht erkannt zu werden, legten die Missionare Trauerkleider an und gingen nach Landessitte dicht verschleiert. Der Bischof, der nach sechsjährigen Anstrengungen endlich in sein Gebiet gekommen war, begab sich mit Pater Andreas Kim in die Hauptstadt Seul, die über acht Jahre keinen katholischen Priester mehr beherbergt hatte. Die Freude der verlassenen Christen war unbeschreiblich. Durch ein scharfes Verbot musste man dem stürmischen und gleichzeitigen Andrang der heilsbegierigen Christen Einhalt gebieten, um nicht eine neue Verfolgung zu Verursachen. Da der Bischof eine Verbindung mit China und Europa dringend nötig hielt, um der Mittellosigkeit und Priesternot in Korea abzuhelfen, so beauftragte er wieder seinen treuen Andreas, sich als Fischer zu verkleiden und mit erprobten Christen in See zu stechen. Im Herbst kamen nämlich alljährlich chinesische Fischer in die koreanischen Gewässer, durften aber das Land nicht betreten. Pater Andreas gelang es auch tatsächlich, sich unbemerkt unter die chinesischen Boote hineinzumengen und einem der Chinesen diesbezügliche Briefe und Landkarten zur Besorgung zu übermitteln. Als er aber wieder in den koreanischen Hafen Suney zurückgekehrt war, wurde er während der Nacht überfallen und ins Gefängnis geschleppt. Man hatte ihn bei dem Mandarin als einen verkappten hohen Adeligen angezeigt. Die erste Frage des Mandarin an Kim lautete aber: „Bist du ein Christ?“ Auf seine unerschrockene Antwort: „Ja, ich bin es,“ wurde er argen Misshandlungen unterworfen und in die Hauptstadt zu neuen peinlichen Verhören und Foltern geführt. Da zwei der Mitgefangenen seinen Verkehr mit den chinesischen Fischern verrieten, wurden auch die Briefe des Bischofs und die Karten gefunden und Pater Andreas nun als Hochverräter zum Tode verurteilt. Vom Gefängnis aus schrieb er noch einen Brief an seinen Bischof, indem er ihm seine Mutter Ursula anempfahl, die er nach zehnjähriger Abwesenheit nur kurz gesehen hatte und nun für immer verlassen musste. Am 16. September 1864 wurde er nach furchtbaren Foltern mit dem Schwert hingerichtet. Sein letztes Wort war: „Ich sterbe für meinen Gott.“

 

Nur ein Jahr der Tätigkeit im priesterlichen Beruf war dem seligen Andreas Kim beschieden. Und doch schuldet ihm das koreanische Volk unendlich viel. Den Hirten und Führer, den Priester, hat er aus der Verbannung in seine Mitte geführt. Wahrhaftig, auch ein „Werk des heiligen Petrus“! Die einzelnen Völker verlangen immer mehr, dass ihnen Priester aus ihren eigenen Reihen gegeben werden. Afrikanische Priester für Afrika, indische für Indien, japanische für Japan! Der eingeborene Priester findet in viel wirksamerer Weise den Weg zum Herzen seiner Stammesbrüder. Schon wirken in allen Erdteilen einheimische Priester mit bestem Erfolg. Papst Pius XI. hat selbst fünf chinesische Priester und einen japanischen zu Bischöfen geweiht. Woher aber die Mittel bekommen, um Seminarien zu bauen, die Zöglinge zu nähren und kleiden, die Lehrer und Lehranstalten zu unterhalten? Ein Verein, „das Werk des heiligen Petrus“, sollte sie schaffen. Papst Benedikt XV. erhob diesen Verein zur Würde eines päpstlich gesegneten und empfahl ihn mit Rundschreiben vom 4. Januar 1921 allen Bischöfen mit den Worten: „Das Werk des heiligen Petrus liegt uns ganz besonders am Herzen, weil es zum Ziel hat, der Kirche in den Heidenländern eine einheimische Priesterschaft zu geben, die imstande ist, die Ausbreitung des Reiches unseres Herrn Jesus Christus zu erleichtern. Wir wünschen auch zu hören, dass das Werk in jeder Diözese, ja wir fügen hinzu, in jeder Pfarrei blühe.“

 

 

Am 5. Juli 1925 sprach Papst Pius XI. Andreas Kim und weitere 78 Märtyrer und Märtyrerinnen aus Korea selig. Am 6. Oktober 1968 ergänzte Papst Paul VI. diese um 24 Gefährten. Alle 103 wurden am 6. Mai 1984 von Papst Johannes Paul II. bei der ersten Feier zur Kanonisation, die nicht in Rom stattfand, in Seoul heiliggesprochen.