Heiliger Franz Regis Clet, Märtyrer von China, Lazaristen-Missionspriester, + 18.2.1820 - Fest: 18. Februar

       

Am 27. Mai 1900 hat Papst Leo XIII. siebenundsiebzig Blutzeugen von Anam und China in feierlicher Seligsprechung die Verherrlichung als christliche Märtyrer zuerkannt. Mögen diese starkmütigen Streiter das Missionsfeld China segnen! Papst Johannes Paul II. hat den Missionar Franz, dessen Festtag wir heute begehen, mit 119 anderen Märtyrern in China heiliggesprochen. Zeitgemäß und Pflicht der Dankbarkeit zugleich dürfte es sein, der Namen dieser Helden immer wieder zu gedenken. Das verdient ganz besonders ein Sohn der Missionsgesellschaft der Lazaristen, die heute noch wie früher unter den Glaubensboten des „Reiches der Mitte“ einen ganz hervorragenden Platz einnehmen und die überdies in dem großen, liebenswürdigen heiligen Vinzenz von Paul ihren Vater verehren, nämlich der heilige Franz Regis Clet.

 

Dieser wahrhafte Diener des Herrn ist des Gedenkens und der Verehrung aller Guten nicht bloß wegen seines mutigen Opfertodes wert, er hat auch während seines ganzen Lebens ein bewundernswertes Beispiel zarter Frömmigkeit, andauernden Opfergeistes, tiefer Demut und heroischer Liebe gegeben. In Grenoble, der alten Hauptstadt des südöstlichen Alpengebietes von Frankreich, schien ihm am 20. März 1748 zum ersten Mal das Licht dieser Welt. Von den fünfzehn Kindern seiner frommen und vornehmen Eltern haben zwei in strengen Orden sich Gott geweiht. Franz aber trat nach einer makellos durchlebten Jugend 1769 zu Lyon der genannten Missionsgesellschaft bei, wurde 1773 Priester und wurde zum Lehrer der Moraltheologie im Seminar zu Annecy bestimmt. Klarheit und Tiefe zeichneten den Professor aus. Nach fünfzehn Jahren wurde er ins Mutterkloster St. Lazarus in Paris als Novizenmeister berufen, zu welchem wichtigen Amt ihn seine große Tugendhaftigkeit empfahl. Seine segensvolle Wirksamkeit wurde aber schon im folgenden Jahr, 1789, durch die große Revolution jäh unterbrochen. Das friedliche Missionskloster wurde von den geld- und blutgierigen Freiheitsmännern gänzlich zerstört, selbst die fünfzigtausend Bände zählende Bibliothek vernichtet, mehrere Ordensmitglieder starben unter dem Fallbeil der „freien und brüderlichen Nation“, die Genossenschaft verfiel der Auflösung, ihr Besitz dem Staat.

 

Franz Clet hatte all die unsäglichen Wirren mitgemacht. Sein bloßes Leben hatte er gerettet, aber tiefes Weh über das Unheil seines Vaterlandes und die Leiden seiner Ordensfamilie erfüllten sein Herz. Nun bat er seine Oberen, ihn zu den Heiden zu senden, um ihnen das in Frankreich so missachtete Evangelium zu bringen. Das wäre ja schon längst sein sehnlichster Wunsch gewesen. Aber wie die Ordensleitung schon seither glaubte, eine so tüchtige Kraft der Erziehung des Ordensnachwuchses vorbehalten zu müssen, so zögerte sie auch jetzt noch, gerade in dieser schwierigen Zeit des stillen Wiederaufbaus ihn wegzulassen. Da fügte es die Vorsehung, dass 1791 vor der Absendung dreier Missionare nach China unversehens einer erkrankte. Franz bestürmte von neuem seine Oberen, ihn als Ersatz zu senden, und nun fand seine Bitte Gehör.

 

Noch einen ungeahnten schweren Kampf hatte der nach dem Heilswerk der Heidenbekehrung sich sehnende Priester zu bestehen, den Kampf mit dem eigenen Blut. Eltern wie Verwandte suchten ihn von seinem Vorhaben abzubringen und im Vaterland zurückzuhalten. Der Heilige aber folgte dem Zug seines Herzens und dem Ruf des „Herrn der Ernte“. „Mein Entschluss reut mich nicht“, schrieb er vor seiner Abreise einer Schwester, „weil ich dem Fingerzeig der über mir waltenden Vorsehung zu entsprechen glaube. Allerdings macht die Natur ihre Rechte geltend und ich scheide nicht von euch ohne den Schmerz der Trennung zu fühlen; aber „Gott will es“, das ist mein Wahlspruch und du selbst hattest nie einen anderen. Ist sodann nicht auch der Gedanke, dass dein Bruder zum apostolischen Dienst auserkoren ist, eine Beruhigung? Mir gibt er die Gewissheit meiner Vorherbestimmung für den Himmel.“ Ja, auch die gottbegeisterten Seelen fühlen die Schwere ihrer Opfer; aber die Liebe überwindet alles.

 

Freudepochenden Herzens hatte Pater Clet seinen ersten Missionsposten in der Provinz Kiangsi angetreten. Hatte er von vornherein sich Gott zum Opfer gebracht, so sollte er doch nur zu bald erfahren, dass der Herr, statt die gewöhnlichen und erwarteten Opfer zu verringern, sie eher vermehrte, um ihn zum letzten großen Opfer zu befähigen. Das ungewohnte Klima wirkte schädlich auf seine Gesundheit ein. Und trotzdem! Gerade an ihm zeigte sich, was heiliger Berufseifer, ausdauernde Willenskraft und besonders Gottes Gnade auch im schwachen Menschen vermögen. Der heilige Franz Clet konnte in seinem zweiten und eigentlichen Arbeitsfeld in Hou-Kwang, einem über zweihundert Meilen ausgedehnten, ungesunden und fast ganz heidnischen Bezirk, dem Herrn das Jubelopfer als getreuer Arbeiter darbringen. Schon im ersten Jahr erlagen die zwei europäischen Priester, die ihn in der Seelsorge von etwa zehntausend weit zerstreuten Christen und in der Gewinnung von Neubekehrten unterstützen sollten, den Anstrengungen, Entbehrungen und dem Klima. Franz Clet arbeitete fünf Jahre allein unverzagt weiter, auch als Bürgerkrieg und Unruhen allen Erfolg in Frage stellten. Zwei schon betagte eingeborene Priester brachten nur geringe, ein Ordensgenosse jedoch von 1810 an tatsächliche Unterstützung. Nach acht Jahren aber erlag auch dieser den aufreibenden Mühen des Apostolates. Wieder stand Franz Clet allein da, zuletzt als Prokurator der ganzen weiten Provinz, und blieb es. Fast immer kränkelnd, zeitweilig von einem schweren Fußleiden heimgesucht, scheute er doch keine Anstrengung, keine Nachtwachen, war beständig auf Reisen, da unter Christen, sie bestärkend, dort inmitten der Heiden, sie belehrend, umgeben von Gefahren für Leib und Leben.

 

Fünfundzwanzig Jahre lang hatte so der gottbegeisterte Apostel Chinas auf hartem Missionsfeld treueste Arbeit geleistet, würdig des ewigen Lohnes. Mit vollstem Recht konnte ihm beim Seligsprechungsprozess das ehrende Zeugnis ausgestellt werden: „Clet scheute weder vor Mühen zurück, noch vor Nachtwachen, noch vor langwierigen, beschwerlichen Reisen, noch ließ er sich durch Gefahren und Drohungen einschüchtern, soviel Menschen als möglich für Christus zu gewinnen.“

 

Da brach die Verfolgung aus. Unbeirrt ging der Missionar seiner Pflicht nach. Ein Preis von tausend Taels wurde auf seinen Kopf gesetzt. Doch wusste er sich lange Zeit in Wäldern und Berghöhlen den Augen der Späher zu entziehen. Als man seine Fährte entdeckte, schien ihm die angrenzende Provinz Hunan ein Asyl zu gewähren. Doch der hohe Preis verleitete einen treulosen Christen, den mutigen Missionsoberen zu verraten. Am Fest der allerheiligsten Dreifaltigkeit, am 16. Juni 1819, wurde er, als er eben im Wohnhaus eines Christen das heilige Messopfer gefeiert hatte, von Soldaten überfallen und samt seinem Herberggeber gefangen genommen. Die achtmonatige Gefangenschaft war reich an Entbehrungen und Leiden. Schon der Kerker in Nam-Yang-Fu, ein dunkles, kaltes und feuchtes Loch, war für den vom Alter gebeugten, von Anstrengung erschöpften, von Unpässlichkeit geschwächten Missionar ein Ort der Qual, die durch Unbilden jeder Art vermehrt wurde. Nächte hindurch musste der Märtyrer mit gefesselten Beinen bewegungslos auf dem Boden liegen. Oft erhielt er beim Verhör mit einer Ledersohle bis an dreißig Backenstreiche, die so heftig waren, dass seine Wangen zerschlagen und seine Kleider blutbefleckt wurden. An anderen Tagen musste er stundenlang mit bloßen Knien auf eisernen, von zwei Pflöcken gehaltenen Ketten knien, wobei die Arme an einen in der Höhe angebrachten Balken gebunden waren. Durch ihre lange Dauer wirkte diese Tortur höchst qualvoll. Ohne ein Wort der Klage ertrug Franz alle Misshandlungen.

 

Nach fünf Wochen wurde der heilige Märtyrer, an Händen und Füßen gefesselt und, gleich einem Tier in einem Bambuskäfig eingeschlossen, nach Wu-Tschang-Fu gebracht, 140 Meilen weit. Todesschwach kam der Greis in der Hauptstadt an. Die Verhöre und Martern erneuerten sich. Doch hatte er den Trost, im Kerker einen einheimischen Priester namens Chen und andere Christen zu treffen, so dass sie sich gegenseitig stärken und zur Beharrlichkeit ermuntern konnten. Überdies erhielt der Bekenner von einem anderen Priester, der verkleidet in das Gefängnis kam, die heilige Eucharistie, die wirksamste Speise für Leben und Tod, den köstlichsten Trost für den Märtyrer. Wenn der Richter den ebenfalls standhaft im Glauben verharrenden Mitbruder Chen züchtigen lassen wollte, eilte Clet herbei und bat eindringlich, ihn statt seines Gefährten zu peitschen. Bewunderung ergriff da die Herzen selbst der rohen Henker. Etwas Großes ist es geduldig zu leiden, aber größer noch ist sich freiwillig für andere zum Leiden anbieten. Ist es ja die Nachahmung dessen, was der Herr getan hat, der „unsere Krankheiten trug und unsere Schmerzen auf sich lud“.

 

Nachdem so acht Monate harter Marter den starkmütigen Bekenner nicht erschüttern und umstimmen konnten, wurde endlich das Urteil gefällt: „Wegen Verführung des Volkes soll der Europäer Lieou (sein chinesischer Name) am ein Kreuz gebunden und erdrosselt werden.“ Mit freudigem Entzücken vernahm der Heilige diese längst ersehnte Kunde. Am 18. Februar 1820 wurde das Urteil in grauenhaftester Weise vollzogen. Der Henker drehte den Strick zusammen und schon rang der Märtyrer bewusstlos mit dem Tod. Da stellte der Unmensch seine Arbeit wieder ein. Mühsam schöpfte die Lunge des Sterbenden Luft und langsam kehrte das Bewusstsein wieder. Schmerzlich, wie fragend blickte er umher; aber jetzt drehte der Scherge den Strick wieder zu, von neuem begann der Todeskampf. Noch war die Grausamkeit des Henkers nicht ersättigt; ein zweites Mal drehte er auf und erst beim dritten Mal machte er seinem entsetzlichen Spiel ein Ende. Doch was war das? Das Antlitz des Erstickten war auf einmal nicht mehr angeschwollen, nicht mehr rot und blau: nein, es leuchtete wie verklärt und durchströmt von himmlischem Licht. Der Glanz der Seele schien sich schon jetzt, noch vor dem Auferstehungsmorgen dem Leib mitgeteilt zu haben.

 

Franz Clet zählte bei seinem Tod zweiundsiebzig Lebensjahre, von denen er einundfünfzig im Orden, siebenundvierzig im Priestertum und neunundzwanzig im Apostolat für das Heil der Seelen zugebracht hatte. Er hinterließ das leuchtende Beispiel heldenhaften Mutes und unerschütterlicher Beharrlichkeit, jener Beharrlichkeit, die nicht aus großen Erfolgen entspringt, sondern aus dem Bewusstsein getreuer Pflichterfüllung, jenes Mutes, der sich nicht auf fremde Hilfe und nicht auf eigene Kraft allein, sondern vor allem auf Gottes Gnade stützt.

 

Der Leichnam des Märtyrers erhielt später die gleiche Ruhestätte mit den Überresten des seligen Perboyre und wurde zugleich mit ihm im Jahr 1859 nach Frankreich übertragen, wo er im Mutterhaus St. Lazarus in Paris dereinst der seligen Verbindung mit der Seele harrt, während ihn inzwischen die Liebe der Gläubigen mit kostbaren Gaben ziert.

 

„Ich habe den Vater gebeten und er gibt mir die Völker zum Erbe“, spricht der Herr. Dem Herrn der Herrlichkeit, dem König der Ewigkeiten, dem Unsterblichen, der durch sein Blut die ganze Welt erlöst hat, ihm soll die Welt auch gehören! Die Stunde der Entscheidung ist da. Die ernste Stunde soll keinen zur Mitarbeit unentschieden finden! Horch! Die Märtyrer rufen, die Bannerträger Christi, des Weltkönigs, die Heldenzeugen seiner Größe!

 

„Herr, wer sind die, die den Himmel stürmen,

Ihn an sich reißend mit des Glaubens Kraft?

Sie sind es, so die böse Erde schirmen,

Dass nicht dein Zorn ihr neue Sündflut schafft.

 

Wer sind die, die das Meer, den Felsen zwingen,

Dass es entweicht, dem Fels entströmt die Flut?

Der Dorn muss Feigen, Distel Rosen bringen.

Wenn es ein Herz begehrt, das in dir ruht.

 

Wer sind sie, die dir alles hingeben,

Was deine Hand einst selber ihnen gab?

Sie sehn im Leben Tod, im Tode Leben,

Und jauchzend grüßen sie ihr Blutig Grab.

 

Wer sind sie, deren Leiber nicht verwesen?

Der Auferstehung Primeln duften schon;

Wer gläubig sie berührt, der ist genesen,

Und Schmerz und Siechtum ist vor ihm geflohn.

 

Die treuen Zeugen sind´s, die dir gefielen,

Weil sie durch Blut und Tod von dir gezeugt;

Einst sitzen sie auf hohen Richterstühlen,

Wo dann die Welt vor ihrem Spruch sich beugt.“

 

(L. Hensel)