Heilige Lydia von Philippi, Paulusjüngerin, + 1. Jahrhundert – Fest: 3. August

 

Das römische Heiligenverzeichnis (Martyrologium) nennt unterm 3. August die heilige Lydia die Erstchristin von Philippi. Sie war die erste Christin und Heilige von Europa überhaupt, deren Namen wir kennen.

 

Von der asiatischen Hafenstadt Troas aus hatte der Völkerapostel und christliche Welteroberer Paulus zum ersten Mal den Fuß auf das europäische Festland gesetzt. Der Zeiger der Weltuhr schnellte einen gewaltigen Ruck vorwärts. Als Begleiter und Mitarbeiter hatte sich ihm der heilige Lukas angeschlossen, der in seiner Apostelgeschichte (Kapitel 16-18) über diese zweite große Missionsreise seines Lehrers (51-54), die ihn nach Europa führte, ausführlich berichtet. Die erste Missionsstation auf dem neuen Weltteil wurde die damalige Welt- und Handelsstadt Philippi. Seine erste Predigt hielt dort der unermüdliche Verkündiger der Kreuzesreligion an einem Sabbat draußen vor der Stadt. Die Erstgeborene aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, die Erstbekehrte von den ungezählten Millionen, die fortan auf europäischem Boden ihrem Beispiel folgend in die Mutterarme der Kirche eilten, war die heilige Lydia.

 

Der heilige Lukas hat der Paulusjüngerin in zwei Versen seines Missionsberichtes (Apostelgeschichte 16,14-15) einen würdigen Denkstein, eine unvergängliche Ehrentafel gesetzt: „Eine Frau,“ so rühmt der erste Vers, „namens Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, die eine Gottesfürchtige war, hörte (der Predigt des heiligen Paulus) zu. Und der Herr öffnete ihr das Herz, um wohl zu achten auf das, was Paulus redete.“ Sie war also nicht in Philippi geboren und keine Europäerin, sondern stammte aus dem kleinasiatischen Thyatira, einer Stadt Lydiens, und war nach Philippi zugewandert. Sie war auch von Haus aus keine Tochter Israels und Anhängerin des jüdischen Gottesglaubens, sondern eine Heidin. Sie hatte sich aber als Wahrheitssucherin vom heidnischen Götterwahn losgerungen und dem Glauben Israels zugewendet und war eine „Gottesfürchtige“ oder Proselytin geworden. Sie mochte wohl schon in ihrer Heimat die erste Kunde vom Christentum erhalten und heilsbeflissen dem Wort der Wahrheit und des Lebens nachgeforscht haben. In Philippi vollendete der Herr das Werk seiner Gnade und Bekehrung an ihr: „Der Herr öffnete ihr das Herz.“

 

„Als sie nun samt ihrem Haus getauft war,“ fährt der zweite Lukasvers fort, „bat sie: Wenn ihr vertraut, dass ich dem Herrn treu bin, dann kommt in mein Haus und bleibt da! Und sie drängte uns dazu.“ Das Dringliche der Einladung stellt ihrem kirchlichen Eifer und caritativen Sinn ein rührendes Zeugnis aus. Zur Voraussetzung hatte die Einladung offenbar, dass Lydia der besitzenden Klasse angehörte und über einen geräumigen Saal in ihrem Haus verfügte. Sie lässt die Vorstellung, als ob nur Besitzlose aus den untersten sozialen Volksschichten und „Enterbte“ der menschlichen Gesellschaft dem Urchristentum zuströmten, als einseitig und übertrieben erscheinen. Die Form der Einladung endlich wirft ein mildes Licht auf ihre große Bescheidenheit und tiefe Gottesfürchtigkeit. „Wenn ihr vertraut, dass ich dem Herrn treu bin,“ bittet sie so zart.

 

Paulus und die kleine Gemeinde, die sich aus den Neubekehrten sammelte, folgten der Einladung. Schon während der Einkerkerung des Apostels und seiner Mitarbeiter lenkten „die Brüder“ ihre Schritte zu dem Haus der Lydia und hielten hier ihre ersten religiösen Zusammenkünfte ab. Und die Glaubensboten selbst, da sie aus der Kerkerhaft wieder befreit wurden, „begaben sich vom Gefängnis aus zu Lydia. Und sie sahen die Brüder und trösteten sie“ (Apostelgeschichte 16,40). Lydias gastliches Heim barg sonach die erste Hauskirche der europäischen Christenheit. Es war die erste Notkirche, bevor innerhalb des römischen Weltreiches das Tageslicht einer besseren Zeit auf die Zinnen und Kuppeln eigener Gotteshäuser fiel.

 

Lydias Haus wurde so recht ein Gegenstück zum Haus der Maria, der Mutter des heiligen Markus. Dieses war die Wiege der judenchristlichen Urgemeinde und Mutterkirche in Jerusalem. Hier nämlich dürfen wir mit allem Grund den „großen Speisesaal“ vermuten, in welchem der Herr das letzte Abendmahl und das erste Messopfer des Neuen Bundes feierte. In diesem „Obersaal“ harrten die Apostel „samt den Frauen und Maria der Mutter Jesu und seinen Brüdern einmütig im Gebet“ der Ankunft des Heiligen Geistes (Apostelgeschichte 1,14). Hier „stand Petrus auf inmitten der Brüder – es war aber eine Schar von ungefähr 120 Personen beisammen -“ (Apostelgeschichte 1,16), um die Apostelnachwahl für den Judas und die Ergänzungswahl des heiligen Matthias vorzunehmen. Hierher, „wo viele versammelt waren und beteten“ (Apostelgeschichte 12,12), lenkte der Apostelfürst nach seiner wunderbaren Befreiung aus dem Kerker durch Engelhand seine Schritte. Und während die Versammelten noch um seine Befreiung beteten, stand er um Einlass bittend bereits draußen vor dem verschlossenen Tor und klopfte. Hier erteilte er endlich vor seinem Weggang nach Rom der Gemeinde von Jerusalem seinen letzten Segen. „Es war der Abendsegen für Asien von der Hand des Petrus im Hause der Maria gegeben, wie Paulus den Morgensegen für Europa im Haus der Lydia gab“ (Kardinal Faulhaber).

 

Wie wird die heilige Lydia nicht Kosten und Mühen gescheut haben, um die Hauskapelle, die sie dem heiligen Paulus und seiner Lieblingsgemeinde in Philippi zur Verfügung stellte, auch würdig auszustatten! Wie wird die Purpurhändlerin das Schönste und Beste aus ihren kostbaren Schätzen ausgesucht haben, um den Tisch zu schmücken, der der Feier der heiligen Geheimnisse diente! „Lydias Purpurstoffe waren die ersten Paramente.“ – „Maria von Bethanien salbte mit kostbarer Salbe des Heilands Person. Lydia von Philippi schmückte mit Purpur seinen Thron“ (Kardinal Faulhaber). Beide wurden biblische Vorbilder für jenes hehre Frauendiakonat in der Kirche, das sich „die Zierde des Hauses des Herrn“ zum Ziel setzte.