Als Sohn armer Leute wurde der spätere Ordensgründer am 16. August 1815 in Becchi bei Turin geboren. Mit zwei Jahren verlor er den Vater, aber seine Mutter, Margarete Bosco, war eine ausgezeichnete Erzieherin, die es meisterhaft verstand, die guten Anlagen ihres Kindes zu fördern. Sicher hat die Erziehung dieser frommen Frau die Grundlagen für das spätere pädagogische Wirken des Johannes Bosco geschaffen.
Mit neun Jahren hatte er einen Traum, in dem er deutlich auf seinen zukünftigen Beruf hingewiesen wurde. Die Visionen wiederholten sich und wurden immer konkreter. Angeregt durch diese Träume, sammelte Johannes die Dorfkinder, erzählte ihnen Geschichten und unterhielt sie mit Kunststücken, verband damit aber immer eine religiöse Unterweisung und schloss mit einem Gebet oder einem frommen Lied.
Johannes Bosco wollte Priester werden, aber die finanziellen Mittel für den Besuch einer höheren Schule fehlten. 1831 erhielt der Sechzehnjährige einen Freiplatz am Seminar von Chieri. Essen und Unterkunft musste er sich selbst verdienen. Er arbeitete in einem Café, bei einem Schneider, einem Schmied, einem Schlosser und einem Schreiner.
Nach seiner Priesterweihe am 5. Juni 1841 ging Johannes zur Weiterbildung in das Theologische Konvikt in Turin, an dem sein Beichtvater und vertrautester Freund Josef Cafasso tätig war.
Am 8. Dezember 1841, als Don Bosco sich für den Gottesdienst ankleidete, bemerkte er, wie der Küster einen zerlumpten Jungen aus der Sakristei hinauswies. Er rief den Jungen zurück und unterhielt sich mit ihm. Ohne Eltern aufgewachsen, konnte dieser weder lesen noch schreiben und wusste von Religion überhaupt nichts. Johannes Bosco begann sofort mit dem religiösen Unterricht und forderte den Jungen beim Weggehen auf, doch wiederzukommen. Er kam bald wieder und brachte seine Freunde mit.
Die Schar um Don Bosco wuchs von Woche zu Woche. Er versammelte sie zunächst sonntags in irgendeiner Kirche, feierte mit ihnen die Messe und unterrichtete sie im Katechismus. Den Rest des Tages gestaltete er mit Ausflügen, Spielen und gemeinsamen Festen.
Seinen oben erwähnten ersten Traum schildert er selbst in seinen Erinnerungen wie folgt:
„Im Alter von ungefähr neun Jahren hatte ich einen Traum, der mir für mein ganzes Leben unvergesslich blieb. Im Schlaf glaubte ich, in der Nähe des Hauses in einem sehr großen Hof zu sein, wo eine muntere Schar von Jungen sich herumtummelte. Die einen lachten und scherzten, die anderen spielten, wieder andere fluchten. Als ich die Gotteslästerungen hörte, stürzte ich mich gleich unter die Jungen, um sie mit Rufen und Stößen zum Stillschweigen zu bringen. In diesem Augenblick erschien ein ehrwürdiger, vornehm gekleideter Mann, der im besten Alter stand. Ein weißer Mantel umgab seine ganze Gestalt; sein Antlitz aber war so leuchtend, dass ich es nicht anzuschauen vermochte. Er rief mich beim Namen und befahl mir, mich an die Spitze dieser Jungen zu stellen, indem er hinzufügte: „Nicht mit Schlägen, sondern mit Sanftmut und Liebe sollst du diese dir zu Freunden machen. Schicke dich darum gleich an, sie über die Hässlichkeit der Sünde und die Schönheit der Tugend zu belehren!“ – Verwirrt und erschrocken bemerkte ich, ich sei ein armer, unwissender Junge, gänzlich unfähig, diese Jungen in der heiligen Religion zu unterrichten. In diesem Augenblick hörten die Jungen auf zu streiten, zu lärmen und zu fluchen und alle scharten sich um jenen Mann. Fast ohne zu wissen, was ich sprach, fragte ich:
„Wer seid Ihr, dass Ihr Unmögliches von mir verlangt?“
„Gerade weil es dir unmöglich scheint, musst du es durch Gehorsam und Wissenschaft ermöglichen.“
„Wo und mit welchen Mitteln werde ich mir dieses Wissen erwerben?“
„Ich werde dir eine Lehrmeisterin geben, unter deren Obhut du weise werden wirst und ohne deren Einfluss jede Weisheit nur Torheit ist.“
„Aber wer seid Ihr denn, dass Ihr so zu mir sprecht?“
„Ich bin der Sohn derjenigen, die täglich dreimal zu grüßen deine Mutter dich lehrte.“
„Meine Mutter befiehlt mir, mich keinem Unbekannten ohne ihre Erlaubnis anzuschließen; sagt mir darum Euren Namen.“
„Danach frage meine Mutter!“
In diesem Augenblick sah ich an der Seite jenes Mannes eine Frau von majestätischer Gestalt, angetan mit einem Gewand, von dem ein solcher Glanz ausging, als sei es mit lauter hellstrahlenden Sternen übersät. Da sie meine wachsende Verwirrung in meinen Fragen und Antworten wahrnahm, hieß sie mich näher treten, nahm mich dann gütig bei der Hand und sprach: „Sieh dort!“ Aufschauend bemerkte ich, dass alle jene Jungen geflohen waren, und statt ihrer sah ich eine große Herde von Ziegen, Hunden, Katzen, Bären und verschiedenen anderen Tieren. Die hohe Frau fuhr fort: „Das ist dein Arbeitsfeld; hier sollst du wirken. Werde demütig, stark und mannhaft, und die Verwandlung, die du jetzt bei diesen Tieren sehen wirst, sollst du später bei meinen Söhnen vollbringen.“ Ich schaute abermals hin und erblickte statt der wilden Tiere ebenso viele sanfte Lämmer, welche freudig hüpfend und blökend sich um jenen Mann und um jene Frau scharten, wie um ihnen zu huldigen.
Sobald ich dies bemerkte, fing ich im Schlaf zu weinen an und bat die hehre Frau um Aufklärung über das, was ich gesehen hatte, da ich nicht wüsste, was dies alles zu bedeuten habe. Sie legte mir aber nur die Hand aufs Haupt und sagte: „Zur rechten Zeit wirst du alles verstehen.“ Kaum hatte sie diese Worte beendet, da erwachte ich durch ein Geräusch und alles war verschwunden. Ich war wie betäubt. Die Hände schienen mir weh zu tun von den Faustschlägen, die ich ausgeteilt hatte, das Gesicht schmerzte mich von den Ohrfeigen, die ich von den Straßenjungen erhalten hatte. Der geheimnisvolle Mann, die hohe Frau, alles was sie gesagt und was ich gehört hatte, beschäftigte derart meinen Geist, dass ich die ganze Nacht nicht mehr schlafen konnte.
Am anderen Morgen drängte es mich, den merkwürdigen Traum zuerst meinen Brüdern zu erzählen – sie lachten mich aus; dann ging ich zur Mutter und Großmutter. Jeder gab eine andere Erklärung. Mein Bruder Joseph sagte: „Du wirst einmal als Hirt Ziegen, Schafe und andere Tiere zu hüten haben.“ Meine Mutter: „Wer weiß, ob er nicht doch Priester wird.“ Anton bemerkte trocken: „Vielleicht wirst du Räuberhauptmann.“ – Das Schlusswort aber gab die Großmutter, die ja in religiösen Dingen wohl bewandert war, wenngleich sie weder lesen noch schreiben konnte: „Träume sind Schäume“, sagte sie. Ich war der gleichen Meinung wie die Großmutter, trotzdem konnte ich mir jenen Traum nicht aus dem Kopf schlagen.“
Der Zulauf, den Giovanni Bosco unter der Jugend fand, brachte ihn allmählich in Schwierigkeiten. Wo sollte er eine so große Gruppe, inzwischen waren es über 400 Jugendliche, unterbringen? Eine Scheune in Turin-Valdocco, die er zunächst pachten und später kaufen konnte, richtete er als Schule ein. Er bildete selbst seine begabtesten Schüler als Lehrer für ihre Kameraden aus und gründete auf dem Schulgelände Lehrwerkstätten.
Zur Unterstützung seiner erzieherischen Tätigkeit gründete er 1868 die „Fromme Gesellschaft des heiligen Franz von Sales und einige Jahre später eine Frauengenossenschaft: die Mariahilfschwestern.
Seine Erziehungsmethode beruht auf dem System des Vertrauens, der Ausschaltung jeglichen Zwangs, der Vermeidung von Strafen und auf einer umfangreichen religiösen Bildung. Das Jugenddorf in Valducco wurde zum Modell für zahlreiche ähnliche Einrichtungen im In- und Ausland.
Don Bosco starb am 31. Januar 1888.
Aus „Tiere unterm Regenbogen“, von Aloysius Roche, Berlin 1954:
Grigio – der Graue
„Grigio – der Graue“, so wurde der geheimnisvolle Hund gerufen, der Leib und Leben Don Boscos beschützte; er wurde wegen seiner Farbe so genannt, „grigio“ heißt ja italienisch „grau“. „Geheimnisvoll“ – das ist die richtige Bezeichnung für dieses Tier, denn alle die, die ihn nur für einen besonders scharfsinnigen Hund gewöhnlicher Art hielten, konnten doch die Tatsache nicht leugnen, dass er mehr als dreißig Jahre lang lebte!
Es gab freilich auch genug Leute, die fest überzeugt waren, dass dieser Grigio nicht aus einem gewöhnlichen Zwinger stammte. Sie meinten, er hätte etwas vom alten Cerberus an sich, dem unheimlichen Wachhund, an den die Menschen längst vergangener Zeiten glaubten, allerdings mit dem Unterschied, dass, während der erstere offenbar „von oben“ kam, der letztere doch entschieden „nach unten“ gehörte.
Dieser merkwürdige Hund zeigte sich zuerst, als Don Bosco durch die recht düsteren Vororte von Turin ging. Das war im Jahr 1852. Er suchte bei diesem Gang nicht etwa eine Abkürzung für seinen Weg. Seit 46 Jahren hatte dieser Mann solch elende Vororte im Kopf gehabt. Er dachte bei Tage daran und träumte nachts davon – buchstäblich, denn es war ja ein Traum gewesen, der ihn zu seiner Lebensaufgabe bewogen hatte: jene zu retten, die in diesen Elendsquartieren lebten. Es waren die Kinder dieser wüsten Orte, um die er sich Sorgen machte, die Jungen und Mädchen, an denen jedermann verzweifelte, und für die nichts weiter geschah, als dass man sie ins Gefängnis warf, wenn sie es übertrieben hatten. Für diese Ausgestoßenen schuf er ein Hilfswerk, das wuchs und wuchs, bis es sich über die Welt ausbreitete. Als er 1888 starb, hatte er statt einer ungefähr 250 Herbergen und 130 000 Kinder darin! Im Anfang dachten seine Mitmenschen, er sei verrückt. Das denken nun allerdings bloß Zuschauer leicht von tapferen Leuten, die besonders heikle Aufgaben anpacken.
Merkwürdig und ganz unerklärlich ist’s, dass dieser Mann Feinde haben konnte, bittere Feinde, die ihm ernstlich ans Leben wollten – und mehr als einmal haben sie es versucht. Deshalb tauchte dann eines Tages Grigio aus dem Nichts auf, es war an einem Abend des Jahres 1852.
Don Bosco hastete eine enge Straße im ärmlichsten Quartier der Stadt entlang, als er plötzlich glaubte, Schritte hinter sich zu hören. Sich umschauend, sah er, dass ihm ein riesiges Tier folgte, das aussah, wie eine Kreuzung aus Wolf und Hund. Es war ihm anfangs nicht so ganz wohl zumute, aber er blieb stehen, und als das Tier herankam, sprach er zu ihm und streichelte den großen Kopf. Dann ging er weiter. Aber der Graue folgte ihm dicht auf den Fersen.
„Vielleicht ist’s ein entlaufener Hund“, sagte Don Bosco zu sich selber, „obwohl er wirklich nicht so aussieht – er ist zu gut gehalten. Aber da er so fest entschlossen zu sein scheint, bei mir zu bleiben, nehme ich ihn mit. Wer weiß – er kann mir recht nützlich sein. Wenn er wirklich einen Besitzer hat, kann er ja noch immer angefordert werden.“
Damit ging er schon dem Haus zu; sobald er es aber erreicht hatte, war der Hund verschwunden. Das geschah wieder und wieder, immer auf die gleiche Weise. Sooft Don Boscos Weg besonders einsam war, oder wenn verdächtige Gestalten auftauchten, erschien „der Graue“. Einmal hörte Don Bosco einen Revolver knacken und eine Kugel hätte fast sein Gesicht gestreift. Kaum war es ihm bewusst geworden, wie knapp er davongekommen war, da warf sich der Bandit schon auf ihn. Aber der Hund war da. Seine starken Zähne regelten die Angelegenheit, der Mann floh ins Dunkel und trug Grigios „Hausmarke“ als Andenken mit sich. Ein andermal lauerten zwölf verkommene Gestalten zugleich dem Priester auf – aber das ergab nur zwölf weitere „Markierungen“!
Nach diesem letzten Fehlschlag steckten die Verbrecher die Köpfe zusammen und beschlossen, Don Bosco eine Falle zu stellen, eine Falle von solcher Art, dass alle Grigios der Welt ihm diesmal nicht würden helfen können. Es dauerte nicht lange, und sie hatten die erwartete Gelegenheit. Es war eine dunkle Nacht – aber, mochte es hell sein oder dunkel, Don Bosco hatte seine Pflicht zu tun. Er wickelte sich fest in seinen Mantel und steckte sich eine Laterne an, dann öffnete er die Tür. Man denke sich, wie verblüfft er war, als er Grigio auf der Schwelle fand.
„Hallo, was tust du hier um diese Zeit? Ich seh’ schon, du willst mit! Eine gute Idee! Komm!“
Aber Grigio blieb, wo er war, und weigerte sich auch, beiseite zu gehen, und als der Priester versuchen wollte, über ihn wegzusteigen, zeigte er böse die Zähne. Don Bosco dachte einen Augenblick nach und beschloss dann, dies als ein Zeichen zur Vorsicht zu nehmen. Schon am nächsten Morgen erfuhr er, dass ein heimtückischer Plan bestanden hatte, ihn hinterlistig zu ermorden.
Danach gab es eine Art Waffenstillstand, und der Hund erschien vierzehn Jahre lang nicht mehr. Dann aber wurde Don Bosco eines Tages in ein Landhaus bestellt, das in ziemlicher Entfernung von der Stadt lag, in ganz einsamer Gegend – und der Weg dahin hatte einen üblen Ruf. „Oh“, rief er, „wenn ich doch Grigio bei mir hätte!“ Er brach tapfer auf und verließ bald die belebten Straßen der Stadt. Allmählich kam er zum gefährlichen Teil seines Weges. Der Weg war jetzt nicht viel mehr als eine bloße Spur, und an einer Stelle führte er durch dichtes Buschwerk. Don Bosco befahl sich Gott und suchte sich seinen Weg durch das Unterholz. Schon stand er lauschend still – es war kein Zweifel, er hörte in der Ferne menschliche Stimmen. Er dachte schon, er müsste doch umkehren, da teilten sich die Äste vor ihm, und Grigio war da. Natürlich erreichte er nun sicher sein Ziel!
Zum letzten Mal erschien der Hund – 31 Jahre nachdem er zuerst aufgetaucht war – in Bordighera, als der Heilige sich dort verirrt hatte. Danach wurde er nie mehr gesehen.
Wir wollen nicht behaupten, dass die Klugheit und Hingabe dieses Tieres in sich selbst außergewöhnlich waren. Hunde haben ja einen glänzenden Ruf hinsichtlich ihres Instinktes für den Schutz ihres Herrn. In Griechenland wurde dem Hund eines gewissen Alkibiades ein Denkmal gesetzt, der seinem Herrn durch dick und dünn beigestanden hatte, der sogar in der Seeschlacht von Salamis neben ihm her geschwommen war – 480 Jahre, bevor Unser Herr geboren wurde. Und immer wieder und durch alle Zeiten sind erstaunliche Dinge über Klugheit und Opfermut dieser Tiere berichtet worden: aber ich denke, wir müssen doch zugeben, dass Grigio einen besonderen Platz unter ihnen verdient!