Einer der eifrigsten Glaubensboten in deutschen Landen war im siebten Jahrhundert der heilige Erhard. Wahrscheinlich stammte er aus einer angesehenen Familie Schottlands und zog, wie so viele seiner Landsleute, über das Meer, um den heidnischen Völkern Deutschlands die Segnungen des Christentums zu bringen. Schon als Junge zeichnete er sich durch Lernbegierde und fromme Übungen aus und durch angestrengten Fleiß erwarb er einen reichen Schatz von Kenntnissen und Tugenden. Versuchungen und Prüfungen mancherlei Art blieben auch ihm nicht erspart, aber mit dem Beistand der göttlichen Gnade bezähmte er die Sinnenlust, überwand die Lockungen des Geistes der Finsternis, und verachtete die Reize der Welt.
Zum Priester geweiht, verdoppelte Erhard seinen Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen. Hatte er während des Tages die Unwissenden belehrt, die Sünder mit Gott versöhnt, die Betrübten getröstet, dann warf er sich des Nachts auf seine Knie nieder, um in Gebet und Betrachtung mit Gott zu verkehren und neue Kraft für seinen apostolischen Beruf zu gewinnen. Die Unschuld und Herzensreinheit seiner frühesten Kindheit bewahrte er unverletzt bis zum letzten Lebenshauch. Um dieses unschätzbare Kleinod zu erhalten, empfahl er sich täglich dem Schutz der reinsten Jungfrau Maria, und im heiligen Messopfer legte er seine Seele ganz in die Hände seines Erlösers.
Wegen seiner Weisheit und Tugend zur bischöflichen Würde erhoben, arbeitete er mit verdoppeltem Eifer für das Heil der Seelen, stand seinem Bruder Hildulf, Bischof von Trier, würdig zur Seite und wanderte unermüdlich von einem Ort zum andern, um den Samen Gottes in die Herzen zu säen. Er hatte die Freude, eine reiche Frucht aus seiner Saat emporsprossen und gedeihen zu sehen. Sein mildes, eindringliches Wort erweichte die härtesten Herzen, sein erbauliches Beispiel fand Nachahmung. Da er bemerkte, dass das Volk besonders bei häuslichen Unglücksfällen noch häufig zu heidnischem Aberglauben und Zaubereien seine Zuflucht nahm, und bedachte, wie leicht oft den Leuten zu helfen wäre, wenn sie sich zu Gott wenden und die Segnungen der Kirche vertrauensvoll gebrauchen wollten, so gab er ihnen unter vielfachen Belehrungen und Ermahnungen geweihte Sachen, und zog sie damit von den Götzen zu dem allmächtigen Gott. Als sein heiliger Bruder Hildulf starb, richteten sich aller Augen auf Erhard als den würdigsten Nachfolger. Aus Furcht vor dieser Würde entfloh er heimlich aus Trier und begab sich mit seinem anderen Bruder Albert nach Bayern. Unterstützt von den Liebesgaben frommer Seelen gründete er vierzehn Klöster, unter diesen das nachmals berühmte Reichsstift Niedermünster zu Regensburg, wo er sich nach dem Tod Emmerams niederließ und das bischöfliche Amt verwaltete. Von Regensburg aus wirkte er unablässig in seinem apostolischen Amt, führte durch heilsame Belehrungen, durch sein aufmunterndes Beispiel und viele Wunder die Verirrten auf den rechten Weg, stärkte die Schwachen, belehrte die Unwissenden mit Geduld und Liebe und lieferte eine reiche Ernte für die Scheuer Gottes.
Einst erhielt Erhard in einem Gesicht die göttliche Weisung, sich zum Kloster Palma im Elsass zu begeben, um dort ein von Geburt an blindes Mädchen zu taufen und ihm das Licht der Augen wiederzugeben. Dieses Kind war die Tochter des elsässischen Herzogs Eticho und seiner Gemahlin Bereswinda und kam blind zur Welt. Der erzürnte Vater befahl, das Kind aus der Welt zu schaffen. Allein die fromme Mutter ließ ihr zärtlich geliebtes Kind durch eine treue Magd heimlich aus dem Schloss schaffen und aufs sorgfältigste verpflegen. Da sie aber immer noch fürchtete, es möge der Aufenthaltsort ihres Kindes ihrem jähzornigen Gemahl bekannt werden, ließ sie es zu einer guten Freundin, der Äbtissin im Kloster Palma, bringen. Unaufhörlich betete die fromme Mutter für ihr Kind und fand Erhörung. Eines Tages klopfte der Bischof Erhard an die Klosterpforte, unterrichtete die bereits zwölfjährige Herzogstochter sorgfältig in der christlichen Religion, erteilte ihr dann feierlich die heilige Taufe und gab ihr den Namen Othilia. In demselben Augenblick, wo Othilia mit dem Taufwasser begossen wurde, erhielt sie das Licht ihrer Augen wieder. Alle Umstehenden staunten und lobten Gottes Allmacht und Güte. Voll Dank weihte sich Othilia ganz dem Dienst Gottes, nahm auf den Rat des heiligen Bischofs den Schleier und stiftete das Kloster Hohenburg, dessen erste Äbtissin sie wurde. Sie lebte und starb als Heilige.
Der heilige Bischof Erhard kehrte nach Regensburg zurück, wo er nach einigen Jahren seinen ruhmreichen Lauf glücklich vollendete am 8. Januar um das Jahr 700. Sein Leib ruht in der Nonnenkirche Niedermünster zu Regensburg. Papst Leo IX. nahm ihn im Jahr 1052 in die Zahl der Heiligen auf. Bei Gelegenheit des elfhundertjährigen Jubiläums des Bistums Regensburg im Jahr 1840 wurden die Reliquien des heiligen Erhard feierlich erhoben und mit denen der Diözesanpatronen Wolfgang und Emmeram in feierlicher Prozession durch die Stadt getragen und nach beendigten Jubiläum im St. Erhardi-Altar zu Neumünster wieder beigesetzt. Die Bewohner der Stadt und des Bistums verehren noch heute dankbar ihren hochverdienten Bischof Erhard.