Enge Stuben und Kleinstadtgeschwätz sind nicht jedermanns Sache. Der junge Pfarrverweser von Sallent in Nordspanien hielt es eines Tages nicht mehr aus, vor leeren Bänken zu predigen und ein paar Schulkindern Beicht zu hören, während jenseits der Meere Millionen von Heiden unerlöst dahinlebten. Die Sehnsucht nach den Missionen verführte ihn zu einem kühnen Husarenstück: Er reiste kurzerhand nach Rom und stellte sich der Kongregation de propaganda fide zur Verfügung. Gleichzeitig trat er in das Noviziat der Jesuiten ein. Allein der Wille Gottes zerschlug ihm diese selbstherrlichen Pläne. Krank kehrte er zurück.
Aber Männer wie Anton Claret lassen sich nicht entmutigen. Wollte Gott nicht, dass er bei den Heiden für ihn kämpfte – nun wohl, auch in der Heimat gab es Arbeit genug. Er begann den großartigen Feldzug der Glaubenserneuerung, der ihn durch ganz Katalonien führte. Fünf- bis achtmal am Tag sprach er zu einer ständig wechselnden Hörerschaft von der Liebe Gottes, sprach mit der gleichen Ergriffenheit, die ihn selbst durchbebte, und weckte den schlummernden religiösen Eifer seines Volkes zu einer Massenbewegung, wie man sie seit den Tagen des heiligen Vinzenz Ferrer nicht mehr erlebt hatte. Sein Beichtstuhl war Tag und Nacht umlagert, stadtbekannte Kirchenfeinde schworen in seine Hände ihre Verirrungen ab, und wenn er nach kurzem Schlaf auf einem Stuhl in der Morgenfrühe, ein Bündel mit seinen Habseligkeiten am Stock über der Schulter tragend, zu Fuß dem nächsten Ort zuwanderte, läuteten schon die Glocken, und alles Volk erwartete ihn wie einen Propheten und Heiligen.
Eben hatte er in Vich die „Missionsgesellschaft der Söhne vom Unbefleckten Herzen Mariä“ gegründet, als er zum Erzbischof von Kuba ernannt wurde. Spanien war ein heißer, steiniger Acker, aber immerhin ein Acker gewesen. Das Land seiner Bestimmung aber war ein brodelnder Hexenkessel, aufgerührt von politischem Hass, wucherischer Ausbeutung und einer fast beispiellosen Verwilderung der Sitten. 125 Priester auf einer Fläche, halb so groß wie Spanien, das Priesterseminar seit Jahrzehnten ausgestorben – wer hier einst ernten wollte, musste den Boden sehr tief umpflügen. Wieder spannte Anton Claret das Netz seiner Volksmission über die ganze Insel, arbeitete bis zur Erschöpfung, gründete Sparkassen, Schulen für das Landvolk und eine Schwesterngenossenschaft zur Erziehung der Kinder, ging scharf gegen den Sklavenhandel vor, schützte die Einheimischen gegen die Willkür der spanischen Behörden, erzog sich eine neue, tapfere Schar von einheimischen Priestern und schuf in sechs Jahren das verlotterte Kuba trotz hartnäckiger Verfolgung durch die Freimaurer zu einem blühenden Gottesreich um.
Doch die Heimat rief ihn zurück. Königin Isabella II. von Spanien verlangte ihn zu ihrem Seelenführer. Der Sohn eines armen Handwerkers am glanzvollsten Hof Europas – würde er den Mut haben, dort die Botschaft Christi ebenso offen zu verkünden wie auf den Dorfkanzeln Kataloniens? Bald wird sein Einfluss auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens spürbar, früher als andere erkennt er die Macht des gedruckten Wortes und wirft Flugblatt auf Flugblatt unter das Volk. Nur von der Politik hält er sich fern. Dennoch erreichen seine Feinde, dass er im hohen Greisenalter außer Landes gehen muss, nachdem er sich sein Leben lang für Spanien aufgeopfert hat. Auf Kuba hatte ihm ein Attentäter mit dem Rasiermesser die Wange aufgeschlitzt. Jetzt ist die Verbannung sein Los. Am 24. Oktober 1870 ereilt ihn in einem französischen Kloster der Tod. Auf seinem Grabstein stehen die Abschiedsworte Gregors VII.: „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehasst, darum sterbe ich in der Verbannung.“
Das Leben des Antonius Maria Claret aus anderer Quelle:
Von den Zinnen der Ewigkeit wacht der liebe Gott über das Schicksal der Völker. Damit sie nicht ganz abirren von ihrem Endziel und der Verblendung anheimfallen, sendet er ihnen von Zeit zu Zeit große Männer und Frauen, die mahnend ihre Stimme erheben und wie Wegweiser in der Geschichte der Völker stehen. So ein Mann der Vorsehung war der heilige Pater Antonius Claret im neunzehnten Jahrhundert für das Spanierland, das mehr und mehr zerbröckelte und mit dem zeitlichen Erbe seiner Vorfahren auch deren Glaubenstreue und Sittenreinheit großenteils eingebüßt hatte.
Der heilige Antonius Claret erblickte das Licht der Welt am 23. Dezember 1807 in Sallent, einem Industriestädtlein Nordspaniens, das nicht weit vom weltberühmten Manresa entfernt ist. Er war das fünfte Kind einfacher Handwerksleute, die sich mit ihrer Hände Arbeit das Leben verdienten und über der Sorge für das Irdische die jenseitigen Güter nicht vergaßen. Der junge Anton war ausnehmend fromm, sorgsam und sittenrein. Der Gedanke an die Ewigkeit mit ihren Freuden oder Leiden ohne Ende hatte ihn im zartesten Alter schon derart ergriffen, dass er später bekannte, im Alter von fünf Jahren habe er des Nachts anstatt zu schlafen über die Ewigkeit nachgegrübelt und bitter darüber geweint, dass so viele Menschen so unbekümmert über ihr ewiges Heil leben und ewig zugrunde gehen. Er fand deshalb keine Ruhe, bis er nach Beilegung zahlreicher Schwierigkeiten die Studien ergreifen und sich ganz in den Dienst der Seelen stellen konnte. Er war nicht ganz dreißig Jahre alt, als er das Glück hatte, das erste heilige Messopfer darzubringen, und zwar im Juni 1835. Schon während dieser ernsten Zeit der Vorbereitung konnten Mitstudierende und Vorgesetzte an dem frommen und strebsamen Theologiekandidaten jenes geheimnisvolle Etwas beobachten, das auf ein wundersames, heiligmäßiges Innenleben hindeutete.
Wenn wir die vielseitige, alle Arten des geistlichen Berufes umfassende Tätigkeit des heiligen Anton Claret mit einem Blick überschauen, so drängt sich das unwidersprochene Urteil auf: Der Seelsorger, der Volksmissionar, der Bischof und Seelenführer einer Herrscherin hat wahrhaft Großes geleistet für die Belebung und Hebung des heiligen Glaubens und für das Heil der unsterblichen Seelen. Dieser einzigen Aufgabe seines Lebens mussten alle Kräfte des Geistes und Körpers dienen.
Für einen vom Feuer der Gottesliebe erfassten Priester, der alle Herzen Gott zuführen möchte, erwies sich der erste Wirkungskreis als Benefiziat und Pfarrverweser seiner Vaterstadt als viel zu eng. Claret entschloss sich nach Rom zu gehen und sich der Kongregation zur Ausbreitung des Glaubens zur Verfügung zu stellen. Er ließ sich von Pater Roothan in die Gesellschaft Jesu aufnehmen. Da er aber noch vor Ablauf des Noviziatsjahres erkrankte, kehrte er auf den ausdrücklichen Rat des genannten Paters wieder nach Spanien zurück. Gott hatte ihn für einen anderen Ordenszweig bestimmt, den er selbst in den Garten der Kirche einsetzen sollte.
Als Pfarrverweser begann Anton Claret begann Anton Claret im Alter von dreiunddreißig Jahren, 1840, seine so berühmt gewordenen Volksmissionen, zu denen die Leute von allen Seiten herbeieilten. Um sich diesem Wirkungsfeld ganz und ungeteilt widmen zu können, ließ er sich seines Amtes entheben und siedelte nach Vich über. Ganz Katalonien und die kanarischen Inseln wurden der Schauplatz seiner apostolischen Tätigkeit. Eine Welle religiösen Erwachens ging durch das ganze Land, wie man sie bloß zu den Zeiten eines heiligen Vinzenz Ferrer und eines seligen Diego von Cadiz erlebt hatte. Das Volk verehrte ihn wie einen Heiligen. Die Bekehrungen großer Sünder waren sehr zahlreich. Tage gab es, wo der Missionar fünf- bis achtmal die Kanzel besteigen musste. Auf seiner ganzen äußeren Erscheinung, die sonst nichts Imponierendes an sich trug, war er doch eher klein als mittelgroß, lag jener überirdische Glanz, jene Art Verklärung, woran das Volk gleich den Mann Gottes erkennt. Wenn er auf der Kanzel langsam das Kreuzzeichen schlug und dann sprach von Gott, Seele und Ewigkeit, von Himmel und Hölle; sprach, wie nur Gottgesandte sprechen, da glaubte man die Posaunen des letzten Gerichtes zu vernehmen und eine heilige Stille herrschte im weiten Gotteshaus. Höchstens vernahm man das unterdrückte Schluchzen gerührter Herzen, die ihre Sündenschuld bereuten und in bußfertiger Gesinnung wieder heimkehren wollten zu ihrem Gott und Schöpfer, den sie durch die Sünde verlassen hatten. Nach der Predigt drängte alles zum Beichtstuhl; jedermann wollte beim „Heiligen“ sein Sündenbekenntnis ablegen. Man sagte, dass er den inneren Seelenzustand seiner Beichtkinder durchschaute und des Öfteren auf Sünden und Umstände aufmerksam machte, die schon längst vergessen waren. So geschah es nicht selten, dass der unermüdliche Arbeitsmann Gottes tagelang kaum aus dem Beichtstuhl kam. Seine innersten Gefühle gibt das Bekenntnis wieder, das er in seiner im Gehorsam geschriebenen Selbstbiographie ablegt: „Die Liebe zum Nächsten lässt mir Tag und Nacht keine Ruhe, sie drängt mich innerlich von Ort zu Ort zu eilen, Gottes Wort zu verkünden und zu warnen: „Ach, Sünder, du mein Freund, du wankst ja der Hölle zu! Halt ein, keinen Schritt weiter!“ Wie oft bete ich mit der heiligen Katharina von Siena: „Lass mich, o Herr, Höllenpforte werden, damit ich alle, die dort eintreten wollen, anhalten und warnen kann: Wohin, wohin, du Unglücklicher! Kehr um, leg eine gute Beichte ab und rette deine Seele!“
Gott wirkte Großes durch seine Diener, doch müssen diese durch heldenhafte Tugend, seltenen Opfergeist und Selbstverleugnung gefügige Werkzeuge in seiner Hand sein. Das war der heilige Pater Claret. Die Wege machte er immer zu Fuß. Bei Tisch war er so genügsam, dass sich viele wunderten, wie er nur leben konnte. Fleischspeisen und Wein genoss er nicht. Die wenigen Habseligkeiten, deren er auf seinen Missionswanderungen bedurfte, trug er in einem Tüchlein mit sich. Hatte er sich den ganzen Tag hindurch rastlos abgearbeitet oder war er von den langen Wanderungen matt und müde, so gönnte er sich doch noch keine Ruhe. Er wachte bis Mitternacht, betete, studierte und schrieb. Nach wenigen Stunden der Ruhe, bisweilen auch einmal nach kurzem Schlummer auf einem Stuhl, trug er in früher Morgenstunde Sorge für seine Seele, die er durch Betrachtung und heilige Messe erquickte und stärkte. Dann stieg er gleich Moses herab von den Höhen des Gebetes in die Niederungen des alltäglichen Lebens, um dort die Menschenkinder durch Wort und Schrift und Beispiel an das einzig Notwendige zu erinnern, um Traurige zu trösten, Zweifelnde aufzurichten und den Sündigen Buße und Besserung zu predigen.
Mitten in seinen Missionsarbeiten, im August 1849, traf den seeleneifrigen Priester unerwartet die Nachricht, dass beabsichtigt sei, ihn zum Erzbischof von Santiago de Cuba zu ernennen. Überzeugt von seiner Unwürdigkeit und Unfähigkeit zu einem so verantwortungsvollen Amt, ließ er kein Mittel unversucht, um die Ausführung dieses Vorhabens zu vereiteln. Erst im Gehorsam nahm er die schwere Bürde auf sich und schiffte sich im Dezember 1850 nach Cuba, der früheren (bis 1901) Besitzung Spaniens in Mittelamerika, ein. Ein Stich ging ihm durchs Herz, als er sein neues Wirkungsfeld betrat. Mangel an Verständnis für die Landesbedürfnisse von Seiten des spanischen Mutterlandes, zahlreiche innere Aufstände und Unabhängigkeitsversuche, der Eigennutz der Kaufleute und so manches andere hatten politische und religiöse Zustände geschaffen, die trostlos waren. Seit Menschengedenken war kein Geistlicher mehr aus dem Priesterseminar hervorgegangen. Im ganzen ausgedehnten Erzbistum wirkten 125 Seelsorger, die selbst bei bestem Willen nicht imstande gewesen wären allen Anforderungen der Seelsorge zu genügen. Viele Ortschaften hatten überhaupt keine Kirche, oder wenn sie eine besaßen, fehlte der Priester. Man kann sich denken, wie es um Glauben und Sitten auf der Insel stehen mochte wo das Volk von Natur aus willensschwach ist, in einem erschlaffenden Klima wohnt und fast durchwegs einer tüchtigen Erziehung entbehrt. Die verwerflichste Zuchtlosigkeit und sittliche Verwirrung hatte sich im öffentlichen Leben breit gemacht. Von den Behörden wurde sie eher gefördert als eingedämmt. Nur ein Heiliger und ein Mann wie Pater Claret konnte noch den Mut haben, in diesen misslichen Verhältnissen die Hand ans Werk zu legen und eine Umwandlung im Leben und Denken der Inselbewohner zu versuchen. Gleich nach seiner Ankunft begann er mit einigen erfahrenen, seeleneifrigen Weltpriestern, die er aus Spanien mitgebracht hatte, die Insel zu durchziehen und allüberall Volksmissionen abzuhalten. Er stieß auf die größten Schwierigkeiten, nichtsdestoweniger erzielte er die schönsten Früchte. Öffentliche Sünder bekehrten sich, die Leute fingen wieder an ihren religiösen Pflichten nachzukommen, viele unerlaubte eheliche Verbindungen wurden durch den Empfang des kirchlichen Sakramentes in Ordnung gebracht oder ganz aufgegeben. Das alles ging nicht ab ohne schweren Kampf. Die Freimaurer und andere im Dunkeln arbeitende Gewalten, die gewahrten, dass ihres Treibens nicht länger sein könnte, ließen keine Mittel unversucht, um den unerwünschten Sittenprediger aus dem Weg zu schaffen. Verleumdungen und allerlei falsche Gerüchte waren die Waffen, womit sie aus dem Hinterhalt gegen den Mann Gottes ankämpften. Der unerschrockene Erzbischof verlangte selbst sehnlichst nach dem Martertod. Er hatte sich dem Herrn ganz ergeben und wünschte mit seinem Blut zu bestätigen, was er voller Überzeugung lehrte. Gott bot ihm eine Gelegenheit dazu am 1. Februar 1846. Als er nach einer stark besuchten Predigt zu Holguin die Kirche verließ, trat ein Mann an ihn heran, der allem Anschein nach den Hirtenring küssen wollte, in Wirklichkeit aber ein Rasiermesser zog und ihm damit einen Schlag in das Genick versetzte. Er verfehlte das Ziel und traf dafür die Wange, die er ihm vom Ohr ausgehend bis ans Kinn weit aufriss. Durch einen weiteren Schlag, der auch fehl ging, brachte er ihm eine Wunde an der Hand bei. Der Übeltäter wurde an Ort und Stelle verhaftet. Der Erzbischof aber ersuchte um Nachsicht für ihn beim Gericht. Gott gewährte dem Leidenden großen inneren Trost. Seine Heilung ging anscheinend schnell vonstatten, doch gelang es den Ärzten nicht, einen Speichelausfluss zu stillen, der sich infolge der Verwundung aus einer Fistel an der Wange ergoss. Man war schon daran, eine fast aussichtslose Operation vorzunehmen. Die Nacht vor dem festgesetzten Tag rief der Kranke vertrauensvoll die Hilfe der seligsten Jungfrau an und hielt sich bereit zu allem, was der Wille Gottes wäre. Da fühlte er sich trotz der Entzündung augenblicklich geheilt. Die Ärzte waren am folgenden Tag nicht wenig erstaunt und wussten die Heilung der Fistel auf natürlichem Weg nicht zu erklären.
Heilige lassen sich nicht irre machen durch Tausende von Schwierigkeiten. Für den Missionar und Erzbischof von Cuba war das Apostelwort: „Die Liebe Christi drängt uns“ die Losung, die auf seinem Wappen stand und in seinem Herzen brannte. In der Triebkraft der Liebe Christi leistete er eine Riesenarbeit auf Cuba. Hatte er doch auch ein Auge und eine geschickte hilfreiche Hand für alle zeitlichen Bedürfnisse der ihm anvertrauten Herde. Er legte eine Ackerbau- und Handwerksschule an, schrieb sogar für das Volk ein sehr ansprechendes Büchlein über die „Freuden des Landes“, gründete Sparkassen, trat als Beschützer und Anwalt der Sklaven auf, vermittelte bei Zerwürfnissen zwischen den Eingeborenen und den spanischen Behörden, verhinderte auf dem Weg friedlicher Verhandlungen Aufstände, kurz er war ein wahrer Apostel und immer gleichmütiger Helfer in allen Nöten des Volkes. Dazu schuf er sich auch Hilfskräfte in einer guten, brauchbaren Geistlichkeit, setzte mit Güte und Strenge die Erneuerung des älteren Klerus unerbittlich durch, zog Ordensleute von auswärts heran und stiftete selbst eine Schwesterngenossenschaft, die sich hauptsächlich der Kindererziehung annahm.
Nach dem Maßstab seiner ungeteilten Hingabe an Gott und die Seelen wurde Antonius vom Himmel mit zahlreichen außergewöhnlichen Gnaden beschenkt. Von seinem Aufenthalt in Cuba wissen wir, dass er nicht nur vorausschauend Erdbeben und andere Strafgerichte Gottes ankündigte, sondern auch durch bloßes Berühren des Bodens mit der Hand dem Erdbeben Einhalt gebot. Himmlische Erscheinungen, Offenbarungen und wunderbare Gebetserhörungen sind keine Seltenheit in seinem Leben. Kein Wunder, wenn ihm alle Guten im Land als dem Gesandten des Herrn zujubelten.
So verstrichen sechs Jahre im Leben Antonius` mit ihrem bunten Gewebe von Freuden und Leiden, Erfolgen und Verfolgungen, sechs Jahre voll reichsten Segens für Cuba und großer Verdienste für den Diener Gottes. Die Vorsehung lenkte nun seine Schritte wieder heimwärts, dem spanischen Mutterland zu.
Im Jahr 1857 erging ein Dekret, das den verdienten Erzbischof von Cuba zum Beichtvater der Königin Isabella II. an den spanischen Hof rief. Erst die ausdrückliche Zustimmung des Heiligen Vaters Pius IX., dem er seine Bedenken vorgetragen, vermochte ihn dazu dem Ruf auf das „ausgedehntere Wirkungsfeld am Hof Spaniens“ Folge zu leisten. Doch war Antonius Claret viel zu nüchtern und schlicht, als dass er sich auf solchem Boden hätte heimisch fühlen können. Indessen kam er seinen Pflichten getreu nach. Indem er sich nur vom Eifer für Gottes Ehre leiten ließ, gelang es ihm bald, eine allgemeine Hebung des religiösen Lebens am Hof herbeizuführen. Außerordentliche Bekehrungen häuften sich. In seinen Forderungen auf Abstellung von Missständen war er unerbittlich. So groß sein Einfluss auf die Königin war, so mischte er sich nie in rein politische Angelegenheiten. Als aber die Königin, dem Drängen und Drohungen ihrer Minister nachgebend, 1865 dem italienischen Raubkönigreich die Anerkennung zuteilwerden ließ, machte ihr der Erzbischof als Gewissensberater ernste Vorhaltungen, verließ Madrid, ging nach Rom und kehrte erst auf Wunsch des Papstes wieder in sein Amt zurück.
Hier blieb seine Tätigkeit keineswegs auf den engeren Kreis des Hofes beschränkt. Der Erzbischof besuchte die Spitäler, Gefängnisse und sonstige Anstalten, hielt Vorträge für Ordensfrauen, Priester und Studierende und Konferenzen für alle Stände. Obwohl hierdurch schon die ganze Kraft eines arbeitsfreudigen Mannes in Anspruch genommen wurde, lag doch die Hauptbetätigung des heiligen Claret während seiner Madrider Zeit auf dem Gebiet der guten Presse. Er gründete einen eigenen Verlag für religiöse Schriften und schrieb selbst erstaunlich viele Volksbücher und Flugblätter, die zu Tausenden in die breiten Schichten der Bevölkerung wanderten. Als Leiter des Escorials, der Bildungsanstalt des Klerus bei Madrid, führte er einen mustergültigen, ganz auf moderne Seelsorgsverhältnisse eingestellten Studienplan ein und schrieb ein sehr gediegenes zweibändiges Werkchen, eine Art Tugendschule für die Priesterkandidaten. Rühmend muss noch der rege Anteil des Erzbischofs Claret am Vatikanischen Konzil 1869/70 hervorgehoben werden, wo er als beflissener Verteidiger der päpstlichen Unfehlbarkeit auftrat und bei den versammelten Kirchenfürsten ob seiner Gelehrsamkeit und Tugend den günstigsten Eindruck hinterließ.
Dass der heilige Antonius Claret in seiner hohen, der vollen Öffentlichkeit ausgesetzten Stellung in der Landeshauptstadt noch mehr eine erbitterte Verfolgung der Glaubensfeinde auf sich zog, ist nun einmal das Los der für Gottes Sache streitenden Menschen. Man versuchte nicht nur seinen Namen durch gewissenlose Verleumdungen mit Schande zu bewerfen, sondern strebte ihm abermals verschiedene Male nach dem Leben. Gottes Schutz war augenscheinlich. Aber noch an seinem Lebensabend traf ihn das Schicksal, dass er seine Heimat verlassen und vor seinen Feinden nach Frankreich flüchten musste. Dort starb er in der Verbannung in einem Kloster von Fontfroide am 24. Oktober 1870. Auf sein Grabmal schrieb man mit Recht die bekannten Worte des sterbenden Gregors VII.: „Weil ich die Gerechtigkeit geliebt und die Missetat gehasst habe, muss ich in der Verbannung sterben.“
Die von Claret ins Leben gerufene Missionsgenossenschaft der Söhne vom Unbefleckten Herzen Mariä, im Hinblick auf des Stifters Namen auch Claretiner genannt, wozu er schon 1849 in Vich den Grundstein legte, ist die Erbin seines Geistes und seiner Ideale geworden. Innenmissionen, Heidenmission, Exerzitien, Leitung von Seminarien, Pressetätigkeit und wissenschaftliche Studien sind Zweck der Genossenschaft. In ihr geht der heilige Diener Gottes noch über die Erde und wird es tun bis zu der Zeiten Ende. Die erste deutsche Niederlassung kam 1923 zustande auf dem altehrwürdigen, als Wallfahrtsort bekannten Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen in Württemberg. Im Jahr 1925 folgte Weißenhorn-Hegelhofen in Bayerisch-Schwaben, wo ein größeres Missionshaus und Studienkolleg errichtet werden soll, 1928 Dillingen. Die gesamte Genossenschaft hat nahezu 3000 Mitglieder, die auf der ganzen Welt zerstreut sind.
Im 20. Jahrhundert ging die Ausbreitung weiter. Es gab aber auch Rückschläge und Not. Allein während des Spanischen Bürgerkrieges wurden 271 Missionare getötet (1992 wurden 51 von ihnen als „Märtyrer von Barbastro“ seliggesprochen). 1949 wurden alle Missionare aus China vertrieben. Die Heiligsprechung des Ordensgründers Antonius Maria Claret im Jahr 1950 sowie das Zweite Vatikanische Konzil brachten eine Erneuerung für die Kongregation. Zum 15. Dezember 2013 zählt die Kongregation 19 Bischöfe, 2.155 Priester, zwei ständige Diakone, 164 Brüder, 5553 Studenten mit Profess und 120 Novizen, verteilt auf 487 Gemeinschaften in 64 Ländern.
Wenn wir nur in etwa den glühenden Seeleneifer des heiligen Paters Antonius Claret nachahmen möchten! Reichen wir doch unseren in Sünde und Gottentfremdung versinkenden Mitmenschen die Hand, indem wir für sie beten, Opfer für sie bringen und keine Gelegenheit versäumen, sie durch Liebesdienste, Belehrung oder ein gutes Wort zu Gott zurückzubringen.