Heilige Euphemia von Chalcedon, Märtyrin, + 16.9.304 – Fest: 16. September

 

Eine seit dem vierten Jahrhundert im Morgenland wie im Abendland hochverehrte Heilige ist Euphemia, deren Haupt der Doppelkranz der Jungfräulichkeit und des Martyriums ziert. Ihr Lebensweg weist nach Chalcedon, einer kleinasiatischen Küstenstadt, Konstantinopel gegenüber. In der prachtvollen Kirche, die sich schon im vierten Jahrhundert über ihrer Grabstätte erhob, tagte im Jahr 451 das berühmte vierte Allgemeine Konzil von Chalcedon, das die kirchliche Lehre von den zwei Naturen in Christus verkündete, von der göttlichen und menschlichen, die in der einen göttlichen Person des Gottmenschen vereinigt sind.

 

Von dem reichen Tugendleben der heiligen Jungfrau erfahren wir wenig, mehr vom ergreifenden Todesleiden der standhaften Blutzeugin. Der gefeierte Dichter Ennodius, der als Bischof von Pavia zu Anfang des sechsten Jahrhunderts starb, weiht dem Heroismus ihrer Tugend folgende Denkverse:

 

O Jungfrau, welcher Mund, welche Feder vermag

Gebührend zu rühmen deiner Tugend Preis?

Lern` Kraft von ihr, du glaubensschwacher Mann!

Du tugendkranker Jüngling, wie beschämt

Der starken Jungfrau leuchtend Vorbild dich!

Sieh, ihre Tugend kennt nicht weiche Kindesart,

Kein schwaches Geschlecht, gebroch`nen Mannesmut.

Ihr Herz, das bräutlich Christi Geist umfängt,

Zerreißt die Bande des Vergänglichen.

Der Geist, der Gottes Kraft und Feuer sprüht,

Trotz stark und sieghaft jeder Marterpein.

 

Die Einzelheiten ihres Martyriums bewahrte anschaulicher als der Stift des Geschichtsschreibers der Pinsel des Malers der Nachwelt auf. Sie standen nämlich, sichtbar aller Augen, von den Gemälden abzulesen, die die Wände ihrer Kirche in Chalcedon schmückten. Bischof Asterius von Amasea im vierten Jahrhundert hat sie beschrieben. Er leitet die Schilderung mit folgendem frommem Gedenken ein: „Eine heiligmäßige Frau, eine unversehrte Jungfrau, namens Euphemia, hatte Gott ihre Keuschheit gelobt. Als eines Tages der Tyrann über die frommen Christen eine Verfolgung verhängte, setzte sie freudig und freiwillig ihr Leben ein. Ihre Volks- und Glaubensgenossen aber errichteten ihr voll Bewunderung für die Glaubenszeugin und das ruhmvolle Vorbild der Standhaftigkeit und Heiligkeit nahe beim Gotteshaus eine Grabstätte. Hier setzten sie ihren Leichnam bei und erweisen ihr seitdem öffentliche Verehrung. Sie begehen den Jahrestag als gemeinsamen Freuden- und Festtag des ganzen versammelten Volkes. Zwar ehren die geweihten Ausleger der Geheimnisse Gottes fort und fort in ihrem Predigtwort deren Gedächtnis und machen die Gläubigen, die sich beim Gottesdienst einfinden, mit allem Nachdruck aufmerksam, wie jene im Leidenskampf ausharrte und vollendete. Aber auch der fromme begeisterte Maler zeichnete, so gut es ging, ihre ganze Leidensgeschichte in lebendiger Darstellung auf die Leinwand und ließ das heilige Gemälde daselbst nahe bei der Grabstätte allen sichtbar aufhängen.“

 

In vier Einzelbildern brachte „das herrliche Kunstwerk“ wohl nach einer glaubwürdigen Überlieferung das glorreiche Leiden der Blutzeugin zur stimmungsvollen Darstellung. Das erste Bild stellte das Verhör der Glaubensbekennerin dar: „Erhaben sitzt der Richter auf seinem Stuhl und starrt mit finsterem, trotzigem Blick auf die Jungfrau.“ Diese steht in dunkler, schlichter Kleidung, die Augen keusch zu Boden gesenkt, „unerschrocken und furchtlos“ vor ihm und seinen Beisitzern. Zwei Soldaten bewachen sie, während die Schreiber ihre Wachstafeln in der Hand halten, um das Verhör und den Richterspruch aufzuzeichnen. Menschenhand gräbt ihr Todesurteil in Wachs, Gottes Hand schreibt gleichzeitig ihren Namen ins Buch des ewigen Lebens.

 

Das zweite Bild schilderte in ergreifender Anschaulichkeit die Marter, die die Heilige zu erdulden hatte: Ein Henker beugt ihr gewaltsam das Haupt nach rückwärts. Ein zweiter hält mit roher Hand ihr Gesicht fest. Ein dritter bricht ihr grausam mit einer Zange und einem Hammer die Zähne aus. „Unwillkürlich musste ich in Tränen ausbrechen, fügt der fromme Beschauer bei, und im Mitleid erstickte mir das Wort.“

 

Das dritte Gemälde zeigte die standhafte Dulderin im Kerker: „Verlassen sitzt sie da in dunkler Kleidung. Beide Hände streckt sie zum Himmel aus und ruft Gott zum Helfer an in ihrer Not. Da erscheint der Betenden über dem Haupt ein Kreuz . . . das Sinnbild, wie ich glaube, ihres bevorstehenden Leidenstodes.“

 

Auf dem vierten Bild war ein brennender Scheiterhaufen abgebildet. Mitten in den Flammen steht die christliche Martyrin, die Hände zum Himmel erhoben. „Ihr Gesicht verrät keine Trauer, sondern vielmehr die Freude der Pilgerin, der nach dem leiblichen Tod das ewige Leben winkt.“

 

Nach einer andren Überlieferung soll Euphemia den Tod durch den Biss eines wilden Tieres erlitten haben, dem sie vorgeworfen wurde. Selbst noch im Grab streckte sich des Verfolgers frevle Hand nach ihr aus. Kaiser Konstantin Kopronymus von Byzanz, der wütende Feind der Bilder Christi und der Heiligen, ließ in der Mitte des achten Jahrhunderts die Kirche der heiligen Euphemia entweihen und ihre leiblichen Überreste ins Meer werfen. Durch zwei Brüder aufgefunden, wurden sie indes später von der Kaiserin Irene in die neu hergestellte Kirche zurückgebracht und der Verehrung der Gläubigen wiedergeschenkt.

 

Lassen wir noch länger das Auge ruhig auf dem Bild der leidenden und sterbenden Martyrin haften. Bischof Asterius, der es uns oben beschrieb, mahnt zum Schluss dazu. Und wer es befolgt, wird sicherlich inne werden, was er selbst erfahren: Je mehr man den betrachtenden Blick darin versenkt, umso weniger lässt sich das Ergreifende und Erbauende daraus in Worte fassen, umso mehr reißt es zum nachahmenden Tun fort.