Das erste Jahrhundert der Kirche sah eine der berühmtesten Jungfrauen, die Jesus Christus ihr Leben geweiht haben, an der heiligen Thekla. Diese Jungfrau war mit den vortrefflichsten Geistesgaben ausgestattet, die sie dazu benutzte, sich mit der Philosophie und den schönen Wissenschaften bekannt zu machen. Bei allen ihren Vorzügen war sie ungemein bescheiden und sittsam. Sie war in der Blüte ihres Alters verlobt mit einem Jüngling aus einem edlen und reichen Haus, der sich auch durch seine persönlichen Eigenschaften ganz besonders empfahl. Allein Gott, der nach seinem Wohlgefallen die Ereignisse des Lebens zum Besten der Menschen ordnet, leitete die Schritte des heiligen Paulus gen Ikonium in Lykaonien. Sobald die junge Thekla den Apostel predigen gehört hatte, wurde sie wie von einem himmlischen Licht erleuchtet. Sie entsagte dem Götzendienst und nahm die christliche Religion an. Sie tat noch mehr: vergessend auf das geschehene Verlöbnis, gelobte sie Jesus Christus ihre Jungfräulichkeit. Ihr Eifer, mit der Lehre des Evangeliums recht bekannt zu werden, trieb sie an, alles, was sie Kostbares hatten, zu verkaufen, um sich den Eingang an den Ort zu verschaffen, wo der heilige Paulus gefangen saß.
Unterdessen erfuhren die Eltern die Veränderung, die mit ihrer Tochter vorgegangen war und ließen nichts unversucht, sie auf andere Gedanken zu bringen. Der junge Mensch, mit dem sie sich vermählen sollte, vereinigte seine Bitten mit ihren Vorstellungen. Allein die Heilige blieb bei aller Zudringlichkeit standhaft bei ihrem Vorsatz. Man schreitet zu Drohungen. Man wendet sich an das Gericht. Der Verlobte bedient sich seines Ansehens, das er in der Stadt hat, sich wegen des nach seiner Meinung erlittenen Schimpfes zu rächen, und – er klagt sie als eine Christin an. Der Richter, in der Hoffnung, die zarte Jungfrau zu schrecken, lässt vor ihren Augen verschiedene Marterwerkzeuge ausstellen. Thekla schein ungerührt und lässt nur um so mehr Mut und Standhaftigkeit blicken. Ihre nächsten Verwandten, selbst ihre Mutter, reizen trotz den Regungen der Natur die Wut des Richters gegen sie und verlangen, dass man sie auf das Grausamste peinigen sollte. Sie wird zum Feuer verdammt. Allein das Feuer vermag nichts gegen sie. Sie wird den Löwen vorgeworfen. Sie nähern sich ihr mit einer Art von Achtung und lecken ihr die Füße. So weiß Gott diejenigen, die den Glauben und das Vertrauen auf ihn bewahren, zu schützen, und schon hienieden zu verherrlichen. Nach diesem hat die genannte Heilige noch mehrere Kämpfe glorreich bestanden. Ob sie aber in einem von ihnen ihr Leben gelassen hatte, oder im Frieden gestorben ist, darüber lässt uns die Geschichte in Ungewissheit. Gewiss aber ist, dass ihr Leib zu Seleucien begraben worden ist, wohin man kurz nach ihrem seligen Hinscheiden, um ihr Andenken zu ehren, von allen Seiten Wallfahrten angestellt hat. Die heiligen Väter sprechen ihr großes Lob.
Diese Märtyrin war ehedem so berühmt im ganzen Abendland, dass es ein großes Lob für eine Jungfrau war, wenn man sie eine andere Thekla nannte. Auch erschien Maria mancher frommen Person in Begleitung der heiligen Thekla als Lohn und Beweis, wie sehr sie, da sie noch auf Erden lebte, die Gottesgebärerin geehrt und ihr gedient hat.