Heiliger Hermann „Judäus“, Abt von Scheda, + 6.8.1173 (1193) – Fest: 6. August

       

In Köln am Rhein wohnte ein reicher Jude, dessen Sohn Judas in seinem 13. Lebensjahr einen seltsamen Traum hatte, den sein Verwandter Isaak dahin auslegte, dass ihm eine schöne, reiche Frau, viel Reichtum und Ehre werde zu teil werden.

 

Während der Kaiser zu Mainz Hof hielt, kam auch der zwanzigjährige Judas dorthin. An ihn wandte sich der Bischof Egebert von Münster, um von ihm eine Summe Geldes zu leihen. Der Jude gab ihm einen Vorschuss gegen Handschein, aber seine Verwandten sahen den Handschein nicht als hinreichende Sicherheit an und veranlassten den Judas, dem Bischof nach Münster zu folgen. Damit aber sein Glaube im Verkehr mit dem bischöflichen Hof nicht gefährdet werde, gab man ihm einen gewissen Baruch als Begleiter mit. Während seines mehrmonatlichen Aufenthaltes in Münster stieg in Judas der Zweifel auf, ob sein Glaube auch der rechte sei. Um die christliche Religion kennen zu lernen, besuchte er fleißig die Predigten im Dom und unterredete sich mit dem Abt Robert von Deutz, der eben in Münster verweilte. Mehr und mehr fielen ihm die Schuppen von den Augen. Auch die schönen Beispiele der Frömmigkeit und Tugend, die ihm in der Bischofsstadt vielfach begegneten, ergriffen sein Gemüt und flößten ihm Verehrung der christlichen Religion ein. Als er einst bei dem Hausverwalter des Bischofs war, setzte der ihm Speisen von der bischöflichen Tafel vor und begnügte sich selbst mit Brot und Wasser. Ein solcher Verzicht rührte den Judas sehr. Mit Unwillen bemerkte der alte Baruch die Umwandlung im Geist seines Stammesgenossen und bedrohte ihn mit Anzeige bei seiner Familie.

 

Als der Bischof nach Kappenberg reiste, begleitete ihn Judas. Hier sah er das prächtige Schloss des alten Grafengeschlechts in ein armes Kloster umgewandelt. Wo sonst Spiel und Sang und Festgelage fröhliche Genossen vereinten, herrschte jetzt klösterliches Schweigen, nur unterbrochen durch Lobgesänge zur Ehre des Allerhöchsten, wo sonst glänzende Waffenrüstungen prunkten, sah man nur asketische Gestalten in weißem Habit. Der junge Graf Gottfried, die Blüte der westfälischen Ritterschaft, kniete betend am Altar, oder predigte mit glühender Begeisterung das Wort Gottes, oder verrichtete die niedrigsten Dienste. Ein solcher Anblick übte einen überwältigenden Einfluss auf Judas. Er betete und sein Gebet zog die Gnade Gottes reichlich auf ihn herab.

 

Nach Köln zurückgekehrt, wurde Judas von Baruch sehr unfreundlich empfangen. Als der aber nach vierzehn Tagen starb, konnte er ungehinderter dem Gebet, Fasten und Studieren obliegen. Die Juden schöpften Verdacht und drangen in ihn, dass er entweder heiraten oder aus der Synagoge verstoßen werden solle. Judas ließ sich einschüchtern, heiratete eine Jüdin und lebte drei Monate lang in ehelichen Freuden, ohne sich um die göttlichen Wahrheiten zu kümmern. Dann ergriff ihn die Gnade abermals mächtig. Laut bekannte er seinen Irrtum und die Sehnsucht, Christ zu werden, flammte neu in ihm auf. Als er nach Mainz reiste, um seinen kleinen Bruder zu besuchen, schickten die Kölner Juden ihm heimlich einen Boten voran mit einem Brief an die Mainzer jüdische Gemeinde, dass sie nach der ganzen Strenge ihrer Satzungen mit Judas verfahren möchten. Der aber holte den Boten ein, nahm ihm den Brief ab und entging so dem drohenden Geschick.

 

Unerschütterlich stand jetzt der Entschluss bei Judas fest, den christlichen Glauben anzunehmen, unbekümmert um die großen Gefahren, die ihm drohten. Seinen kleinen Bruder brachte er in einem Kloster in Sicherheit, und begab sich dann selbst in ein anderes Kloster, um sich dort gründlich in der katholischen Religion unterrichten zu lassen. Dann empfing er in seiner Vaterstadt angesichts der ganzen jüdischen Bevölkerung das heilige Sakrament der Taufe. Fast die ganze Geistlichkeit und Bürgerschaft nahm an der Festlichkeit teil. In der Taufe erhielt Judas den Namen Hermann.

 

Hermann sehnte sich nach der Einsamkeit eines Klosters, um sich ganz dem Herrn zum Opfer zu bringen. Was er zu Kappenberg gesehen und gehört, hatte ihn mächtig ergriffen, seinen Verstand erleuchtet und seinen Entschluss, Christ zu werden, befestigt. Dort wollte er gern für die Ehre Gottes wirken und seine Vervollkommnung unter der Leitung der ehrwürdigen Brüder Gottfried und Otto von Kappenberg anstreben. Er klopfte dort an die Klosterpforte und fand Aufnahme als Novize. Hier nahm er täglich an Frömmigkeit und Wissenschaft zu, so dass man ihn zur Priesterwürde zuließ.

 

Um jene Zeit wurde das Schloss Scheda in der westfälischen Mark in ein Kloster umgewandelt. Ritter Boland von Ardei hatte dort bereits eine Kapelle zu Ehren des heiligen Severin erbaut. Seine Witwe Wiltrud übergab ihr Schloss dem Prämonstratenserorden zu einem Kloster, und ihre drei Söhne willigten ein. Von Kappenberg zog eine Kolonie dorthin. An die Spitze der Ordensleute wurde Hermann gestellt, der sich durch hohe Tugenden, tiefe Frömmigkeit und gründliche Wissenschaft vor allen anderen auszeichnete. Als erster Abt von Scheda wirkte er mit verdoppeltem Eifer für die Ehre Gottes und zum Nutzen seiner Pflegebefohlenen in erbaulichster Weise. Man rühmte an ihm besonders seine Herzenseinfalt und biedere Treue und seinen unermüdlichen Eifer nach Vervollkommnung seiner selbst und seiner Untergebenen. Alle schätzten ihn sehr hoch, und unter der Führung eines so heiligen, gotterleuchtete und seeleneifrigen Abtes konnte es nicht ausbleiben, dass das Kloster Scheda zu hohem Ansehen gelangte.

 

Hermann starb, fast 90 Jahre alt, und wurde in der Klosterkirche zu Scheda begraben. Unter Abt Grüter (1628) wurden Hermanns Gebeine feierlich erhoben und zur Verehrung ausgesetzt. 

Der hl. Norbert von Xanten, Gründer der Prämonstratenser