Erhebung der Gebeine
Durch die römischen Soldaten kam das Christentum schon im zweiten und dritten Jahrhundert nach Bayern in die Donaugegend. Aber erst um 650 begann der heilige Emmeram eine regelrechte Missionierung in der Gegend von Regensburg, die um 700 der heilige Rupert fortsetzte. In Franken taufte Kilian und in Freising Korbinian. Die geordnete bischöfliche Verfassung verdanken wir dem heiligen Bonifatius, der im Jahr 739 die bischöflichen Sprengel von Regensburg, Freising, Passau und Salzburg ordnete und in den folgenden Jahren die Bistümer von Würzburg und Eichstätt gründete. Heilige waren die ersten Wanderbischöfe, ein Seliger eröffnet die Reihe der ordentlichen Bischöfe von Regensburg, dem Herrschaftssitz der bayerischen Volksherzoge und Frankenkönige.
Gaubald, Gawibald (Herbald, Garibald, Galbald) ist dieser Bannerträger der ehrwürdigen und ansehnlichen Schar der Regensburger Oberhirten, der von 739 bis 761 den Hirtenstab führte. Vermutlich war Gaubald vorher Vorstand des Klosters St. Emmeram. Bald wurde ihm auch noch die bischöfliche Würde übertragen. Mehr als zwei Jahrhunderte waren so die bischöfliche und abteiliche Gewalt in einer Person verbunden, wobei es Regel war, den Bischof abwechslungsweise aus dem Ordensklerus und den Kanonikern zu wählen. St. Emmeram war die Kathedralkirche, zu der erst später als neue Amtskirche des Bischofs innerhalb der Stadt St. Peter hinzukam. Der gelehrte Geschichtsschreiber Abt Trithemius nennt den seligen Gawibald einen „Mönch und Schüler des heiligen Bonifatius, ersten Bischof von Regensburg, einen ausgezeichneten Lehrer und Prediger, hervorragend durch Kenntnis der heiligen Schriften und musterhafte Sitten, der durch seine Predigten viele zu Christus bekehrte“. Diese knappe Kennzeichnung des Seligen besagt uns, dass er die zwei vorzüglichsten Eigenschaften eines Priesters und Oberhirten, die „beiden Augen“, nämlich Wissenschaft und Frömmigkeit in hohem Grad besessen hatte. Diese wirkten sich in einem großen Seeleneifer aus. Galt es doch den heiligen Glauben erst zu befestigen und nach Neuordnung der kirchlichen Hierarchie nun auch die Seelsorgsverhältnisse seines Sprengels neu zu beleben und sorgsam zu überwachen. Deshalb durchzog der selige Gaubald eifrig die Diözese und predigte mit viel Erfolg die christliche Glaubens- und Sittenlehre. Kirchen und Pfarreien wurden errichtet, unter Mitwirkung und kräftiger Förderung der Herzoge Otilo und Tassilo II., und den Klöstern als den Mittelpunkten und den fruchtbaren Herden christlichen Glaubenslebens und aufstrebender Kultur unterstellt. Ins Jahr 741 fällt die Gründung des nachher so berühmt und einflussreich gewordenen Klosters Niederaltaich durch Herzog Otilo und den Bischof Eddo von Straßburg, das in unseren Tagen wieder sich neu aus dem Ruin erhebt. Desgleichen wurde von Otilo Kloster Pfaffmünster, nördlich der Donau bei Straubing, gestiftet und wie Niederaltaich mit Mönchen aus Reichenau bevölkert, dessen Abt der Straßburger Bischof Eddo war, unter Beihilfe des heiligen Pirmin. Aufgabe Pfaffmünsters sollte die Rodung und Kultivierung des Bayerischen Waldes sein. Unter Gaubald fällt dann auch die Gründung Weltenburgs an der Donau durch Tassilo.
So wurde die Organisation der Seelsorgeverhältnisse der Diözese gefördert und ausgebaut. Für die Gesetze und den rechten kirchlichen Geist, der die Geistlichkeit und das Volk der neugegründeten bayerischen Diözesen innerlich neu gestalten und heben sollte, hatte schon der heilige Bonifatius im Auftrag des Heiligen Stuhles Sorge getragen. Zweimal hatte Papst Gregor III. den Apostel Deutschlands aufgefordert, „an der Donau ein Konzil zu halten“ und „befohlen, an Seiner Statt in Apostolischer Autorität daselbst anwesend zu sein“. Es ist uns keine ausdrückliche Nachricht über die Ausführung dieses so gemessenen Befehls des Papstes erhalten. Da aber Bonifatius im Jahr 740 mehrfach in Bayern anwesend war, kann mit Sicherheit geschlossen werden, dass tatsächlich die Synode (Kirchenversammlung) zu dieser Zeit in Regensburg stattfand, woran natürlich auch Gaubald regen Anteil hatte. Die notwendige Tieferbegründung des Christentums und die Erforschung der Mittel, wie man den bestehenden Übelständen am besten entgegenwirken könne, nebst der Abgrenzung und Einteilung der Diözesen, mochten die Gegenstände der Beratung gewesen sein. Das Gesetzbuch jener Zeit, die „Gesetze der Bajuarier“, enthält mehrere kirchliche Bestimmungen, von denen ja nicht erwiesen werden kann, von welcher Synode sie gegeben wurden, die aber als Ausführungen der Statuten des heiligen Bonifaz gelten müssen und in die Zeit des seligen Gaubald fallen. Sie geben uns recht interessanten Aufschluss über den Glauben und die Sittendisziplin, die damals erst neu eingeführt oder neu gefestigt werden musste. Da finden wir die Anschauungen und Verordnungen über Beicht, das heilige Messopfer, die Kommunion, auch schon über Ehehindernisse wie sie heute noch Glaube und Gebrauch der Kirche sind. So heißt es neben anderen:
„Can. 2. Die Priester sollen das christliche Volk ermahnen, das in der Taufe empfangene christliche Leben zu bewahren, sich von Unzucht rein zu halten . . ., in der Kirche fleißig zu beichten und nicht ohne Sterbesakramente dahin zu scheiden aus diesem Leben.
Can. 4. Sie (die Christen) sollen sich gewöhnen, ihre Oblationen (Opfergaben) beizubringen und für sich und ihre lebenden und verstorbenen Eltern opfern, was eine große Befreiung der Seelen von Verschuldungen ist (Genugtuungswert des heiligen Messopfers).
Can. 6. Dass sie das Opfermahl (Kommunion) zu empfangen nicht zögern und sich einige Tage vorher hierzu vorbereiten durch Enthaltsamkeit von Unlauterkeit und ehelichen Werken und dass man sich würdig mache durch Buße und Beicht, das Fleisch und Blut des Herrn zu empfangen, damit nicht, wie es leider von vielen zu geschehen pflegt, der Zeitraum von einem Jahr vorübergeht, ohne die Sakramente des Heils zu empfangen, da doch nie eine Woche darüber hingehen sollte. Doch ermahnen wir euch, dass es über den dritten und vierten Sonntag hinaus nicht vernachlässigt werde, da auch die Griechen, Römer und Franken jeden Sonntag kommunizieren.
Can. 9. Sie sollen an Mittwoch und Freitag zu fasten in Gebrauch nehmen.
Can. 12. Dass sie unordentliche und ungeprüfte Ehen meiden und es niemand wage zu heiraten, ohne es dem Priester, den Eltern und Nachbarn zu sagen, damit diese ihre Verwandtschaft prüfen können und es mit ihrem Rat und Willen geschehe.“
Andere Bestimmungen ermahnen, das abscheuliche Fluchen zu meiden, das Almosengeben zu lieben, Trunk und Streit zu meiden, gerechtes Maß und Gewicht zu gebrauchen usw.
Über eine andere Diözesansynode betreffend die Erhebung und Übertragung der Gebeine des heiligen Emmeram weiß der Geschichtsschreiber Bischof Aribo von Freising zu erzählen: „Unter Verschiedenem, was Gaubaldus gut anordnete und bestens ins Werk setzte, hielt er auch eine Beratung mit seinem Klerus darüber, dem heiligen Emmeram eine würdige Ruhestätte zu bereiten. Da viele Wunder solch ein Verlangen rechtfertigen und erwünscht machten, fand des Bischofs Vorschlag allgemeinen Beifall. Wozu viele Worte? Am festgesetzten Tag der Erhebung und Übertragung war eine ungeheure Menschenmenge, loberfüllt dem Heiligen gegenüber, zusammengeströmt. Die auserwählten Priester und Diakonen nebst jenen, die zur Eröffnung des Grabes notwendig waren, entfernten das Volk aus der Kirche und verschlossen die Türen. Nachdem sie in heiliger Ehrfurcht die Erde von dem Grab entfernt hatten und auch den Grabstein von der rechten Seite aus nach links etwa eineinhalb Handbreiten emporgehoben, überkam alle eine solch heilige Furcht, dass ihnen vor zu großer Scheu die Hände vom Stein fielen. Einer aber von denen die auf der rechten Seite waren, stützte seine Brust unter den Stein und hielt ihn trotz seiner ungeheuren Größe, so lange, freilich nicht durch seine Stärke, aufrecht, bis die anderen wieder Mut fassten und helfend beisprangen. Für dieses dreifache wunderbare Zeichen sprachen die anwesenden Geistlichen der heiligen Dreifaltigkeit laut ihren Dank aus. Unter freudigem Jubel des Volkes und des Klerus hoben sie nun den unvergleichlichen Schatz des Märtyrerleibes aus dem Grab, in dem er bisher beerdigt lag, und übertrugen ihn mit höchster Ehrfurcht in das neue Grabmal, das sie mit aller Sorgfalt zubereitet hatten, woran die Fürsten herrlich gearbeitete Tafeln und Platten aus Gold- und Silberblech, reich bedeckt mit Edelsteinen, befestigen ließen.“ Dieser neue Grabplatz war im Presbyterium der von Gaubald neu erbauten, erst später vollendeten Emmeramskirche, wohl an der Stelle im Südschiff der jetzigen Kirche, in der Georgskapelle, die durch eine prächtige Marmortumba ausgezeichnet ist.
In der Nähe dieser ehrwürdigen Stätte, beim Eintritt in die Ramwoldigruft, fand auch unser seliger Bischof Gaubald nach glücklicher Vollendung seines segensreichen Erdenlebens die letzte Ruhe.
Die katholische Kirche war immer eine liebend sorgende Mutter des Volkes. „Der Kirche König ist die Wahrheit, ihr Gesetz die Liebe, ihre Form die Ewigkeit“, sagt St. Augustin.