Heiliger Gregor von Utrecht, Abt und Bischof von Utrecht, + 25.8.780 (?) – Fest: 25. August

       

Auf seiner Rückreise von Friesland nach Thüringen im Jahr 722 kehrte der heilige Bonifatius in dem Frauenkloster Pfalzel unweit von Trier ein. Nach vollbrachtem heiligen Messopfer wünschte der Heilige die Einrichtung dieses berühmten Klosters kennen zu lernen, um nach seinem Muster in den für den Glauben gewonnenen deutschen Ländern neue Ordenshäuser zu gründen. Addula, die Äbtissin des Klosters, eine Tochter König Dagoberts II., war in jüngeren Jahren vermählt gewesen, trat als Witwe ins Kloster ein und erzog viele edle Fräulein zu einem vollkommenen Leben. Sie teilte dem Gast die Ordensregeln mit und lud ihn zu Tisch.

 

Gregor, ein Enkel Addulas, ein Junge von 14 Jahren, der eben seine Großmutter besuchte, wurde herbeigerufen, um bei Tisch, wie es in den Klöstern üblich war, einen Abschnitt aus der heiligen Schrift vorzulesen. Er las sehr gut. Als ihn aber der heilige Bonifatius fragte: „Verstehst du auch, was du gelesen hast? Kannst du es nicht in deiner Muttersprache mit anderen Worten wiedergeben?“ Da gestand der Junge, dass er es nicht könne. Bonifatius erklärte nun selbst den gelesenen Abschnitt des Evangeliums mit einem solchen Feuer der Beredsamkeit, dass alle Anwesenden erstaunten, und besonders wurde der junge Gregor so gewaltig ergriffen, dass er sogleich seine Großmutter bat, ihn mit dem Heiligen ziehen zu lassen. Die Äbtissin riet ihm ab, weil er zart gebaut war und Bonifatius ein strenges Leben in Wäldern, unter Gefahren und barbarischen Völkern führte. Der Junge aber ließ mit Bitten nicht nach und erklärte mit Entschiedenheit: „Wenn du mir kein Pferd gibst, mit ihm zu reiten, so werde ich ihm zu Fuß nachlaufen.“ Addulas Frömmigkeit siegte über ihre natürliche Liebe zu ihrem Enkel. Sie ließ ihn mit Bonifatius zu dem großen Missionswerk ziehen.

 

Es war ein heldenmütiger Entschluss für einen zarten, in Reichtum und Überfluss aufgewachsenen Sohn aus königlicher Familie, sein Vaterland, seine teuren Angehörigen und Freunde, den Glanz und die Annehmlichkeiten des Hoflebens zu verlassen, und ein Leben in Armut, Hunger und Verfolgungen zu führen. Aber Gregor begleitete den Apostel Deutschlands auf seinen beschwerlichen Missionsreisen in Hessen, Thüringen und Friesland, zog mit ihm über die Alpen nach Rom und brachte von dort viele heilige Schriften mit nach Deutschland, erschien mit ihm nach Karl Martells Tod am Hof Karlmanns und Pipins, nahm mit ihm teil an einer Verteidigung vor den Königen und dem fränkischen Senat gegen die Feinde seines Meisters, begleitete ihn auch auf seiner dritten Reise nach der ewigen Stadt und erwarb daselbst zwei angelsächsische Jungen, die er zu seinen Gehilfen heranbildete.

 

Kurz vor dem Tod des heiligen Bonifatius ging Gregor im Auftrag des Papstes Stephan und des Königs Pipin nach Friesland, um dort das Evangelium zu verbreiten. Für seine hohe Aufgabe erachtete er eine tüchtige Schule als wichtigstes Erfordernis. Deshalb sammelte er junge Männer um sich aus allen Stämmen, Franken, Friesen, Sachsen, Bayern, Schwaben, Angeln, aus hohen und niederen Ständen, und erzog sie wie ein liebevoller Vater, in den Wissenschaften und allen Tugenden. Aus seiner Schule gingen viele ausgezeichnete Lehrer und Bischöfe hervor, unter ihnen sein Lebensbeschreiber und erster Bischof von Münster, der heilige Liutger (Ludger). Ohne selbst Bischof zu sein, leitete Gregor als Abt und Schulvorsteher des St. Martinsmünsters zu Utrecht das Bistum im päpstlichen und königlichen Auftrag und ließ sie bischöflichen Verrichtungen von dem angelsächsischen Chorbischof Alubert vornehmen.

 

Der ehrwürdige Abt Gregor leuchtete seinen Schülern und allem Volk mit den herrlichsten Tugenden vor. Einer seiner Schüler schildert seinen Charakter in folgender Weise: „Er war frei von aller Anhänglichkeit an die Güter der Erde und sein Herz war rein von allem Eigennutz. Man konnte von ihm in Wahrheit sagen: Er ging dem Gold nicht nach und setzte sein Vertrauen nicht auf Geld und Gut. Seine Besitztümer waren in Gott gesichert, indem er reichlich Almosen gab und die ganze Gemeinde der Heiligen seine Wohltätigkeit rühmte. Tief hat er seinem Gemüt die Wahrheit der Worte eingeprägt: Die Habsucht ist eine Wurzel aller Übel. Er scheute davor, wie vor einem jähen Abgrund. Wie geldgierige, geizige Menschen, denen ihre Seele für Geld feil ist, in beständiger Furcht leben, ihren zeitlichen Gewinn zu verlieren, so fürchtete sich der heilige Mann, durch das Hinterlegen und Aufbewahren irdischer Güter die himmlischen zu verlieren. Sobald er etwas Gold oder Silber in die Hand bekam, verwendete er es sogleich zum Besten seiner Mitmenschen und verteilte es unter Arme und Dürftige. Er befolgte genau den Ausspruch des Evangeliums: Sammelt euch Schätze für den Himmel, wo Rost und Motten sie nicht verzehren und die Diebe sie nicht stehlen.“

 

Alles Sinnen und Trachten Gregors war auf den Himmel gerichtet. Deshalb verachtete er die Reize der Welt, liebte und übte Armut und Abtötung, vermied in Nahrung und Kleidung alles Überflüssige, hielt sich selbst für gering und duldete nicht die Verkleinerung anderer. Ein reines Herz schätzte er über alles hoch, er pflegte bei seinen Zuhörern den Ekel vor der Sünde und die Liebe zur Tugend. Die Wohltätigkeit, die er selbst bis zum äußersten Maß übte, empfahl er auch seinen Schülern, und mahnte sie ernstlich, nicht bloß Hörer, sondern auch Vollbringer des göttlichen Wortes zu sein.

 

Ein hervorragender Zug im Leben Gregors war seine mitleidige Liebe, sein herzliches Wohlwollen selbst gegen seine Feinde. Wurde er von seinen Feinden gelästert, so schien er taub und stumm. Traf er seine Lästerer, so kam er ihnen so liebevoll entgegen, als wären sie seine besten Freunde und Wohltäter. Seine Demut und seine Liebe zu Jesus ließ ihn das Bitterste leicht erdulden. Mit den Aposteln freute er sich, um des Namens Christi willen Schmach zu leiden. Wie großmütig er selbst den Todfeinden verzieh, möge folgende Begebenheit beleuchten: Zwei seiner Brüder waren auf der Heimreise von Räubern überfallen und ermordet worden. Der Abt Gregor wurde durch die Nachricht vom Tod seiner lieben Brüder tief betrübt. Man fing die Räuber ein und verurteilte sie zu der schauerlichsten Todesstrafe. Aus Ehrfurcht vor dem heiligen Abt Gregor übersandten ihm die Richter die zwei Mörder, damit er ihre Todesart bestimme und glaubten, er werde eine besonders schmerzliche aussinnen. Aber der edle Gottesmann gedachte des Ausspruchs Jesu: „Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, damit ihr Kinder eures Vaters seid, der seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte.“ Mit mildem Ernst stellte Gregor den Mördern die Größe ihres Verbrechens vor, das die göttliche und menschliche Strafgerechtigkeit herausfordere und mahnte sie zur Buße. Dann ließ er ihnen die Ketten abnehmen, sie neu kleiden und speisen, und gab ihnen Leben und Freiheit mit den Worten: „Geht hin in Frieden und sündigt nicht mehr, damit euch nichts Schlimmeres geschehe!“ Ja er gab ihnen noch den väterlichen Rat, sie sollten sich vor seinen Verwandten in Acht nehmen, weil die sicher an ihnen Rache nehmen würden. Sein Lebensbeschreiber ruft hier aus: „Was soll ich hierüber sagen? Wie gering, wie schwach ist dagegen unsere Tugend! Ach, wir können ja kaum ein beleidigendes Wörtchen mit Geduld ertragen, ohne auf Rache zu sinnen. Wenn wir zu einem so vollkommenen Mann emporblicken, wie tief stehen wir unter ihm! Wie weit sind wir noch von seiner Vollkommenheit entfernt! Kam es uns nur je in den Sinn, so zu handeln? Sollten uns bei diesem Gedanken nicht Tränen in die Augen kommen? Möchten diese Tränen der Reue und Beschämung uns, die wir so ganz ohne Verdienst sind, bei Gott Barmherzigkeit finden lassen!“

 

Im hohen Alter von 70 Jahren wurde Gregor auf der linken Seite gelähmt. Desungeachtet ließ er sich noch in die Kirche leiten, und als er nach drei schmerzvollen Jahren das Bett nicht mehr verlassen konnte, sammelte er öfters seine Jünger um sich, sang mit ihnen die Psalmen und erklärte ihnen die Heilige Schrift. Dann verteilte er seine einzigen Schätze, seine Bücher, unter die geliebten Jünger und gab jedem ein Andenken. Alberich, der würdigste unter seinen Schülern und sein Nachfolger, befand sich auf einer Reise nach Rom. Man bedauerte, dass er bei dem Scheiden seines lieben Lehrers nicht zugegen sein könne. Gregor aber sprach: „Seid unbekümmert! Ich werde nicht von hinnen scheiden, bevor er kommt.“ Wirklich kehrte Alberich unerwartet zurück und Gregor erteilte ihm wichtige Aufträge und Ermahnungen. Drei Tage später ließ er sich vor den Altar des göttlichen Erlösers tragen, empfing mit rührender Andacht die heiligen Sterbesakramente, und Herz und Auge zum Altar gerichtet, verschied er im Jahr 780.

 

Sein treuer Schüler Ludger schildert das Leben seines geliebten und heiligen Meisters und prägte dessen Lehren und Tugenden seinem Herzen so tief ein, dass er selber ein hellleuchtendes Licht der Kirche wurde auf dem bischöflichen Stuhl zu Münster.