Seliger Wilhelm Arnaldi, Priester und Martyrer von Avignonete, und seine Gefährten, + 29.5.1242 – Fest: 29. Mai

       

Im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts sah es in Frankreich und besonders im südlichen Teil des Landes, sehr übel aus. Die Sekte der Albigenser, die sich mit den verderblichen Lehren gegen Kirche und Staat erhoben, trieb dort ihr Unwesen. Die katholischen Gotteshäuser wurden von ihnen in Brand gesteckt und niedergerissen, nachdem man vorher die Altäre entweiht, die Priester misshandelt oder getötet, ja selbst das Heiligste in den Kot geworfen und mit Füßen getreten hatte. Die Päpste, als Hirten über ihre Herde wachend, schickten Prediger und Legaten, um die verirrten Schäflein durch Belehrung und Predigt zum Schafstall Christi zurückzuführen. So war der heilige Vater Dominikus vom Papst Honorius III. zu den Albigensern gesandt worden, und Papst Gregor IX., der nach Honorius den Stuhl des heiligen Petrus bestiegen hatte, sandte Söhne des heiligen Dominikus, Glieder des von diesem Heiligen gestifteten Ordens der Predigerbrüder, nach Südfrankreich, den wahren Glauben durch Predigt und Unterricht zu verkünden. Unter den von Gregor IX. im Jahr 1234 mit der Bekehrung der Ketzer beauftragten Missionaren befand sich auch der selige Wilhelm Arnaldi von Montpellier aus dem Predigerorden. Er war, so berichten uns die Geschichtsschreiber, sehr bewandert in der Heiligen Schrift und im kanonischen Recht, und was noch mehr, ein großer Heiliger. Er war vom Papst zum Inquisitator ernannt worden, d.h. zum geistlichen Richter über die Häretiker, und predigte mit großem Eifer und Erfolg in der Gegend von Toulouse. In seiner Begleitung waren noch zwei andere Dominikaner, Bernard von Ripaforte und Garzias, sowie zwei Franziskaner, ein Benediktiner und einige Weltgeistliche, im Ganzen elf Personen. Gegen Ende des Monats Mai 1242 kamen die Missionare nach Avignonet, einem nicht weit von Toulouse gelegenen Städtchen. Sie machten sich ans Werk und begannen zu predigen und das Volk über die Glaubenswahrheiten zu belehren, um so die Irrtümer, die wie dunkles Gewölk auf den Gemütern lagen, zu zerstreuen, und den Leuten, die sich zumeist aus Unwissenheit dem Irrtum ergeben hatten, das Licht des wahren Glaubens zu verschaffen.

 

Avignonet gehörte damals dem Grafen Raymund VII., der in der Stadt ein Schloss besaß. Die Missionare, die in Folge ihres vom Oberhaupt der Christenheit empfangenen Amtes den ganz besonderen Schutz der Fürsten genossen, in deren Gebiet sie predigten, wohnten im Schloss des Grafen Raymund, waren also seine Gäste. Der Graf hatte auch seinem Verwalter, dem Befehlshaber des Schlosses, befohlen, in seiner Abwesenheit für die Glaubensboten zu sorgen, sie zu beschützen und, wenn es nötig wäre, sie zu verteidigen. Aber es kam anders. Der Verwalter nämlich, Raymund von Alfaro mit Namen, war ein fanatischer Anhänger der Albigenser und von glühendem Hass gegen die katholische Kirche und ihre Bekenner erfüllt. Mit steigendem Groll und Unmut sah er das erfolgreiche Wirken der Prediger, die jeden Tag eine große Menge um ihre Kanzeln versammelten und das Bestehen der Häresie in Avignonet ernstlich bedrohten. Er beschloss bei sich die gewaltsame Beseitigung der Missionare und schickte zu der nicht weit entfernten Burg von Monsegur und einigen anderen Burgen der Umgegend einen Boten, die Ritter mit ihren Kriegsknechten zu Hilfe an dem geplanten Werk zu entbieten. Der Kommandant von Monsegur sagte zu, und am Abend des 28. Mai, am Tag vor Christi Himmelfahrt, verließ ein Trupp Reiter das Schloss Monsegur und schlug die Richtung nach Avignonet ein. Unterwegs gesellten sich von den übrigen Burgen noch andere Reiter zu der Schar, und schweigend ging es fort bis in die Nähe der Stadttore, wo sie in einem Wäldchen Halt machten. Hier wartete ein Bürger aus Avignonet, den man mit noch ungefähr dreißig anderen Albigensern der Stadt in den Plan eingeweiht hatte, und da alles bereit war, führte dieser die Reiter, deren Zahl bis auf hundert angewachsen war, bis in die unmittelbare Nähe des Schlosses. – Die Missionare hatten von einer ihnen drohenden Gefahr nicht die geringste Ahnung und glaubten sich unter dem Schutz des Grafen sicher. Sie befanden sich mit einigen Katholiken aus der Stadt zusammen in dem großen Saal des Schlosses und wollten sich eben von einander trennen, um sich zur Ruhe zu begeben. Da ertönt plötzlich ein großer Lärm. Einen Augenblick später dringt durch die Türen des Saales ein Haufen Bewaffneter, Raymund und Alfaro an der Spitze. Das Krachen der mit Äxten zerschlagenen Türen der Vorzimmer, sowie der Anblick der bewaffneten Schar lässt die Glaubensboten über ihre Lage keinen Augenblick im Zweifel, und sie erkennen, dass ihre letzte Stunde gekommen ist. An Flucht denkt niemand, sondern nach dem Beispiel des seligen Wilhelm knien alle nieder, singen das Te Deum und erwarten so den Tod, den sie ihres Glaubens wegen erdulden sollten. Raymund von Alfaro, der Kommandant des Schlosses, anstatt die Missionare zu schützen und zu verteidigen, schlägt als der erste einen der Glaubensboten nieder und gibt damit seinen Gesellen das Zeichen. – Aber da wurden die Mörder in ihrer blutigen Arbeit gestört. Trotz aller Vorsicht hatte sich die Kunde von einem Überfall der Missionare in der Stadt verbreitet, und eine Anzahl Katholiken war zum Schloss geeilt, um sie zu retten. Sie drangen vor bis in den Saal, wo die Mörder waren, und es gelang ihnen auch, einige der Missionare, darunter den seligen Wilhelm von Montpellier und Stephan von Narbonne, aus dem Schloss in die Pfarrkirche zu flüchten, wo, wie sie meinten, die Heiligkeit des Ortes die Glaubensboten vor der Wut der Häretiker schützen werde. Aber vergebens. Die Mörder lassen die verstümmelten Leichen der im Schlosssaal Gemordeten liegen und eilen in die Kirche, die sie mit wildem Geschrei nach den Geflüchteten durchstürmen. Bald sind sie gefunden und das Blut färbt das Pflaster des Heiligtums. Die Leichen werden verstümmelt; unter anderem wird dem seligen Wilhelm, der durch seine Predigten besonders viele Häretiker bekehrt hatte, die Zunge ausgerissen. Dann verlassen die Mörder die Kirche und kehren zum Schloss zurück.

 

Die Leichname der drei gemordeten Predigerbrüder wurden von den Mitgliedern dieses Ordens nach Toulouse übertragen und in der dortigen Klosterkirche beigesetzt, indes die Franziskaner ihre Mitbrüder und die Geistlichkeit von Toulouse die Leichen der Weltgeistlichen in ihren Kirchen bestatteten. Viele Zeichen, die in dieser Nacht geschahen, sowie mehrere wunderbare Heilungen, die fast unmittelbar nach dem Tod der Glaubensboten auf ihre Fürbitte stattfanden, gaben deutliche Beweise für ihre Heiligkeit und Verherrlichung. – Die Kirche von Avignonet, wo zwei der Martyrer ihr Blut vergossen hatten, war durch die Mordtat entweiht worden und wurde vom Papst mit dem Interdikt belegt: die Türen wurden verschlossen und es durfte kein Gottesdienst in ihr stattfinden. Gegen vierzig Jahre blieb es so. Die Häresie erlosch während dieser Zeit vollständig in Avignonet, wie man annimmt, auf das Gebet der Martyrer, die mit ihrem Blut Zeugnis für den wahren Glauben abgelegt hatten. Nach dieser Zeit schickten die Bewohner der Stadt eine Gesandtschaft an den Papst, um ihm ihre Reue über das Verbrechen zu melden und um Aufhebung des Bannes zu bitten. Der Papst tat es denn auch, und, o Wunder, zur selben Zeit, da der Heilige Vater in Rom den Bann löste, begannen zu Avignonet die Glocken der Kirche von selbst zu läuten und läuteten fort einen Tag und eine Nacht lang. Die mit Schlössern seit vierzig Jahren versperrten Türen öffneten sich den erstaunten Bewohnern von Avignonet, und in der Kirche fand man eine überaus schöne Statue der lieben Mutter Gottes, von der niemand sagen konnte, woher und wie sie dahin gekommen sei. In Folge dieser Ereignisse und der zahlreichen Erhörungen und wunderbaren Heilungen fassten die Bewohner von Avignonet und der Umgegend eine herzliche Verehrung und Andacht zur Mutter Gottes und zu den für den Glauben getöteten Predigern, die sich die Jahrhunderte hindurch bis auf unsere Zeit erhalten hat. Papst Pius IX. bestätigte am 6. Oktober 1866 ihre Verehrung, nachdem sie von den Gläubigen schon längst als Martyrer verehrt und angerufen wurden. Die Kirche aber mit der wunderbaren Statue der Mutter Gottes ist heute ein besuchter Wallfahrtsort, und die vielen Wunder, die dort auf die Fürbitte Mariens und der seligen Martyrer geschehen sind, rechtfertigen den Namen, den Maria dort trägt: „Unsere Liebe Frau von den Wundern“.