Alljährlich wird in der lateinischen Kirche an diesem Tag das Andenken an den Bischof und Kirchenlehrer begangen, der wegen seiner Beredsamkeit eben Chrysostomus, d.h. Goldmund genannt wurde. Er besaß außerdem eine innige Frömmigkeit, unerschütterlichen Mut und furchtlosen Eifer für die Ehre Gottes.
Diese herrlichen Tugenden zeigte er besonders zu jener Zeit, da die christliche Lehre durch den Irrlehrer Arius verunstaltet wurde, der da unter andern leugnete, dass Jesus wahrer Gott, gleich dem Vater, und dass Maria die Mutter Gottes war. Chrysostomus verteidigte die Ehre Jesu Christi und seiner glorwürdigen Mutter bei jeder Gelegenheit. So sagte er in einer seiner Predigten: „Man muss die heilige Jungfrau als das große Weltwunder anerkennen und preisen, denn es ist unter allen erschaffenen Dingen kein Geschöpf zu finden, das ihr könnte verglichen werden, sie allein übertrifft Himmel und Erde.“ In einer anderen Predigt nennt er Maria den lebendigen Palast des Königs der Engel, das lebendige und mit Vernunft begabte Paradies, den göttlichen Tempel und die würdige Wohnung Gottes.
Um der Entschiedenheit willen, mit der Johannes Chrysostomus die Ehre Jesu und Mariens, sowie die Rechte der Kirche verteidigte, musste er zweimal in die Verbannung wandern und hier war es auch, wo ihn der Tod seinen Verfolgern entriss am 14. September 407. Am 27. Januar 438 wurde sein heiliger Leib in feierlichem Zug nach Konstantinopel übertragen und in der Apostelkirche, wo die griechischen Kaiser und Patriarchen begraben zu werden pflegten, beigesetzt.
Vom Vater, der ein hoher Offizier im kaiserlichen Heer war, mochte Johannes den Freimut geerbt haben, und von der Mutter, einer herrlichen Frau, hatte er unstreitig die gottinnige, gemütvolle Frömmigkeit erhalten, die heute noch duftig aus seinen hinterlassenen Schriften strömt.
Erst mit vierzig Jahren empfing Johannes nach eifriger und sorgfältiger Vorbereitung in Gebet und Studium die heilige Priesterweihe und versah dann zwölf Jahre lang das Amt eines Dompredigers an der Bischofskirche seiner Vaterstadt Antiochien in Syrien. Mit ihm betrat ein Mann die Kanzel, der zu ihrem Dienst wie geschaffen war, ein geborener Redner mit kräftiger, klangvoller Stimme, der ungekünstelt, aber mit gewählten Worten in bildreicher, klarverständlicher Sprache unter solch hinreißendem Schwung Gottes Lehre verkündigte, dass die Tausende, die das große Gotteshaus regelmäßig bis auf den letzten Platz füllten, zuweilen auf die Bänke sprangen, in die Hände klatschten und dem Prediger begeistert zujubelten. Damals erhielt Johannes, wie schon oben erwähnt, den ehrenden Beinamen Chrysostomus – Goldmund.
Dabei war Johannes Chrysostomus in seinen Predigten durchaus kein Schaumschläger und Speichellecker, der den Zuhörern schmeichelte und ihnen Honig um den Mund strich. Zwar schimpfte und polterte er nie, aber er nahm auch kein Blatt vor den Mund, und wenn er gegen Tanz und Trunk die Stimme erhob, wenn er gegen Kleiderpracht und Modetorheiten loszog, wenn er die Ausgelassenheit und Vergnügungssucht der Großstädter geißelte, wenn er die Habsucht und Härte der reichen Leute anprangerte, dann fielen Späne von der Kanzel, dick wie Hauklötze, dann zuckte es wie Blitze um die Häupter der Anwesenden, und mehr als einmal stand der kühne Mahner in Gefahr, vom aufgeregten Volk gesteinigt zu werden. Nichts indessen konnte den Mann auf der Domkanzel veranlassen, anders zu reden, als es seine Pflicht war.
Die Tatsache, dass Johannes Chrysostomus ein Kühner, gerader und im Recht unbeugsamer Mann war, hatte man in Konstantinopel anscheinend übersehen, als der kaiserliche Hof ihn, den weltberühmten Redner, zum Bischof der Hauptstadt des Oströmischen Reiches berief. Widerwillig folgte der Erwählte dem Ruf, denn es war ihm klar, dass er auch als Bischof seine Pflicht tun und dass er dabei kantig und hart anstoßen werde.
So kam es auch. Die Höflinge, meist Leute mit gebeugtem Rücken, machten große Augen, als in dem neuen Bischof ein Mann auftauchte, der im Gegensatz zu ihnen Rückgrat besaß, der mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig ließ, den Großen und Mächtigen, selbst dem Kaiser und der Kaiserin, öffentlich ins Gewissen redete und allen, ohne Ansehen der Person, klipp und klar die Wahrheit sagte.
Geradlinige Mahner sind selten beliebt, und wenn man die Macht hat, sie mundtot zu machen, so tut man es auch, je eher, desto besser. Neben dem schwächlichen Kaiser Arkadius, der damals regierte, übte die Kaiserin Eudoxia eine fast unumschränkte Macht aus, und da gerade sie sich von dem kühnen Mahner auf der Hofkanzel vor allen Leuten wegen ihres schlechten Lebenswandels angeprangert fühlte, so setzte sie es mit Gewalt und Tücke durch, dass der Bischof von Konstantinopel seines Postens enthoben und in die Verbannung geschickt wurde.
Als Verbannter ist dann der christliche Held auch gestorben, was ganz natürlich war, denn wer als Christ seine Pflicht tut, endet auf einem Golgatha, von wo aus dann später allerdings auch die Himmelfahrt angetreten wird.
Der heilige Johannes Chrysostomus war ein Mann ohne Menschenfurcht. Das ist doch etwas Herrliches.