Gottselige Maria Columba Weigl, Dominikanerin in Altenhohenau, + 31.8.1783 – Gedenktag: 31. August

 

In einer Klosterregistratur findet sich ein altes vergilbtes Blatt mit einer 1779 gedruckten „Lesenswürdigen Beschreibung von der ehrwürdigen und noch lebenden Klosterfrau Maria Columba, Dominikanerin in dem Kloster Hochenau bei Wasserburg am Innstrom“. In zwei Gebeten fleht die große Verehrerin des Kindleins Jesu so innig, „dass außer seiner Liebe an keinem Ding sie haften bliebe! Die Gnade, Jesus, kommt von dir. Teilst du ein feurig`s Herz mit mir, so gibt das Fleisch mit seinen Waffen dem reinen Herzen nichts zu schaffen“. Wie muss diese gottselige Ordensfrau in hoher Verehrung gestanden haben, wenn man schon zu ihren Lebzeiten ihre Gebete verbreitet hat! Vor einiger Zeit hat ein Ordensbruder vom Grazer Dominikanerkloster zum Ordensjubiläum 1916 aus Gebeten Columbas einen „Strahlenkranz um das eucharistische Herz Jesu“ gewunden. Dabei versichert er uns, dass er bei Beschreibung ihres Lebens nur aus zuverlässigen Quellen geschöpft habe, nämlich aus Aufzeichnungen des ehemaligen Klosters Altenhohenau, die einst im Auftrag der geistlichen Oberen über Columbas heiliges Leben gemacht und durch fromme und gelehrte Männer aus dem Predigerorden wohl geprüft worden seien.

 

Verraten die innigen Gebetssammlungen der gottseligen Columba wie ausbrechende Strahlen eines verborgenen Feuerherds die schweigende, mitleidende und werktätige Liebe eines gottgeeinten Herzens, so zeugt der Strahlenkranz wunderbarer Erscheinungen, der ihr äußeres Leben umrahmt, von der Schönheit und Gottwohlgefälligkeit ihrer edlen, leiderprobten Seele. Frommer und reicher Eltern Kind, wurde Elisabeth Weigl am 8. März 1713 in München geboren. Die Eltern führten ein friedvolles Familienleben und verwandten ihren Reichtum zum Besten der Notleidenden. Franz v. P. Weigl, der Vater, wurde von den Leuten nur der Armenvater genannt. Kaum etliche Wochen alt, schwebte das Kind in größter Lebensgefahr. Krieg war im Land wegen der spanischen Ländererbschaft. Die Hauptstadt München fiel in die Gewalt der Österreicher, nachdem sich die treuen bayerischen Landessöhne bei Sendling und Aidenbach umsonst für ihren Fürsten geopfert hatten. Unbewusst leiden darunter auch immer die unschuldigen Kinder, selbst wenn der Feind fern ist. Hier drang er sogar in die Kammer von Mutter und Kind. Schon hatte ein wütender Husar den Säbel über dem armen Würmlein geschwungen, als ihm die Mutter in der Angst ihres Herzens in den Arm fiel und den Streich aufhielt. Das Kind war gerettet, aber die zu Tode erschrockene Mutter erkrankte und starb bald darauf. Elisabeth, mutterlos, einmal zum Bewusstsein ihres Verlustes gekommen, wählte die heiligste Gottesmutter zu ihrer Mutter und erglühte in Liebe und Andacht zu ihr. Es wird erzählt, das Jesuskind habe sich dem kleinen Mädchen zugesellt und es im Beten der Tagzeiten der Unbefleckten Empfängnis unterrichtet. Wo der Himmel selbst das „eingegossene Wissen“ spendet, muss menschliche Erziehung ungewöhnliche Früchte hervorbringen. Um so mehr wenn Frömmigkeit und Klugheit, wie sie der Erzieherin Elisabeths, einer ausgezeichneten Ordensfrau aus der Genossenschaft der Englischen Fräulein, zu eigen waren, den heilsamsten Einfluss auf die geistige Entwicklung des Zöglings übten. Bald bemerkte die Lehrerin an dem siebenjährigen Kind einen überraschenden Zug zu Jesus im heiligen Sakrament und ein heftiges Verlangen nach der heiligen Kommunion. Sofort begann sie den Unterricht über die heiligen Sakramente, und Elisabeth, obwohl erst sieben Jahre alt, durfte zum Tisch des Herrn gehen. Das bedeutete in dieser Zeit etwas ganz Außerordentliches. Ein liebliches Vorkommnis wird uns berichtet, das die tief mystische Frömmigkeit des Kindes, die Klugheit der Erzieherin und die Güte Gottes, der die Herzen der unschuldigen Kinder an sich zieht, zugleich offenbart. Als Elisabeth bald nach der ersten heiligen Kommunion wieder einmal in der Kirche St. Michael in München neben dem Englischen Fräulein kniete und sich in tiefster Andachtsglut auf die heilige Kommunion vorbereitete, schaute sie in den Händen des Priesters statt der Hostie ein holdseliges Knäblein. Außer sich vor Freude, rief sie ganz laut: „Welch schönes Kindlein! Welch schönes Kindlein! Es sehen das nicht alle Leute; du wirst es schon bekommen.“

 

Frühzeitig wurde Elisabeths Geist durch eine Erscheinung des heiligen Dominikus auf das Ordensleben gelenkt. Ein bis dahin unbekanntes Licht ließ sie ahnen, zu welcher Aufgabe sie Gott berufen habe. Durch Erlernen der Musik bereitete sie sich auf den im Kloster geforderten Chorgesang vor. Den allzu früh eintretenden Tod des Vaters fühlte ihr Herz und erkannte ihr Verstand bei ihren fünfzehn Jahren als so furchtbaren Schlag, dass sie ernsthaft erkrankte. Wohl war ihr die Aufnahme bei den Dominikanerinnen in Altenhohenau bereitwilligst zugesagt; aber die noch erforderliche Wartezeit sollte ihr zur schwersten Prüfung werden. Der Reichtum, die Schönheit und Anmut der alleinstehenden Bürgerstochter zogen die junge Männerwelt an. Glänzende Verheißungen, mancherlei Verführungskünste, zuletzt sogar Drohungen und Gewalt suchten sie ihrem Beruf abwendig zu machen. Nur durch den besonderen Schutz Gottes und dank der Sorge einer befreundeten Bürgersfrau blieb sie standhaft und in ihrer Unschuld unversehrt. Immer süßer erklang in ihrem Geist die Einladung des Psalmisten: „Horch, Tochter, und sieh und neig dein Ohr; vergiss dein Volk und deines Vaters Haus. Es sehnt der König sich nach deiner Schönheit; er ist dein Herr.“ Am 27. August 1730 erhielt Elisabeth das Ordenskleid und vertauschte ihren Taufnamen mit dem Klosternamen Maria Columba.

 

Die dem Gebet treu ergebene, stets demütige und gehorsame Ordensfrau, die der Herr schon als Kind so außergewöhnlich begnadete, wollte er jetzt, wo sie sich ihm ganz geweiht, noch tiefer in sein geheimnisvolles Gnadenwirken einführen. Ihr geistiges Auge wurde geöffnet für den Verkehr mit den Engeln und Heiligen, mit dem Heiland selber und seiner heiligsten Mutter. Wer aber dem Bräutigam „Freund“ sein will, wen er auserwählt, den lässt er auch die ganze Bitterkeit der Passion mitkosten. Columba empfing die Wundmale des Herrn, diese außerordentliche Gnade, mit der er bisweilen seine Auserwählten schmückt. Jeden Freitag während ihres ganzen Lebens erlitt die gottselige Jungfrau die heftigsten Peinen. Keine Zunge, keine Feder, gesteht sie selber, seien im Stande, die großen übernatürlichen Schmerzen kundzutun, wie sie wirklich seien. Das Leiden überfiel sie im Augenblick. Sobald sie nur seinen Beginn merkte, erstarrte sie schon am ganzen Körper, so dass sie kein Glied mehr rühren konnte. Sie wurde in die Höhe gehoben, alle Glieder fühlte sie wie auseinandergezerrt. Hände und Füße begannen hoch anzuschwellen, die Wundmale, die während der ganzen Woche blass waren, wurden nun hochrot und bluteten. Dann duldete sie die Schmerzen der Kreuzigung, den brennenden Durst, den Lanzenstich. Das Ende bildete eine unnatürliche Hitze, in der die erstarrten Glieder wieder beweglich wurden.

 

Herb waren diese geheimnisvollen Passionsleiden, bitterer noch die Verfolgungen und Prüfungen, die solche Auffälligkeiten bei der Umwelt hervorriefen. Inständig bat Columba in Verborgenheit leiden zu dürfen. Nach Gottes Willen aber sollte sie ein Opfer für die ganze Kirche sein. Um den Geist der Ordensfrau zu erproben, wurden ihr von den Ordensprovinzialen die härtesten Prüfungen auferlegt. Strafen, öffentliche Bußen und tiefste Verdemütigungen wechselten mit den niedrigsten und härtesten Arbeiten. Die schwerste Strafe war der großmütigen Dulderin die Entziehung der heiligen Kommunion. Im Glutofen der Erniedrigung bewährt sich die Tugend, wird jegliche Selbsttäuschung offenbar. Schließlich mussten aber die Zeugen des heldenmütigen Gehorsams, der tiefen Demut und heiligen Einfalt der Geprüften in der Überzeugung übereinstimmen: „Wenn es nicht Gottes Werk wäre, unmöglich könnte sie beständig sein trotz aller Verfolgungen und Verkennungen.“

 

Die Verachtung machte nun der größten Verehrung Platz, das Misstrauen verwandelte sich in unbedingtes Vertrauen. Hatte die Gottselige bisher nur leidend und betend für das Heil des Nächsten gewirkt, nun gewann sie weithin den größten Einfluss. Im Jahr 1774 als Priorin erwählt, wurde sie das Licht auf dem Leuchter, das durch Wort und Tugend seinen Glanz ausstrahlte, die segensvoll befruchtende Wolke, die mit dem Tau ihres Gebetes, den Tränen der Buße und dem Blut des Kreuzweges Lebende und Verstorbene bereicherte. Die Quelle von allen war eine mächtige Gottesliebe. Wie Feuer brannte diese in Columbas Herzen und schien ihr bisweilen auch äußerlich in so heftigen Flammen auszubrechen, dass sie vermeinte, sie selbst und ihre Zelle würden zu Asche verbrennen. Die Liebe offenbarte sich in heroischem Grad in ihrem Leidensdurst, in der vollkommenen Treue selbst in den kleinsten Dingen, in ihrem verzehrenden Eifer für Gottes Ehre. Gleich der schmerzhaften Mutter stand sie ständig unter dem Kreuz, lebte sie in dauernder Vereinigung mit Jesus, fühlte und litt mit ihm in heiliger Liebesglut. Dieser reine, lebendige Quell der Gottesliebe aber konnte nicht verschlossen bleiben; er musste überfließen auf den Nächsten. Die Priorin von Altenhohenau war nicht bloß ihren Nonnen, sondern allen Bedrängten und Hilfsbedürftigen vom Ärmsten bis hinauf zum Landesfürsten die vielvermögende Fürbitterin beim lieben Jesulein, die tätige Helferin durch Trost und erleuchteten Rat wie durch reichliche Almosen, die sie mit vollen Händen unter persönlichen Entbehrungen spendete. Den Sündern erwirkte sie die Gnade der Bekehrung und übernahm für sie Genugtuung und Sühneleiden.

 

Unbeschreiblich groß ist die Zahl der Gebete, Opfer und Bußwerke, die Maria Columba in die Hände der Mutter Gottes legte, um die Armen Seelen zu erlösen. Das war ihre zweite Passion, ihre „Leidenschaft“. Unzählige Seelen durfte sie gerade an Muttergottesfesten zum Himmel ziehen sehen. Fragte man um ihre Namen, so entgegnete die demütige Ordensfrau: „Ich bin froh, wenn ich sie zum Himmel fahren sehe, alles andere beachte ich nicht.“ Oft bat sie die heiligen Schutzengel, sie möchten sie mit den lieben Armen Seelen nicht verschonen, koste es ihr auch Blut und Leben. Die Engel bedeuteten ihr, sie würde genug zu tun haben. Und wirklich! Aus allen Ständen setzten sich diese Ärmsten der Hilfsbedürftigen zusammen. So musste die Schwester Columba den 1745 verstorbenen Kaiser Karl VII. (den Kurfürsten Karl Albrecht) in den Himmel hineinbeten, wie ehedem ihrer gleichgearteten Mitschwester Margareta Ebner Kaiser Ludwig der Bayer empfohlen gewesen ist. O wie viele ihrer hinterlassenen Gebete enden mit einer Fürbitte für die Armen Seelen!

 

Ist die Taube ohne Lied, so ist sie keineswegs ohne Liebe. Columba bedeutet auf Deutsch Taube. Columba Weigl war eine reine, liebeglühende Opfertaube für den Herrn. Ein Lied der Liebe zu Jesus und Maria war ihr Leben. Wie ein entzückendes Finale schloss ein heiliges Sterben dieses schöne Lebenslied, am 31. August 1783. Das gläubige Volk verehrte schon die Lebende wie eine Heilige, der Verklärten folgte sein kräftiges Vertrauen. Die Frucht hiervon waren auffallende Gebetserhörungen, deren das Kloster eine ganze Sammlung besaß. Der Klostersturm 1803 ließ ihr Gotteshaus, darin ihre heiligen Psalmengesänge erklangen, und das Grab, worin ihre ehrwürdigen Überreste ruhten, veröden. Die weltlichen Besitzer des Klostergutes verwehrten den freien Zutritt. Mit dem hundertsten Jahrestag des Todes der gottseligen Priorin erwachte aber wieder frisch die Erinnerung an die große Wohltäterin des Volkes. Was schon Erzbischof Gregor von Scherr 1877 angeregt hatte, gelang unter günstigeren Umständen dem Münchener Oberhirten Antonius von Streichele. Am 26. September 1883 fand und erhob man die Gebeine Columbas, legte sie in einen eichenen Sarg und setzte sie wieder in der nämlichen Gruft der ehemaligen Sakristei ehrenvoll bei. Möchten doch wieder die Töchter des heiligen Dominikus die Hüterinnen der ehrwürdigen Stätte werden!

 

„Außer dem Leib und Seele stärkenden Band des Gehorsams hat nichts in meinem Herzen mehr Platz als die mit der Liebe Gottes verbundene Nächstenliebe.“ Worte der Maria Columba Weigl.