Der Vater der heiligen Wenefrieda oder Winefrida war Thevith, ein sehr reicher und angesehener Edelmann aus North-Wales. Ihre Eltern hatten keine wichtigere Sorge, als dass sie frühzeitig in der Furcht des Herrn herangebildet würde, damit in der Folge ihre Seelenreinheit vor dem Verderbnis der Welt bewahrt bliebe.
Um dieselbe Zeit ließ sich der heilige Beuno oder Benno, der an verschiedenen Orten gottselige Genossenschaften errichtet hatte, in der Nachbarschaft nieder. Er war ein sehr tugendhafter Ordensmann, der zur priesterlichen Würde erhoben worden war, und wie man sagt, ein Oheim der heiligen Wenefrieda von mütterlicher Seite. Thevith war über seine Ankunft hoch erfreut. Er gab ihm ein von allen Lasten befreites Grundstück zur Erbauung einer Kirche, und bat ihn, seine Tochter zur Gottseligkeit heranzubilden. Wenn Beuno das Volk unterrichtete, setzte sich Wenefrieda zu seinen Füßen und hörte das von ihm verkündete Wort Gottes mit tiefer Rührung an. Auf diese Weise wuchs die Liebe zu Gott mit jedem Tag in ihrem Herzen, so dass sie den Entschluss fasste, sich Gott als Jungfrau zu weihen. Ihre Eltern stimmten ihrem Vorhaben zu und dankten dem Herrn, dass er sie auf so besondere Weise zur Vollkommenheit berief. Sie legte demnach in die Hände Beunos ihre Gelübde ab und empfing von ihm den Schleier. Dann wurde ihr mit einigen Jungfrauen ein kleines, von ihrem Vater nicht weit von Holy-Well erbautes, Kloster gegeben.
Der heilige Beuno kehrte nachher wieder in das erste Kloster zurück, das er zu Clunnock oder Clynog-Vaur erbaut hatte und das gegen vierzig Meilen entfernt lag. Er lebte aber daselbst nicht mehr lange. Seine Grabstätte war im 13. Jahrhundert berühmt. Seinen Namen liest man in den englischen Martyrologien. Leland berichtet, der heilige Beuno habe ein Kloster für weiße Mönche zu Clunnock-Vaur gestiftet. Dieser Ort sei ihm von Guithin, dem Oheim eines der Fürsten von North-Wales, geschenkt worden.
Nach dem Tod des heiligen Beuno verließ die heilige Wenefrieda Holy-Well und lebte einige Zeit unter der Leitung des heiligen Deifer. Später zog sie sich zu den Klosterfrauen von Gutherin in Denbighshire zurück, wo der heilige Abt Elerius ihr Führer war, der an diesem Ort einem Doppelkloster vorstand. Nach dem Tod der Äbtissin Theonia wurde sie an deren Stelle erwählt. Vom heiligen Elerius sagt Leland Folgendes: „Elerius ward vor Alters und wird jetzt noch von den Walesern verehrt. Ich vermute, er habe an den Ufern des Elivi, wo gegenwärtig St. Asaph ist, studiert. Nachher zog er sich in die Wüsten zurück. Es ist gewiss, dass er im Tal Cluide ein Doppelkloster erbaute, und dass daselbst viele Personen beiderlei Geschlechts lebten. In dem Frauenkloster war die hochedle Jungfrau Guenvreda, die von Beune erzogen worden war, und der der wütende Caradoc das Haupt abschlagen ließ“. Leland sagt nichts von mehreren bei dieser Gelegenheit geschehenen Wundern, die von Robert von Salop und von anderen Schriftstellern erzählt werden. Indessen liest man doch in dem Lebensabriss der heiligen Wenefrieda, im Anfang zum vierten Band der letzten Ausgabe des Reisebuchs des gedachten Schriftstellers, dass sie durch die Gebete des heiligen Beuno wieder erweckt worden sei.
Die heilige Wenefrieda führt in allen Kalendern den Namen Märtyrin. Die verschiedenen uns überlieferten Denkmale stimmen in Betreff ihrer Todesart überein. Man liest, dass Caradoc oder Cradoc Alain, des Landesfürsten Sohn, von heftiger Leidenschaft zu ihr entflammt war und ergrimmt über ihre Weigerung, seinem Begehren nachzugeben, ihr das Haupt abschlug, da sie sich, um ihre Reinheit zu bewahren, in die vom heiligen Beuno zu Holy-Well erbaute Kirche flüchten wollte. Robert von Shrewsbury und andere Schriftsteller setzen noch hinzu, die Erde habe Cradoc an dem Ort verschlungen, wo er diese Gräueltat beging. Und auf dem Platz, wohin das Haupt der heiligen Wenefrieda fiel, sei eine wunderbare Quelle entsprungen, die man da noch sieht und deren Boden mit Steinen und Felsstücken von roten Adern durchzogen bedeckt ist. Um sie herum wächst ein wohlduftendes Moos. Sie sagen ferner noch, dass Wenefrieda, nachdem sie durch die Gebete des heiligen Beuno wieder zum Leben erweckt worden ist, in der Folge allzeit einen roten Streif um den Hals behalten habe, als Merkmal des erlittenen Märtyrertodes. Diese Begebenheiten werden zwar nicht von gleichzeitigen Geschichtsschreibern erzählt, aber wegen der etwa bei einigen Umständen mangelnden Prüfung darf doch die Heiligkeit der Wenefrieda und die ihr zu Holy-Well erwiesene Verehrung nicht als unbegründet verworfen werden. Der alten Lobrede zu Folge, die an ihrem Festtag gehalten wurde, starb sie am 22. Juni. Das ältere Leben der Heiligen setzt ihren Tod, oder vielmehr ihre Beerdigung zu Guthurin auf den 24. Juni. Man liest darin Folgendes:
„Der Ort, wo sie mit heiligen Jungfrauen lebte, hieß Guthurin. Sie wurde daselbst begraben am 8. Vor den Kalenden des Julius, und ruht da im Herrn.“
Ihr Fest wurde, wahrscheinlich wegen irgendeiner Übertragung ihrer Reliquien, auf den 3. November verlegt. Im Jahr 1391 verordnete Thomas Arundel, Erzbischof von Canterbury, nachdem er vorher seine Geistlichkeit versammelt hatte, dass ihr Fest an diesem Tag in der ganzen Provinz, mit eigenen Tagzeiten von neun Lektionen, die man in das Brevier von Sarum einrückte, gefeiert werden solle.
In keinem der Leben der heiligen Wenefrieda ist die Zeit angegeben, in der sie lebte. Allein die meisten Schriftsteller, die von ihr gesprochen haben, glauben mit Alford und Cressy, sie habe gegen Ende des 7. Jahrhunderts gelebt.
Im Jahr 1138 übertrug man ihre Reliquien von Guthurin nach Shrewsbury, und setzte sie in der Benediktinerkirche bei, die 1083 von Roger, dem Grafen von Montgomery, außerhalb der Stadtmauern erbaut worden war. Der Abt Herbert erhielt vom Bischof von Bangor die Erlaubnis, diese Übertragung feierlich zu halten, wie uns Robert, der Prior desselben Klosters, berichtet, der auch einige bei dieser Gelegenheit geschehene Wunderheilungen anführt, wovon er Augenzeuge war. Als man die Klöster in England zerstörte, wurde der Sarg der heiligen Wenefrieda geplündert.
Nun wollen wir noch einige in den letzten Zeiten durch die Fürbitte der heiligen Wenefrieda gewirkte Wunder melden. Roger Bodenham, Ritter von Bath, der an einem schrecklichen Aussatz litt, und schon von den Ärzten aufgegeben war, die seine Krankheit für unheilbar hielten, badete sich im Jahr 1606 in der Quelle der heiligen Wenefrieda, und erhielt seine Gesundheit. Im innigsten Dankgefühl zu Gott nahm er die katholische Religion an, und gab einen weitläufigen Beglaubigungsschein von seiner Krankheit von sich, den mehrere andere Personen unterschrieben. Johanna Wackemann von Sussex litt an einem furchtbaren Leibgeschwür und war des Todes gewärtig; da sie sich aber drei Mal in einer Nacht in dieser Quelle badete, war sie geheilt. Dieses 1630 geschehene Ereignis ist von ihr und ihrem Mann bezeugt. Eine arme Witwe von Kidderminster, in der Grafschaft Worcester, lag längere Zeit verkrüppelt im Bett. Sie schickte einiges Geld nach Holy-Well – als Almosen für den ersten da sich vorfindenden Armen. Und in dem Augenblick, wo ihr Almosen zu Holy-Well ausgeteilt wurde, stand sie zu Kidderminster gesund auf. Diese Tatsache wurde 1651 untersucht und gerichtlich bezeugt von Jakob Bridges, nachherigem Sherif (Landrichter) zu Worchester. Maria Newmann, die wie ein Totengerippe abgezehrt war, und wegen Schwächlichkeit 8 Jahre lang nicht mehr gehen konnte, nahm umsonst zu allen Heilmitteln in England, Frankreich und Portugal ihre Zuflucht, bis sie ein einziges Bad in der Quelle der heiligen Wenefrieda heilte. Roger Whetstone, ein Quäker bei Bromsgrowe, wurde auf eben diese Weise von einer Lähmung geheilt, wo auch er zum katholischen Glauben zurückkehrte. Der gelehrte Cardinal Baronius erzählt mit Erstaunen von den Wunderheilungen, die ihm der fromme Bischof von St. Asaph, Stellvertreter des Papstes in den bischöflichen Amtsverrichtungen zu Rom, als Augenzeuge mitgeteilt hat.