Heiliger Gerold, Edelmann und Einsiedler bei Feldkirch, + 19.4.978 – Fest: 19. April

       

Auf den höchsten Alpengipfeln, wo der ewige Schnee beginnt und wohin sich selten eines Menschen Fuß verirrt hat, blüht eine schöne Blume, Edelweiß genannt, deren zarter Kelch den ersten Sonnenstrahl begrüßt, während tief im Tal noch alles schlummert, und die die scheidende Sonne noch mit ihrem Purpur umkleidet, während schon nächtliche Schatten auf der Tiefe lagern. Die Menschen da unten wissen nichts von dem verborgenen Blümchen an der schroffen Felskante, aber das Auge des alliebenden Schöpfers sieht es und tränkt es mit Himmelstau und verklärt es mit Sonnen- und Sternenschein. Ein solches Edelweiß auf der steilen Höhe christlicher Vollkommenheit, verborgen vor der Welt, aber den Engeln Gottes wohlbekannt, war der heilige Einsiedler Gerold.

 

Gerold stammte aus dem herzoglichen Geschlecht der Sachsen und wohnte auf der Burg Hohen-Sachs im Schweizer Kanon St. Gallen. Nichts fehlte an seinem irdischen Glück. Hoch angesehen, reich an Gütern, zärtlich geliebt von seiner edlen Gemahlin, umgeben von blühenden, hoffnungsvollen Kindern, genoss er alles, wonach die Menschen unablässig zu trachten pflegen. Desungeachtet fühlte er sich nicht vollkommen befriedigt und sprach mit dem heiligen Augustin: „Mein Herz ist unruhig, bis es ruht in dir, o Gott.“ Unwiderstehlich zog es ihn in die Einsamkeit, um von der Welt geschieden, Gott allein zu dienen. Er ordnete seine irdischen Angelegenheiten, sorgte für seine Gemahlin und Kinder und nahm Abschied von den teuren Angehörigen. Wohl blutete ihm schmerzlich das liebende Vaterherz, aber Gott zuliebe brachte er dieses schwerste Opfer.

 

Getreu dem Wort des Herrn folgend: „Wer die Hand an den Pflug gelegt hat, schaue nicht rückwärts!“ ging er, ohne mehr nach seiner Burg umzuschauen, mit einem Bündel Bücher und Kleidungsstücken durch den dunkeln Wald. In dem rauen Drusustal fand er eine mächtige hohle Eiche und nahe dabei eine frische Quelle mit saftiger Kresse. Dort beschloss er zu bleiben im alleinigen Verkehr mit Gott. Ungestört brachte Gerold seine Zeit in Gebet und Betrachtung zu, und heiligte sich mit Fasten und strengen Bußübungen. Sein Geist vertiefte sich immer mehr in die Geheimnisse unserer heiligen Religion und schwang sich dann mit den Taubenflügeln des lebendigen Glaubens und der heiligen Gottesliebe zu den seligen Höhen des Himmels empor. Die Natur mit ihren Kräften und Erzeugnissen, der Himmel mit seinem strahlenden Tagesgestirn und seinen unzähligen funkelnden Welten im Dunkel der Nacht, lagen wie ein aufgeschlagenes Buch vor ihm, aus dem er bewundernd die Allmacht, Weisheit und Güte des Schöpfers las, und die Wahrheiten des Christentums verklärten ihm alles mit einem himmlischen Glanz. Öfters erschienen ihm Engel und brachten ihm erquickende Nahrung, auf die er in seinen frommen Verzückungen nur zu oft vergaß.

 

Jahrelang hatte Gerold bereits in der hohlen Eiche des Drusustales verborgen gelebt. Einst verfolgten die Jäger des Grafen Otto von Jagdberg einen Bären, der von Hunden gehetzt, bei dem Eremiten in dem hohlen Baum Schutz suchte. Der Heilige wehrte den Hunden, die sogleich verstummten und wie gebannt stehen blieben. Die Jäger traten näher, sahen erstaunt die abgehärmte Menschengestalt und berichteten ihre Entdeckung sofort dem Grafen. Der eilte in die Wildnis und war nicht wenig erstaunt, in dem ehrwürdigen Einsiedler den Sachsenherzog Gerold zu erkennen. Voll Ehrfurcht vor dem weltverachtenden Gottesdiener bat er ihn, den Wald als Eigentum anzunehmen und baute ihm eine Wohnung mit einem Kirchlein, zu dem der dankbare Bär Holz und Steine herantrug.

 

Graf Otto wollte sich der Freude nicht versagen, der Familie des frommen Einsiedlers seinen glücklichen Fund mitzuteilen und lud dessen zwei Söhne zu sich ein, ohne ihnen jedoch den Zweck der Einladung anzudeuten. Die Söhne des Herzogs erschienen auf Jagdberg. Otto nahm sie sehr gastfreundlich auf und lud sie nach dem Essen ein, mit seiner Gemahlin Benedikta einen frommen Einsiedler tief im Wald zu besuchen. Kaum hatten sie die Klause erreicht, da erkannte das Kindesauge die Züge des teuren unvergesslichen Vaters und mit lautem Freudenschrei und Tränen der Liebe stürzten die Söhne an das Herz des geliebten Vaters. Wer könnte den Jubel eines solchen Wiedersehens schildern? Es mochte ein Vorgeschmack des einstigen Wiedersehens im Himmel sein. Alle dankten Gott für dies unverhoffte Glück.

 

Die beiden Söhne Gerolds, Kuno und Ulrich, wünschten bei ihrem Vater zu bleiben, um gleich ihm, von der Welt geschieden, in Abtötungen und Bußübungen den Himmel zu erobern, doch ihr Vater ermunterte sie, im Kloster Einsiedeln um das Ordenskleid des heiligen Benedikt zu bitten, denn in jener Zeit blühte das Ordensleben unter der Leitung des heiligen Abtes Eberhard frisch auf. Die edlen Söhne befolgten den wohlerwogenen Rat ihres erleuchteten Vaters und zeichneten sich durch unermüdliches Streben aus. Einsiedeln feiert alljährlich das Andenken des seligen Kuno am 8. März, des seligen Ulrich am 29. April.

 

Als Gerold die Nähe seines Todes fühlte, trug er einen Korb voll Erde nach der Meinradszelle und legte ihn auf den Altar des Gnadenbildes nieder zum Zeichen, dass er all sein Besitztum dem Kloster für ewige Zeiten schenke. Inbrünstig empfahl er sich und seine Kinder der göttlichen Gnade und dem Schutz der Mutter Gottes, dann kehrte er in seine Zelle zurück, wo er am 19. April 978 seine armselige Erdenhütte verließ, um einen strahlenden Thron im Land des ewigen Glückes und Friedens einzunehmen. Durch die Fürbitte des Heiligen geschahen viele Wunder. Seine Schenkung hat die Jahrhunderte überdauert und wird heute noch vom Kloster Einsiedeln gehütet. Zu seiner Ehre wurden Kirchen und Altäre geweiht. So heißt das älteste Heiligtum der Bischofsstadt Paderborn die Geroldskapelle, an die der heilige Bischof Meinwerk um das Jahr 1015 die berühmte Bartholomäuskapelle anbaute.