Heiliger Luzian, Priester von Antiochien, Kirchenschriftsteller, Märtyrer von Nikomedia, + 7.1.312 - Fest: 7. Januar

       

Dieses Heiligenleben führt uns an die Ufer des Orontes. Das nahe Meer trägt, wie vor zweitausend Jahren, das Rauschen seines Wellenschlages über dessen reichgesegnetes Gelände. Weltgeschichtliche Erinnerungen weben darüber. Zu unsren Füßen das kleine Antakya – über einem großen Ruinenfeld. Das verfallene Dörfchen ist das alte Antiochien, Syriens Residenzstadt (1928), die einst so stolze Königin des Ostens, nach Rom eine der größten und schönsten Städte der Welt (ist heute eine Großstadt in der Südtürkei und Hauptstadt der Provinz Hatay). Ihre Mauern bargen die Wiege des sogenannten Heidenchristentums, denn hier sammelte sich die erste Christengemeinde aus heidnischen Neubekehrten, wie auch der Name „Christen“ als Bezeichnung der Christgläubigen hier zum ersten Mal den Bekennern der neuen Religion beigelegt wurde. Die ersten Heidenapostel Paulus und Barnabas weilen und wirken in ihrer Mitte, dem Mittelpunkt des weltweiten Missionsfeldes des großen Völkerlehrers. Ihr erster Bischof ist der heilige Apostelfürst Petrus, ihr dritter Oberhirte der berühmte Märtyrerbischof und Johannesjünger Ignatius. Der bekannteste unter den mehreren hochgerühmten Heiligen und Märtyrern nach ihnen ist wohl der heilige Luzian.

 

Seine Heimat lag im Zweistromland (Mesopotamien) zu Samosata am Euphrat. Seine gründliche Ausbildung in der heiligen Wissenschaft empfing er in der damals nach Alexandrien zweitbedeutendsten Hochschule im nachbarlichen Edessa, namentlich zu den Füßen des gefeierten Lehrers der Heiligen Schriften und der Gottesgelehrsamkeit, des heiligen Makarius. Gleichen Schritt damit hielt sein Fortgang in der christlichen Tugendschule. Noch bevor er seine Heimatstadt verließ, verteilte er sein väterliches Erbgut unter die Armen, um sich dafür das himmlische Erbe einzutauschen. Er fand die kostbare Perle, womit der Heiland einmal den Schatz des Gottesreiches vergleicht (Matthäus 13,45f), ging hin und gab alles weg, um sie zu erwerben.

 

Nach Vollendung seiner Studien siedelte Luzian nach Antiochien über, das eigentliche Feld seiner segensreichen Lebensarbeit. Sein wissenschaftlicher Ruhm fing hier an mit dem des sittenstrengen Aszeten zu wetteifern. Bald fiel des Bischofs Auge auf ihn, der ihn durch die heilige Priesterweihe in seinen Klerus aufnahm.

 

Eine zweifache wissenschaftliche Tat sicherte seinem Namen für immer das Lob der dankbaren Nachwelt. Er wurde zunächst der Begründer einer theologischen Hochschule, der sogenannten antiochenischen Exegetenschule, die an Verdienst und Bedeutung alle übrigen der nächstfolgenden Jahrhunderte überstrahlte. Der gesunde Sinn dieser Schule, welcher der Stifter die Bahnen wies, wusste in der Schrifterklärung zwischen der starren, geisttötenden Buchstabengebundenheit und der über den Wortlaut des Schrifttextes leichtfüßig hinausschweifenden Ungebundenheit (Allegorese) die glückliche Mitte zu halten. In dieser Mitte erwuchs jener fruchtbeladene Baum wahrer Bibelwissenschaft, der bald seine Äste über die ganze Kirche breitete, und dessen Segensfülle noch heute die kirchliche Schriftauslegung speist. Aus dieser Schule ging beispielsweise der gefeiertste Verkünder und Erklärer des Gotteswortes im christlichen Altertum hervor, der wort- und geistesgewaltige heilige Chrysostomus, dessen herrliche Lobrede auf unseren Heiligen am 7. Januar 387 noch erhalten ist.

 

Das zweite, mit dem ersten engverbundene Arbeitsverdienst lag in der Verbesserung des bis dahin stark entstellten umlaufenden Bibeltextes. Auch diese schwierige und langwierige Aufgabe löste der Gelehrte mit anerkanntem Geschick und glänzendem Erfolg, indem er den damaligen Text mit alten, guten Handschriften verglich und tunlichst auf den ursprünglichen Wortlaut der Heiligen Schrift zurückführte. Er trug damit zur Behütung des wahren Glaubensgutes und des echten Tugendgoldes in der Heiligen Schrift ein nicht unwichtiges Scherflein bei. Aber auch noch andere Schriften bezeigen seine umfassende und tiefschürfende Gelehrsamkeit. Inmitten dieser heiligen Gottessaat wucherten freilich zunächst gegen Wissen und Willen des Heiligen giftige Keime des Irrtums, aus denen sogar die größte Irrlehre des folgenden Jahrhunderts herauswachsen sollte, die gottlose Irrlehre seines Schülers Arius, der die wahre Gottheit Christi leugnete. Der Widerspruch, in den Luzian durch solche Falschlehren mit der christlichen Überlieferungslehre und dem kirchlichen Lehramt geraten musste, führte zeitweilig sogar zu seinem Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft. Trotz dieser beklagenswerten Tatsachen aber trug die Kirche kein Bedenken, dem irrenden Priester, der schließlich auf Gnadenwegen zur Gemeinschaft der Kirche zurückkehrte, die Ehren des Altares zuzuerkennen.

 

Seinen Gottesglauben und seine Christentugend besiegelte der Heilige mit dem Märtyrium am 7. Januar 312. Schon die grausame Christenverfolgung des Kaisers Diokletian brachte über ihn Leiden schwerer Kerkerhaft. Mehr der Not der Gläubigen in Antiochien als der eigenen gedenkend, suchte er jene durch ein rührendes Trostschreiben aus der dunklen Kerkergruft zu ermutigen. Wenige Jahre später fiel er dem neuen Verfolgungssturm unter Kaiser Maximin zum Opfer. Er wurde von Antiochien nach Nikomedien, der Residenzstadt des Kaisers, geschleppt, woselbst er unmenschlichen Foltern erlag. Berühmt wurde seine Verteidigungsrede, die er hier im Angesicht des Kaisers mit ebenso apostolischem Freimut wie glänzender Beredsamkeit hielt, so dass sie des überwältigenden Eindruckes auf alle Umstehenden nicht verfehlte. Der Vater der Kirchengeschichte, Eusebius von Cäsarea, hebt denn auch aus der großen Zahl von Blutzeugen gerade sein Märtyrium als besonders herrliches hervor: „Er habe in Gegenwart des Kaisers das himmlische Reich Christi zuerst in Wort und dann durch die Tat verkündet.“ Kaiser Konstantin ehrte den heiligen Märtyrer, indem er über seiner Todesstätte eine neue, nach seiner Mutter (heilige Helena) Helenopolis benannte Stadt erbauen ließ und derselben Steuerfreiheit schenkte (heute Hersek in der Türkei).

 

Das Leben des heiligen Luzian zeigt, wie selbst größte Gelehrsamkeit den Menschen nicht immer vor schwerer Verirrung zu wahren vermag. Höhere Erleuchtung als aus der Wissenschaft wird dem Menschen gerade an wichtigen Scheidewegen und dunklen Lebensstunden aus dem Licht der inneren Gnade zufließen. Gottes Gnade und eigenes Tugendstreben wurden denn auch für den irrenden Priester Luzian das rettende Engelpaar, das ihn wiederum in die kirchliche Glaubensgemeinschaft und schließlich durch Marter und Tod in die selige Gemeinschaft der Heiligen führte.