Petri Kettenfeier

 

Die Kettenfeier des heiligen Petrus

 

Gleich zu Beginn der Lesung heute stößt man auf den König Herodes. Dieser Herodes hatte bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich, als er König wurde. Im sechsten Lebensjahr kam er nach Rom und geriet früh unter die Räder. Ein Schlemmer war er, ein Verschwender und Schuldenmacher, der zeitweilig sogar im Gefängnis saß, bis ihn die Gunst des römischen Kaisers von heute auf morgen zum König erhob. Natürlich wollten die Juden von einem solchen König nicht viel wissen und schnitten ihn, wo sie konnten. Da katzbuckelte Herodes vor den eigenen Untertanen, schmeichelte ihnen auf jede erdenkliche Weise, und als er merkte, dass er bei den Pharisäern Eindruck machen könne, wenn er die verhassten Christen verfolgte, ließ er zunächst um Ostern 44 den heiligen Apostel Jakobus den Älteren hinrichten. Als nächster sollte der heilige Petrus an die Reihe kommen, der im Gefängnis saß.

 

Es war in der Nacht vor dem Hinrichtungstag. Petrus wurde im Gefängnis wie ein Schwerverbrecher von sechzehn Soldaten in vier Abteilungen bewacht. Zwei weitere Gefangenenwärter befanden sich bei ihm in der Zelle. Außerdem trug der Verurteilte doppelte Ketten. Da war an ein Entweichen oder an eine Befreiung nicht zu denken, aber die christliche Gemeinde in Jerusalem betete ohne Unterlass zum Herrn für Petrus, und es sollte sich tatsächlich zeigen, dass das Gebet stärker ist als alle Wachen und Ketten.

 

In der Nacht vor dem Hinrichtungstag schlief Petrus trotz der Wachen und Ketten seelenruhig den Schlaf des Gerechten. So fest schlief er, dass der Engel, den Gott zu seiner Befreiung sandte, ihm erst einen kräftigen Stoß geben musste, damit er aufwache, und während er sich verschlafen noch die Augen rieb, fielen ihm die Ketten von den Händen, und schon drängte der Bote des Himmels zur Eile mit den Worten: „Petrus, mal schnell in die Schuhe!“ Petrus tat so, und wieder sagte der Befreier: „Nun nimm den Mantel und dann rasch hinter mir her!“ Petrus tat, wie ihm geheißen wurde, aber bei Verstand war er immer noch nicht, es kam ihm vor, als träume er. Darauf schritten die beiden ungesehen und ungehindert durch die Wachen bis zur dreifach verriegelten eisernen Gefängnistür, und siehe da, das Tor öffnete sich von selbst. Stillschweigend begleitete der Engel seinen Schützling noch ein Stück Wegs und war dann plötzlich verschwunden. Jetzt erst kam Petrus zu sich selbst. Wie versteinert blieb er einen Augenblick stehen, fasste sich mit der Hand an die Stirn und sagte halblaut vor sich hin: „Nun weiß ich sicher, dass der Herr seinen Engel gesandt hat, er hat mich aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden entrissen.“

 

Da stand also der befreite Petrus mutterseelenallein auf der nächtlichen Straße und überlegte, was er tun solle. Natürlich durfte er unter den gegebenen Umständen nicht in Jerusalem bleiben. Bevor er jedoch das Weite suchte, wollte er erst den Glaubensbrüdern Bescheid geben. So stapfte er durch die Stadt nach dem Abendmahlssaal, der ersten Kirche der Christenheit, wo zur gleichen Stunde die Gläubigen für ihn beteten. Stürmisch, wie es seine Art war, klopfte er drei-, vier-, zehnmal nacheinander, und es kam auch sogleich eine Magd, und als diese die Stimme des Apostels vernahm, vergaß sie die Tür zu öffnen, rannte vielmehr zu den anderen zurück und meldete, Petrus stehe draußen. Da gab es erstaunte Gesichter, einer warf einen vielsagenden Blick nach dem älteren Mädchen, und ein zweiter meinte: „Du, du bist wohl nicht recht bei Trost, was?“ Währenddessen trommelte Petrus unten an der Tür weiter, und als man ihm endlich öffnete, stand er wirklich da. Groß war die Freude, als Petrus von seiner Befreiung berichtete. Darauf gab er noch schnell einige Anordnungen und verließ in der gleichen Nacht die Stadt, um sich in Sicherheit zu bringen.

 

Vierhundert Jahre nach dem erwähnten Vorfall kamen die Ketten, die Petrus in Jerusalem getragen und die die dortigen Christen in all der Zeit als Reliquien verehrt hatten, nach der Ewigen Stadt, und als sie der damalige Papst neben die Ketten legte, an die der Apostelfürst später im Kerker zu Rom angeschmiedet war, schlossen sich beide zu einer einzigen Kette zusammen. Da erbaute man zu Ehren der Ketten eine Kirche, die man die Kettenkirche nannte und in der heute noch die Ketten des heiligen Petrus gezeigt und verehrt werden, und wer sie sieht, wird dabei unwillkürlich an die Tatsache erinnert, dass der liebe Gott ein gutes und beharrliches Gebet gern erhört.

 

Petri Gefangenschaft

 

Petrus, von Christo erwählt,

War nicht allein gezählt

Unter die Apostel Gottes;

Nach dem Willen seines Gebotes

Ist ihm vor ihnen allen

Die Ehre zugefallen,

Dass er der Fürst sei unter diesen,

Seit er seinen minnenden Sinn bewiesen.

Die Schlüssel wurden ihm befohlen,

Die da öffnen unverhohlen

Des Himmels Pforte.

Er soll mit seinem Worte

Auf Erden binden und entbinden.

Christ hieß ihn auch sich unterwinden

Der Wache über die Schafe.

Dass er sie leite, lohne und strafe.

 

Als der Kaiser Tiberius starb

Und Gajus Caligula die Krone erwarb,

Ließ er, das Land ihm zu bewahren,

Herodes Agrippa nach Judäa fahren

Und König sein darin

Nach seines Willens Sinn.

Als er nun kam ins Land,

Klagten die Juden ihm zuhand

Ueber die Apostel sehr

Und ihre falsche Lehr`.

Herodes ließ in solchen Nöten

Jacobum den Apostel töten,

Den Bruder Sankt Johannes`.

Da nach dem Tode des Mannes

Herodes sehr gelobet ward,

Da zwang ihn seine Hochfahrt,

Dass er den Juden allen

Noch besser wollte gefallen.

Sein Mut begann zu dürsten

Auf den Apostelfürsten,

Und er ließ ihn in Ketten legen;

Jedoch auf Himmelswegen

Kam ein Engel in der Nacht

Zum Kerker, drein er war gebracht.

Die Ketten fielen; der Schlummer band

Die müden Wächter; offen stand

Ein jeglich Tor, und frei

Von des Herodes Tyrannei

Ging er fort aus Jerusalem.

Jesus hatte gesagt vordem,

Dass erst nach zwölf Jahren

Die Apostel sollten von hinnen fahren.

So zog er nach Rom; mit Gottes Rat

Schuf er zu seinem Herrschersitze

Die hohe Kaiserstadt.

 

(Aus: "Goldene Legende der Heiligen"

von Richard von Kralik

München 1902)