Gottseliger Eigil von Fulda, Abt und Bekenner, OSB, + 822 – Gedenktag: 6. August

Symbolbild Allerheiligen

 

„O wie schön sind die Füße derer, die uns den Frieden künden,“ so jubelte einst der Psalmensänger im Alten Bund. Von so einem Friedensbringer, der dem hochberühmten Kloster des heiligen Bonifatius zu Fulda zum Heil geworden, will ich dir heute erzählen, vom ehrwürdigen Gottesmann Eigil. Zwar genießt er nicht die kirchliche Verehrung eines Heiligen, aber seine Mitbrüder waren überzeugt, dass er gleich nach seinem Tod der himmlischen Seligkeit teilhaftig geworden, und verschiedene spätere Schriftsteller haben ihm den Titel heilig oder selig beigelegt. Auch der gelehrte Benediktiner Mabillon hat ihn in seine Sammlung von Heiligenleben des Ordens aufgenommen.

 

Eigil ist seiner Geburt nach ein Bayer. Näher lässt sich jedoch seine Heimat nicht bestimmen. Schon als Kind wurde er seinem Oheim, dem Abt Sturmi in Fulda, übergeben. Die Beziehungen zwischen Bayern und Fulda waren ja seit den Tagen, da der heilige Bonifatius dem Land eine Diözesanverfassung gegeben, sehr rege, wie manche Schenkungen beweisen. Es waren nicht bloß Bande des Blutes, die Sturmi und Eigil aneinander ketteten, es war vor allem die gleiche, durch die Gnade veredelte Stammesart, es war der gleiche Eifer im Dienst des einen Königs Jesus Christus. Der Abt schenkte dem jungen Mönch sein besonderes Vertrauen und zog ihn vielleicht als Sekretär in seine nächste Nähe. Der wiederum verehrte in ihm seinen geistlichen Vater und Führer. So war er der berufene Biograph des Heiligen, als dieser im Dezember 779 die Augen geschlossen hatte und in der vom heiligen Bonifatius geweihten Kirche bestattet worden war. Eigil hat nicht bloß seinen Meister und Oheim in jenem Lebensbild gezeichnet, er hat uns auch einen Blick tun lassen in seine eigene schlichte und liebenswürdige Seele.

 

Dem heiligen Sturmi folgte in der Leitung des Klosters Abt Baugolf, der 802 sein schweres Amt niederlegte und auf die jüngeren Schultern des Mönches Ratger legte. So treffliche Eigenschaften dieser vornehme und begabte Mann auch besaß, das dienende Sicheinfügen in die verschiedenen Charaktere, das der heilige Benedikt dem Abt so sehr an Herz legt, verstand er nicht. Er konnte keinen Widerspruch dulden und war mehr rücksichtsloser Gebieter als gütiger Vater. Bald lief eine umfangreiche Klageschrift der Fuldaer Mönche am Hof Kaiser Karls ein. Nochmals glückte es, ein erträgliches Einvernehmen zwischen dem Abt und seinen Mönchen herzustellen, aber schließlich gewann der herrische Geist in Ratger wieder die Oberhand und wütete schlimmer als je. Die einen verjagte er aus dem Kloster, andere flohen selbst, verärgert oder verängstigt. Schließlich blieb Kaiser Ludwig nichts übrig, als Ratger absetzen zu lassen (817). Durch westfränkische Mönche ließ er die Reform des heiligen Benedikt von Aniane in Fulda durchführen. Nachdem wieder Ordnung und Einigkeit in die Klostergemeinde zurückgekehrt war, erlaubte er ihnen auch einen neuen Abt zu wählen. Mit Zaghaftigkeit und Vorsicht ging man an das schwierige Werk. Dem Hinundherschwanken machten einige der älteren Brüder dadurch ein Ende, dass sie unserem Eigil als den würdigsten und geeignetsten bezeichneten. Sogleich stimmten die übrigen zu, wenn auch einige seine Energie fürchteten. Der Erwählte selbst freilich weigerte sich entschieden mit Hinweis auf seine Unwürdigkeit und sein hohes Alter – er war schon nahe den Siebzigern. Doch die vereinten Bitten der Brüder und ihr ernstes Gelöbnis treuen Gehorsams brachen seinen Widerstand. Im Frühjahr 818 wurde er vom Kaiser in Aachen bestätigt und vom Erzbischof Aistulf in Mainz geweiht.

 

Mit einem Vollmaß von Liebe und Vertrauen begrüßten die Mönche von Fulda ihren heimkehrenden Vater. Eigil verdiente es auch. Heiteren Antlitzes und frohen Gemütes war er stets bereit zu jeder Arbeit. Ein Liebhaber der Friedens, verschloss er sein Herz jedem Argwohn und sein einfacher, gerader Sinn konnte hinterlistige Quertreibereien und Ohrebläserei, die unter seinem Vorgänger solchen Schaden angerichtet hatten, um alle Welt nicht ausstehen. Dabei war er aber ein fester, kernhafter Mann, gleich weit entfernt von fehlerhafter Weichherzigkeit wie stolzer Härte. Manche Übeltat wagte sich nicht hervor und manche fehlerhafte Gewohnheit schwand von selbst unter dem Eindruck seiner Persönlichkeit. In den äußeren Geschäften zeigte sich Eigil als kluger, mit der Verwaltung eines ausgedehnten Besitzes wohl vertrauter Praktiker. Wichtiger als die äußere Blüte war ihm aber das innere Wachstum und Erstarken der Klostergemeinde. In kurzer Frist war die Ordnung und innere Eintracht wieder so weit befestigt, dass er für den abgesetzten Abt Ratger vom Kaiser Verzeihung und Heimkehr erbitten durfte – ein schönes Zeugnis auch für seine verzeihende Liebe. Seine besondere Sorge wandte Eigil der Klosterschule zu, deren Leitung er dem heiligen Rhabanus Maurus, seinem späteren Nachfolger und Erzbischof von Mainz, anvertraute.

 

So war es dem umsichtigen Greis gelungen, in der Zeit von nicht ganz zwei Jahren den geistigen Tempel Gottes wieder herrlich aufzurichten und die Stiftung des heiligen Bonifatius im alten Glanz zu erneuern. Den Abschluss und die Krönung fand sein Werk in der Vollendung des großartigen Münsters über dem Grab des heiligen Bonifatius, das sein Vorgänger Ratger trotz aller Anstrengungen nicht hatte vorwärtsbringen können. Am 1. November 819 wurde die Kirche vom Erzbischof Aistulf unter freudigster Anteilnahme der ganzen Umgebung feierlich eingeweiht; einen besonderen Glanz erhielt das Fest durch die Übertragung der Reliquien des heiligen Bonifatius aus dem Ostchor auf den Hauptaltar. Noch ein anderes Baudenkmal erinnert bis heute an Eigil, die Gruftkirche auf dem Michelsberg, dem damaligen Begräbnisplatz der Brüder. Auch einen neuen Kreuzgang begann er zu bauen. Die Arbeit schritt rüstig voran, aber mitten drin erkrankte Eigil. Er fühlte sein Ende nahen. Zum letzten Mal ließ er sich in seine Michaelskirche führen. Dort bezeichnete er in der Gruft den Ort seines Begräbnisses und hob selbst noch die ersten Schaufeln Erde aus. Dann ließ er den Sarg hineinpassen, in dem er bestattet zu werden bat. In seine Zelle zurückgekehrt, legte er sich todkrank zu Bett. Die Brüder besuchten ihn und seine Seele erfreute sich an ihrem Gebet. Auf ihre Aufforderung hin verzieh er nochmals allen und bat seinerseits um Verzeihung: „Wenn ich jemand verletzt habe, so bitte ich demütig um Verzeihung, und wenn ich von jemand beleidigt worden bin, so möge ihm Gott verzeihen, wie ich ihm wahrhaft und vom ganzen Herzen verzeihe.“ Kaum hatte er diese Worte vollendet, legte er sich zurück und hauchte seinen Geist aus (zwischen 2. August und 28. Oktober 822). Im Herzen seiner Mönche aber zog der Schmerz ein und von ihren Lippen floss die Klage um den verlorenen Vater. Im hergerichteten Grab setzten sie seinen Leichnam bei und der Magister Rhabanus verfasste ihm die Grabinschrift. Sie war die Ergänzung zu den Versen, die der ehrwürdige Eigil sich selbst gemacht hatte:

 

„Hier erwarte ich den Herrn, der mir löst die Fessel des Todes. Fest ist mein Glaube: einst kommt er und weckt mich auf!“