Die beiden Grafen Roibart und Luibart von Nutlon (jetzt Nottuln) kämpften 779 bei Darup gegen Kaiser Karl den Großen, wurden aber besiegt. Luibart wurde verwundet und starb bald nach der Schlacht. Roibart kam als Kriegsgefangener nach Franken, lernte dort die christliche Religion kennen und ließ sich taufen. Der Kaiser schenkte ihm die Freiheit und gab ihm seine Güter zurück. In Franken hatte er Mechtildis, die Schwester des heiligen Ludgerus, kennengelernt und führte sie als Gattin in seine Westfälische Heimat. Heriburga, die andere Schwester des heiligen Ludgerus, zog mit ihnen nach Nottuln.
Nicht lange Widerstand Heriburga dem Drang ihres Herzens, ihr Leben und ihre Güter dem Herrn zu weihen. Ihr Bruder Ludger hatte um das Jahr 805 zu Nottuln, nicht weit von Münster, ein Kloster und eine Kirche gebaut. Dorthin zog sich Heriburga zurück, die von frühester Jugend unter Anleitung ihres heiligen Bruders eine außerordentliche Vorliebe zu einem vollkommenen Leben empfangen hatte. Luibarts junge Witwe und mehrere Jungfrauen gesellten sich ihr zu und begannen ein gemeinschaftliches Leben unter frommen Übungen. Der heilige Ludgerus entwarf die Klosterregeln und weihte die Stiftskirche zu Ehren der allerseligsten Jungfrau, der heiligen Martinus und Magnus und legte einen Teil der Reliquien, die er aus Rom mitgebracht hatte, dort nieder. Heriburga wurde zur ersten Äbtissin des Klosters erwählt.
Die genannten Heiligtümer blieben nicht lange im Besitz der Stiftskirche zu Nottuln. Gerfrid, der zweite Bischof von Münster und Neffe der heiligen Heriburga, erbat sie im Jahr 833 von ihr zurück und schenkte dem Stift dafür die beiden in Billerbeck gelegenen Haupthöfe Schulze Bockolt und Schulze Ölinghof.
Aus den stillen Klostermauern trat Heriburga nur einmal in die Öffentlichkeit. Als ihr Bruder, der heilige Bischof Ludger, im benachbarten Billerbeck am Sterben lag, sandte man nach Nottuln Boten zu seiner heiligen Schwester. In Begleitung ihres Neffen Gerfrid begab sie sich auf den Weg, traf ihn aber nicht mehr am Leben. Auf der Mitte des Weges sahen beide die heilige Seele, umgeben von großem Lichtglanz gen Himmel fahren. Eilends setzten sie ihren Weg fort. Als sie bei der Leiche ankamen, entquoll dem Mund eben frisches Blut. So hatte es der Heilige vorhergesagt und dies sollte ein Zeichen sein, dass er in Werden begraben sein wollte. Die heilige Heriburga fing mit Wolle das Blut ihres geliebten Bruders auf und nahm es mit nach Nottuln, wo es noch heute aufbewahrt wird.
Hatte zu Lebzeiten des heiligen Ludger Glück und Friede im Land geherrscht, so kamen bald außerordentliche Drangsale, wie sie der Heilige vorausgesagt hatte. Als er einst auf seinem Familiengut Werdina, nahe am Meer, verweilte, hatte er ein Traumgesicht über die nächste Zukunft Deutschlands, das er unter vielen Tränen seiner Schwester Heriburga mit folgenden Worten erzählte: „Ich sah etwas wie die Sonne über das Meer fliehen. Schwarzes Gewölk folgte ihr. Davonfliehend nahm sie immer mehr ab und indem sie über uns hinwegeilte, wurde sie je entfernter, desto bleicher und verschwand zuletzt ganz. Die Finsternis, die ihr folgte, nahm das ganze Meergestade ein. Nach langer Zeit aber kehrte die Sonne wieder, kleiner zwar und bleicher, als zuvor, und verscheuchte dieses schwarze Gewölk wieder über das Meer.“ – Während er das erzählte, zerfloss er in Tränen. Als seine Schwester ihn weinen sah, weinte auch sie und sprach: „Was bedeutet dieses Traumgesicht?“ Er antwortete ihr: „Es werden von den Normannen her große Verfolgungen und schreckliche Kriege und unermessliche Verwüstungen kommen, so dass alle diese lieblichen Gestade unserer Sünden wegen fast unbewohnbar werden. Darauf wird durch die Gnade des Herrn der Kirche Gottes der Friede zurückgegeben und die schreckliche Not, die auf diesen Gegenden lastete, auf die Normannen selbst zurückfallen.“ Seufzend sprach die Schwester: „O möchte mich der Herr würdigen, mich von dieser Welt zu nehmen, bevor diese Schrecknisse eintreffen!“ Er entgegnete ihr: „Nicht also, vielmehr wird das in deinen Tagen geschehen; ich aber werde jene Gräuel in diesem meinem Fleisch nicht mehr schauen.“ – Dieses Traumgesicht erfüllte sich, denn nach dem Tod des heiligen Ludger fielen die wilden Normannen sehr häufig in das Land ein, verbrannten die Kirchen, verwüsteten die Klöster, plünderten die Wohnungen und ließen eine entvölkerte Wüste hinter sich zurück. So berichtet uns Altfrid. Den ersten geschichtlich bekannten Einfall in Friesland machten die Normannen im Jahr 846. Demgemäß müsste die heilige Heriburga, die die Verwüstung des Landes durch diese Barbaren noch erleben sollte, erst nach dem Jahr 846 gestorben sein. Ihr Todestag ist der 16. Oktober.