War der heilige Antonius der Schöpfer des Mönchlebens, so ist Pachomius sein Gesetzgeber und eigentlicher Stifter. Er hat zuerst die Anachoreten, die Einsiedler, zu einem gemeinsamen Leben nach bestimmten Regeln und Gesetzen zusammengeführt, er hat die Mönche zu Zönobiten, zu Zusammenlebenden (vom griechischen koinos = gemeinsam und bios = das Leben), gemacht. Seine Regel wurde auch für die Klöster des Abendlandes maßgebend. Denn St. Benedikts Werk ist durchaus vom Geist des großen Pachomius beseelt.
Die Oberthebais, Oberägypten, war die Heimat des Pachomius. Die Eltern waren noch Heiden, aber der junge Kopte, der in den Kenntnissen seines Landes sorgfältig unterrichtet wurde, zeigte schon früh eine auffallende Liebe zur Reinheit und Abneigung gegen den ägyptischen Götterdienst. Es wird erzählt, dass einst ein Götzenbild, das Orakel Weissagungssprüche gab, in Gegenwart des kleinen Pachomius verstummte und die Priester den bestürzten Eltern erklärten, daran sei der kleine Feind der Götter, ihr Sohn, schuld.
In jener Zeit ließ Kaiser Konstantin zu einem Krieg gegen Maxentius auch in Ägypten die kräftigsten jungen Männer zum Felddienst ausheben. Der kaum zwanzigjährige Pachomius wurde mit anderen jungen Leuten den Eltern entrissen und auf ein Schiff gebracht, das sie den Nil hinabführte. Die armen Jünglinge waren sehr niedergeschlagen, schlecht verpflegt und streng behandelt. Da erschienen eines Abends, als das Schiff bei der Stadt Esna anlegte, mitleidige Einwohner und brachten den hungrigen Rekruten Speise und Trank und allerlei Labung, die sie ihnen in gar liebenswürdiger Weise und unter ermunternden Trostesworten reichten. Pachomius staunte über diese innige Herzlichkeit der Leute, die ganz anders zu sein schienen wie die übrigen Menschen. Wer sie wohl sein mochten? Christen, so hörten sie, seien es, die es sich zur besonderen Pflicht machten, armen Unglücklichen zu helfen. Neugierig forschte der junge Ägypter weiter der christlichen Lehre nach, von der ihm hier zum ersten Mal Kunde wurde und die so ganz seinen Herzenswünschen entsprach. In einem innigen Aufblick zu Gott gelobt er, wenn er aus dieser Not befreit und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen würde, alle Tage seines Lebens einzig dem Dienst des Allerhöchsten zu weihen. Noch sollte er sich aber in der Prüfung bewähren müssen. Aus den Städten wie aus der Reisegesellschaft drängte sich von allen Seiten die Sünde mit ihren Verlockungen an den jungen Mann heran. Doch mannhaft widerstand er. Immer stärker nur wurde die Sehnsucht nach einer vollen Hingabe an Gott im christlichen Glauben. Solches Verlangen gefiel Gott. Überraschend kam die Nachricht, dass die angeworbenen Truppen zu entlassen seien.
Pachomius schlug nun bei Schenesit (Chenoboskia) in einer Ruine, nahe bei einer christlichen Kirche, seinen Wohnsitz auf und empfing bald nach gewissenhafter Vorbereitung durch ein echt christliches Leben die heilige Taufe. Noch glühender wurde dadurch sein Eifer. Bei einer ansteckenden Krankheit widmete er seine ganze Kraft den Leidenden. Um noch tiefer in die christliche Askese eingeführt zu werden, bat er den in jener Gegend hochangesehenen Einsiedler Palämon, ihn als Schüler anzunehmen. Doch dieser wehrte ab. „Du kannst nicht Mönch werden,“ sprach er, „das ist ein zu schwerer Beruf. Viele haben begeistert angefangen, brachen aber bald zusammen und entsagten dem Einsiedlerleben.“ Pachomius ließ nicht nach mit der Bitte, einmal einen Versuch mit ihm zu machen. Da stellte ihm der Meister vor, wie hart seine Lebensweise sei, wie er täglich faste, wie nur Brot und Salz seine Nahrung seien, wie er halbe, ja ganze Nächte im Gebet zubringe. Aber nur noch eindringlicher flehte Pachomius, bis er endlich von Palämon das Mönchsgewand erhielt.
Der Schüler zeigte sich seines Lehrers würdig. Mochten die Anforderungen, die dieser stellte, noch so hoch sein, Pachomius kam ihnen nach. Allen Lehren und Übungen des frommen Meisters sich in Gehorsam unterwerfend, nahm der hochstrebende junge Mann so sehr in gottgefälligem Wandel zu, dass Palämon nicht aufhörte, Gott für einen so eifrigen und heiligen Jünger zu danken. Aber auch Pachomius wusste seinerseits dankbar den unermesslichen Wert einer trefflichen Seelenleitung zu schätzen. Zugleich aber begann er bald die großen Gefahren zu erkennen, die den auf sich selbst angewiesenen Einsiedlern drohten. Wo mehrere beisammen sind, stützt einer den anderen. Was aber, wenn nach dem ersten frischen Eifer über den durch die übermäßigen Anstrengungen körperlich und seelisch geschwächten jungen Mann große Versuchungen und Schwierigkeiten hereinbrechen? Vielfach hatten sich ja die Einsiedler enger aneinandergeschlossen. Aber es fehlte ihnen doch die wohltätige Einrichtung, durch eine gemeinsame maßvolle, allen Anforderungen gerecht werdende Regel fest miteinander verbunden zu sein. Ganz erschüttert wirkte gerade damals der tiefe Fall eines Einsiedlers, der in stolzer Vermessenheit sich zu den größten Heiligen zählen zu dürfen glaubte.
Nicht ohne besondere Einsprechung von Gott ließ sich Pachomius ums Jahr 326 in der Einöde von Tabenna nieder, um hier gleichgesinnte Brüder zu einem gemeinsamen Leben zu sammeln. Palämons Zustimmung und Rat leitete dabei den neue Pfade Suchenden. Anfangs war es nur sein leiblicher Bruder Johannes, der sich ihm anschloss, um Christ und Mönch zu werden. So gingen beide Brüder nun gemeinschaftlich auf die Erstürmung des Himmelreiches aus. Seinen Beruf klar erkennend, hielt Pachomius in Geduld, in strengster Selbstverleugnung und außerordentlicher Abtötung aus. Schließlich sah er sich mit herrlichem Erfolg gekrönt. Es kamen drei Schüler, dann mehr; die Zahl stieg auf dreißig, fünfzig, hundert, und noch immer meldeten sich neue Ankömmlinge. Wiederholt musste Tabenna umgebaut werden. Ein zweites Kloster entstand in Pabau; schließlich wurden es fünf.
Die sinnige Legende lässt die neue Regel, nach der alles geleitet wurde, durch einen Engel dem Pachomius überbracht werden. Ernste Lesung der Heiligen Schrift, ausdauerndes Gebet und eine reiche Lebenserfahrung waren der Nährboden auf dem diese Pachomianische „Engelregel“ entstand. Schon Antonius, der Vater der Einsiedler, hat die Neuerung des gemeinsamen Lebens nach der Regel des Pachomius eine herrliche Tat gepriesen. Eine straffe Ordnung und Gliederung beherrscht das Ganze. Auf dem Gehorsam baut es sich auf. An der Spitze steht der Generalvorsteher als Leiter des gesamten Verbandes. Er bestellt die Oberverwalter und seine Gehilfen, die für die leiblichen Bedürfnisse zu sorgen haben; er ernennt die Oberen der einzelnen Klöster. Das Amt ist lebenslänglich. Pachomius selbst wurde Tabennas erster „Vater“ (Abt). Die einzelnen Klöster selbst bestanden wiederum aus einer Anzahl kleinerer Häuser mit etwa zwanzig Insassen, die nach dem Anwachsen der Mitgliederzahl und der notwendigen Arbeitsteilung den gleichen Dienstgeschäften angehörten. Jedes Haus hatte einen eigenen Aufseher. Diese besonderen Ordnungen, z.B. der Mattenflechter, der Weber, der Köche, Bäcker, Bücherabschreiber, der Krankenwärter, finden sich gemeinsam in der Kirche und bei Tisch zusammen. Dieser bestand in der Hauptsache aus Brot, Käse, Obst, eingesalzenen Fischen und Lattich. Warmes gekochtes Gemüse musste zwar täglich aufgetragen werden, aber nur Greise, Kränkliche und Kinder nahmen davon. Diese Kinder wurden von den Eltern den Klöstern zur Erziehung übergeben, so dass schon damals die später so glänzend sich entwickelnde Bestimmung der Orden als Unterrichts- und Erziehungsstätten sich in ihren Anfängen zeigte.
Einem Mönch, den der heilige Pachomius in das Amt eines Vorstehers einwies, gab er die Lehre: „Beobachte du zuerst die Satzungen, damit die Brüder sie ebenfalls genau beobachten.“ An diesen Grundsatz hielt sich der Abt selber. Wie ein Kind unterwarf er sich dem Vorsteher des Hauses, in dem er war. Nie beanspruchte er für sich etwas Besonderes, auch dann nicht, wenn er krank war. Beim Aufführen der Klostermauern, beim Holzfällen, Sammeln des Schilfes legte er Hand an. Als Oberer hielt er in allen Anforderungen an die Mönche das richtige Maß und nahm stets Rücksicht auf das menschliche Unvermögen. Er war eben ein großer Menschenkenner und darum auch ein vorzüglicher Ordensstifter und Vorsteher. Beinahe täglich, oft sogar zweimal im Tag, hielt er den Seinen geistliche Unterweisungen und suchte sie vor allem in die Kenntnis der Heiligen Schrift und der Glaubenswahrheiten einzuführen. Darum mussten auch alle Mönche das Lesen erlernen, um das Evangelium lesen und betrachten zu können.
Dem umsichtigen, liebevollen und gütigen „Vater“, der in seiner Demut aber, wie er oft sagte, sich doch nie Vater seiner Mitbrüder zu nennen wagte, brachten deshalb auch die Pachomianer eine außerordentliche Verehrung entgegen. Noch auf dem Sterbebett bewies er seine Selbstverleugnung und zarte Rücksichtnahme auf die Ordensbrüder. Da ihm die schwere Decke sehr lästig wurde, bat er den Krankenwärter um eine leichtere. Als er aber die große Erleichterung, die ihm dadurch zuteilwurde, merkte, sprach der Todkranke zu dem Wärter: „Nimm sie sofort weg; es geziemt sich nicht, dass ich es irgendwie besser habe als meine Brüder. Als ein getreues Abbild des guten Hirten starb der Heilige am 9. Mai 346. Ein herrliches Gestirn des altchristlichen geistlichen Lebens war mit ihm untergegangen.
Ein großer Vorzug im Ordensstand ist die ständige Leitung durch die Oberen. Johannes Climakus sagt: „Wie ein Wanderer, so vorsichtig er auch sein mag, ohne Führer oft den Weg verlieren und sich verirren kann, so wird auch der, der in seinem Leben und Wandel sein eigener Führer ist, irre gehen und sich ins Verderben stürzen, wie vollkommen er auch in seiner weltlichen Weisheit sein mag.“