Nach christlichem Brauch wird uns bei der heiligen Taufe ein Name gegeben, der Taufname, und die Kirche will, dass der Name eines Heiligen dazu gewählt werde, nicht weltliche Namen oder gar Namen von alten Heidengöttern usw. Denn der Christ soll an dem Heiligen, auf dessen Namen er getauft ist, an seinem Namenspatron, einen Fürsprecher bei Gott im Himmel und für sein Leben auf Erden ein Vorbild zur Nachahmung haben.
Die Heiligenlegende kennt wohl eine heilige Roselina, Rosula, Rosa und Rosalia, aber eine heilige Rosina ist in keinem Heiligenverzeichnis zu finden; und doch ist der Name Rosina ein auch in gut christlichen Gegenden gewöhnlicher Taufname, und die auf ihren Namen Getauften feiern das Fest der heiligen Rosina am 13. März, und sie tun recht daran. Die Sache verhält sich nämlich so.
Am 13. März feiert die Kirche das Fest der heiligen Jungfrau Euphrasia. Ihr Name wurde in den Heiligenlegenden und Martyrerbüchern oft verwechselt mit dem Namen einer anderen heiligen Jungfrau, Euphrosyna (obwohl die beiden Namen in der griechischen Sprache, der sie angehören, durchaus nicht dasselbe bedeuten), deren im römischen Martyrologium am 1. Januar gedacht, und deren Fest bei den beschuhten Karmeliten am 12., bei den unbeschuhten Karmeliten am 13. Februar gefeiert wird, als einer Heiligen des Karmeliterordens. Den Namen Euphrosyna verkürzte dann der Volksmund zu Rosina, wie er es mit so vielen Namen (Magdalena, Katharina, Christina usw.) getan hat, und dabei blieb es. Es ist auch gar nicht notwendig, zum vollen Namen Euphrosyna, oder zum richtigen Namen Euphrasia zurückzukehren, ebenso wenig als jemand, der Aloys heißt, daran denkt, seinen Namen zu ändern, weil der Name des heiligen Aloysius eigentlich Ludwig gewesen war. Viel nützlicher wird es sein, eine kurze Lebensgeschichte der heiligen Rosina oder Euphrasia zu hören.
Euphrasia wurde im Jahr 380 zu Konstantinopel geboren, das einzige Kind hochangesehener und tugendhafter Eltern. Ihr Vater Antigonus hatte eine wichtige Stelle am Hof des Kaisers Theodosius inne und war mit ihm nahe verwandt. Ihr Mutter, die heilige Euphrasia die Ältere, war ihm an Geburt und Tugend gleich. Sie brachten ihr Töchterlein gleich nach der Geburt Gott zum Opfer und verpflichteten sich für die übrigen Lebenstage durch ein Gelübde zur Enthaltsamkeit, um Gott ungeteilt dienen zu können. Aber Antigonus starb, nachdem kaum ein Jahr seit Ablegung dieses Gelübdes verflossen war, eines seligen Todes, und man riet der jungen Witwe sich wieder zu verehelichen. Euphrasia aber verwarf alle Vorschläge solcher Art. Sie verließ im Gegenteil später heimlich Konstantinopel und zog sich mit ihrer Tochter nach Ägypten zurück, wo sie ausgedehnte Besitzungen hatte. Dort ließ sie sich in der Nähe eines großen Frauenklosters von ausgezeichneter Zucht und Strenge nieder.
Die kleine Euphrasia fühlte sich von den Beispielen der frommen Ordensfrauen mächtig angezogen. Sie redete hierüber mit der Mutter und begehrte von ihr, als eine Gnade, die Erlaubnis, Gott in dem Kloster dienen zu dürfen. Die heilige Mutter weinte vor Freude, in ihrem heiligen Kind solche Wirkungen des Geistes Gottes wahrzunehmen. Sie willigte gern in die Bitte ein und stellte bald darauf selbst ihr Kind der Oberin des Klosters vor. Diese gab der kleinen Euphrasia ein Bild des Gekreuzigten in die Hände. Sie küsste es ehrfurchtsvoll und sprach: „Ich gelobe für die Zeit meines Lebens, mich meinem Heiland allein zu weihen.“ Die Mutter führte hierauf das Kind vor ein anderes Bild des Gekreuzigten und betete mit aufgehobenen Händen: Nimm, o Herr, dies Kind unter deinen Schutz. Es liebt und sucht nur dich, und empfiehlt sich daher nur dir allein.“ Dann sprach sie zur Tochter: „Möge der Herr, der die Berge auf unerschütterlichen Grundfesten baute, dich für immer in der Zucht seines heiligen Namens bestärken.“ Nach diesen Worten übergab sie das Kind der Oberin und verließ weinend das Kloster.
Bald darauf verfiel die heilige Mutter in eine tödliche Krankheit und kurz vor ihrem Ende erteilte sie der Tochter noch folgende Ermahnung: „Fürchte Gott, ehre deine Schwestern und betrachte dich als ihre Dienerin. Denke nie daran, was du in den Augen der Welt gewesen bist, noch sage zu dir selbst, dass du aus dem Blut der Kaiser entsprossen bist. Sei demütig und arm auf Erden, damit du verdienst, der Herrlichkeit und der Schätze des Himmels teilhaftig zu werden.“
Nach dem Tod der Mutter wollte Kaiser Theodosius die junge Euphrasia aus dem Kloster holen lassen, da er sie dem Sohn eines Senators zur Ehe versprochen hatte. Euphrasia ließ ihm antworten: „Wolltest du wohl, unüberwindlicher Kaiser, da du weißt, wie ich meinem Heiland versprochen habe, in ewiger Keuschheit zu leben, dass ich mein Versprechen breche, um mit einem sterblichen Menschen mich zu verbinden, der bald die Speise der Würmer sein wird? Ich bitte dich bei der Gunst, mit der du meine Eltern beehrt hast, über die Güter, die sie mir hinterlassen haben, zum Besten der Armen, Waisen und Kirchen zu verfügen. Gib allen meinen Sklaven die Freiheit und gewähre meinen Beständern den Nachlass alles dessen, was sie mir schuldig sind, damit ich, frei von zeitlichen Sorgen, Gott ungehindert dienen kann. Bitte den Herrn, dass er mich allzeit seiner würdig mache. Die nämliche Gnade wage ich von der Kaiserin, deiner Gemahlin, zu begehren.“ Der Kaiser weinte, als er ihn las, und auch die Senatoren weinten, als er ihnen vorgelesen wurde, und sagten zu Theodosius: „Sie ist des Antigonus und der Euphrasia würdige Tochter. Sie ist eine Zierde des erlauchten Blutes, das in ihren Adern fließt. Sie ist der würdige Spross eines so tugendhaften Stammes.“ Theodosius tat pünktlich, wie im Brief begehrt wurde.
Euphrasia strebte nun, von allen irdischen Sorgen frei, mit jedem Tag nach höherer Vollkommenheit. Sie hatte viele Kämpfe zu bestehen, aber sie wurden ihr Gelegenheit zu ebenso vielen Siegen. Durch Offenherzigkeit und Gehorsam gegenüber der Oberin überwand sie alle Feinde. Innere Leiden aber und die große äußere Strenge der Klosterregel genügten dem Bußeifer dieser unschuldigen Seele nicht, sondern sie legte sich noch viel größere Enthaltsamkeit auf. Oft brachte sie zwei oder drei Tage, zuweilen sogar eine ganze Woche ohne jegliche Nahrung zu. Dabei war sie mild und sanft im Umgang, auch gegen die gröbsten Beleidigungen unempfindlich, und voll unverdrossener Freudigkeit in den niedrigsten Diensten und Arbeiten des Klosterlebens.
Euphrasia starb am 13. März 410 in einem Alter von 30 Jahren. Vor und nach ihrem Tod wurde sie von Gott durch Wunder verherrlicht.