Im Bayerischen Wald baute sich der aus der Gegend von Passau stammende Engelmar eine Hütte. Schon bald kamen die Leute der Umgebung zu ihm, um seinen Rat und seine Hilfe zu erbitten. Dies erregte den Neid seines Gefährten, und er erschlug Engelmar im Jahr 1110.
„Der heilige Engelmar war ein geborener Bayer und seinem Geschäft nach ein Landmann, aber aus Liebe zu Christus verließ er sein irdisches Besitztum und seine weltlichen Wünsche und wählte das Einsiedlerleben unter Anleitung des ehemaligen armenischen Erzbischofs Gregor, welcher in sehnsüchtiger Hoffnung auf himmlische Güter seine hohe Würde niedergelegt hatte und als armer Pilger nach Passau gekommen war. Nach dem Tod des heiligen Gregor, am 23. September 1093, wo eine von jenem angekündigte Sonnenfinsternis die damalige Welt in Schrecken setzte und zum Kreuzzug gegen die Türken anfeuerte, begab sich der heilige Engelmar in die Einöde, baute sich eine Klause, begann nach apostolischer Weise von der Arbeit seiner Hände zu leben und durch Nachtwachen, Gebet und Fasten die Gnade seines Schöpfers zu gewinnen.
Da er wegen seiner Güte und Frömmigkeit bei allen Bewohnern der Umgegend sehr beliebt war, beneidete ihn sein Genosse, ein zweiter Kain, um der ihm verliehenen größeren göttlichen Gnade willen, und voll Ingrimm, dass er dem Heiligen so unähnlich erschien, legte er in Abwesenheit von Zeugen Hand an ihn, erschlug ihn und deckte die Leiche mit Schnee und Steinen zu. Dieses Verbrechen verübte er am Tag nach der Oktav vom Fest der Erscheinung des Herrn und verheimlichte es unter verschiedenen Täuschungen und Ausreden bis Pfingsten. Über das Fest des Heiligen Geistes hinaus konnte die Schandtat nicht verborgen bleiben, weil derselbe die Welt der Sünde überführt. Das Blut des neuen Abel schrie zum Himmel, und der neue Kain irrte unstet in den Wäldern umher, nicht begünstigt und geliebt vom Volk, wie er erwartet hatte, sondern verflucht und verachtet und von seinem bösen Gewissen verfolgt.
Ein Priester fand die Leiche des Einsiedlers und Märtyrers und begrub sie in der Stille, ohne auf seine Heiligkeit Rücksicht zu nehmen. Aber als Rudbert, ehemals Weltpriester, dann erster Vorsteher des im Jahr 1125 neu errichteten Prämonstratenserklosters Windberg, für seine neue Kirche einen Schutzheiligen erwählen wollte, gedachte er des heiligen Märtyrers Engelmar, erbaute ihm ein würdiges Grab und übertrug die Überreste in die prächtige steinerne Kirche im Jahr 1131.
Vom Tag des Begräbnisses an eilte das gläubige Volk alljährlich mitten in der Pfingstwoche zu dem Grab des Heiligen und feierte andächtig das Patronsfest des Märtyrers. Als einst noch der Leichnam des erschlagenen Einsiedlers in dem ärmlichen Hüttchen lag, erblickten bei Nacht Vorübergehende eine zahllose Menge Lichter voll wunderbaren Glanzes. Staunend gingen sie dorthin und sahen den Lichtglanz nicht nur in unmittelbarer Nähe, sondern wurden auch mit den süßesten Wohlgerüchen erfüllt. Viele Kranke erhielten dort Heilung, viele Heimgesuchte Trost und Hilfe. Der Name Engelmar ist im Lauf vieler Jahrhunderte nicht im Herzen und Munde des Volkes erloschen, viel weniger im Buch des Lebens.“
Engelmar ist der Patron der Bauern. Für die Bewahrung der Feldfrüchte und gegen Viehseuchen wird seine Hilfe erfleht. Das in der Legende genannte Kloster Windberg bei Bogen ist nicht nur ein bedeutendes Baudenkmal, sondern auch durch die Jahrhunderte berühmt wegen seiner wissenschaftlichen Arbeit; noch aus der Zeit des ersten Abtes Gebhard (1142 bis 1191) sind wertvolle Handschriften erhalten.