Heiliger Joseph Cafasso, Priester und Bekenner von Turin III. OFM, Moralprofessor, Apostel der Gefangenen, + 23.6.1860 – Fest: 23. Juni

 

„Die Demütigen erhebt Gott!“ Durch die Kleinen und Schwachen, die als willige Werkzeuge sich seiner Hand übereignen, schafft der Allmächtige Werke, die Segen bringen ihrer Zeit und über die Zeit hinaus. Das Jubeljahr 1925 hat solch einen demütigen und großen Segensspender, den ehrwürdigen Priester Joseph Cafasso, durch die feierliche Heiligsprechung am 22. Juni 1947 durch Papst Pius XII. hoch erhoben und in ihm gezeigt, was die Demut Großes vermag. Wie schätzte dieser schon äußerlich unansehnliche, kleine und verwachsene Mann sich selbst so gering und arm vor Gott! Doch in diesem schwachen und gebrechlichen Körper wohnte eine wahrhaft große Seele, eine Feuerseele, die erfüllt war von glühender Liebe zu Gott und zum Nächsten und ihren erleuchtenden, erwärmenden Einfluss auch auf unzählige andere ausübte.

 

Joseph Cafasso ist am 15. Januar 1811 in dem rebenumkränzten Städtchen Castelnuovo d`Asti in der norditalienischen Provinz Piemont geboren. Seine Eltern waren brave, wenig begüterte Landleute. Aber groß war der Ruf der Mutter wegen ihrer Wohltätigkeit. Von ihr erbte auch Joseph seine so zarte Liebe zu den Hilfsbedürftigen.

 

Ein auffallender Zug zur Frömmigkeit zeigte sich in dem aufgeweckten, wohlgesitteten Jungen. Von den Ordensgeistlichen empfing er den ersten Unterricht. In Chieri, wo er seine weitere Ausbildung erhielt, wurde er im zwölften Lebensjahr zur ersten heiligen Kommunion zugelassen. Das war in jener Zeit des Jansenismus, wo man die Kinder vor vierzehn oder fünfzehn Jahren nicht zum heiligen Tisch hinzutreten ließ, eine Bevorzugung. Später sprach der Heilige noch oft davon, wieviel er in seiner Jugend durch diese herzlose Irrlehre zu leiden gehabt habe. Den Kampf gegen sie betrachtete er bis zu seinem Ende als seine Lebensaufgabe. Nach Vollendung der Gymnasialstudien trat der fromme junge Mann, der den klaren Ruf des Herrn zum Priestertum in sich verspürte, ins neue Priesterseminar von Chieri ein. Bald ragte er durch Tugend und wissenschaftlichen Fortschritt vor allen Alumnen hervor. Don Bosco gestand später einmal, dass „der Name Cafasso es sei, der ihn am meisten an diese Mauern fesselte. Der Wohlgeruch seiner Tugenden strömte noch durch das Seminar. Seine Liebe zu seinen Mitzöglingen, seine Unterwürfigkeit gegenüber den Oberen, seine Geduld im Ertragen der Fehler anderer, sein Bemühen niemand zu beleidigen, seine Freude, wenn er jemand zu Diensten sein konnte, seine Gleichmütigkeit gegenüber den verschiedenen Anordnungen, die Ergebung, mit der er die Unannehmlichkeiten der Jahreszeiten hinnahm, seine Bereitwilligkeit, den Kindern den Katechismus zu erklären, seine stets erbauliche Aufführung, sein Eifer im Studium und in der Frömmigkeit: das waren die Tugenden, die das Seminarleben von Don Cafasso durchduftet hatten.“

 

Bei seiner Priesterweihe, die er am 21. September 1833 in Turin erhielt, gab Cafasso den Gesinnungen seines Herzens in dem Vorsatz Ausdruck: „Ich will, wünsche und suche nichts anderes als mich zu heiligen und schnell ein großer Heiliger zu werden. Darin soll mein größtes Glück bestehen.“ Cafassos ganzes Leben kreiste von nun an nur um die eine Sonne, die heilige Eucharistie. Aufs sorgfältigste bereitete er sich jeden Tag auf die heilige Messe vor. Seine Sammlung, versichern die Zeugen im Seligsprechungsprozess, sei eine unbeschreibliche gewesen. Die Danksagung währte lange, von tiefster Andacht getragen. Tagsüber fand er sich immer wieder, trotz der Arbeitslast, vor dem Tabernakel ein, und gingen abends die anderen zur Ruhe, dann ruhte sich der fromme Priester zu den Füßen des lieben Heilandes im Sakrament in trautester Zwiesprache aus.

 

Wie liebte Cafasso die allerseligste Jungfrau! Ihre Verehrung betrachtete er nicht nur als einen Ehrendienst, sondern als eine wahre Herzensgemeinschaft. „Der Priester,“ so sagte er seinen Schülern, „der Maria ergeben ist, der wie ein zweiter Jesus in Liebe ihr Gehorsam leistet, kann sich nicht weit von Jesus entfernen. Er liebt mit ihr, er spricht mit ihr, verkehrt mit ihr. Ihr offenbart er seine Geheimnisse, seine Leiden und Tröstungen; mit ihr teilt er seine Ängste und Hoffnungen, mit ihr berät er seine Unternehmungen und Bemühungen, kurz in zarter Liebe behandelt er sie nicht anders als wie seine eigene, leibliche Mutter.“

 

In Turin bestand damals ein Seminar für junge Priester, Institut vom hl. Franz von Assisi genannt. Dort hörte und studierte der strebsame junge Geistliche bei Kanonikus Guala noch weiter die Moraltheologie, die Wissenschaft des christlichen Sittengesetzes, und wurde dann der Gehilfe und Nachfolger seines Lehrers. Später, 1848-1860, leitete Cafasso als Direktor das Institut. Die Heranbildung eines sittenreinen, echt kirchlichen, an Geist und Herzen hochgebildeten Klerus war das Ideal, das der Selige 23 Jahre lang an seinen Schülern zu verwirklichen suchte. Seine gründliche und zugleich liebenswürdige Art zu lehren, zog die jungen Leute mächtig an, so dass sein Zuhörerkreis rasch von 60 auf 100 stieg. Viele hervorragende Priester gingen aus seiner Schule hervor. Der bekannteste und berühmteste von ihnen ist Don Bosco, der von 1835 an in Cafasso seinen trefflichen Seelenführer und vertrautesten Freund verehrte. Und wahrhaftig! Schuldete die Kirche dem Wort und Beispiel Cafassos auch gar nichts anderes, als dass er einen Don Bosco herangebildet hatte, sie wäre ihn dadurch schon allein zum größten Dank verpflichtet.

 

Don Cafasso ist es gewesen, der Bosco veranlasste, sich armer verlassener Jungen anzunehmen, als er sich schon für die auswärtigen Missionen entschlossen hatte. „Das ist der Wille Gottes und nichts anderes,“ sprach mit Entschiedenheit der gotterleuchtete Mann. Im Zimmer Cafassos wurden die Pläne Don Boscos durchberaten, aus Cafassos Händen flossen viele Kapitalien, deren der Jugendapostel bedurfte. Als alle Freunde ihn nach und nach verließen und als einen Phantasten verlachten, da war es noch Cafasso, der ihm treu blieb und Verteidiger seines Werkes wurde. Bosco werde noch unfehlbar viel Gutes in der Welt stiften, sagte er. Ein Heiliger versteht am besten den andern. Wie wertvoll ist darum das Urteil, das hinwiederum Johannes Bosco über seinen Meister und Freund abgibt. Er schreibt: „Alle kommen darin überein, dass man Cafassos Priesterleben eher das eines Engels als das eines Menschen nennen kann . . . Die einen nannten ihn einen neuen heiligen Aloisius wegen seiner Unschuld und Sittenreinheit, andere einen Franz von Sales wegen seiner Sanftmut, Geduld und Liebe, andere einen Vinzenz von Paul wegen seiner Werktätigen Nächstenliebe, andere einen Karl Borromäus wegen der Strengheit seines Lebens und der Härte, mit der er sich selbst behandelte, andere schließlich einen Alphons von Liguori wegen seiner Freundlichkeit, Herablassung und Güte. Ich meinerseits muss sagen, dass ich in dem Leben der Heiligen viele gefunden habe, die sich in heroischer Weise auszeichneten, der eine in dieser, der andere in jener Tugend, aber ich glaube, dass wirklich selten jemand zu finden ist, der in seiner Person so viel Weisheit, Erfahrung in menschlichen Dingen, Großmut, Starkmut, Mäßigkeit, Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen vereint, als uns an dem Priester Cafasso entgegenstrahlt.“

 

Der Heilige sah seine Aufgabe im Lehr- und Erziehungsberuf noch nicht erschöpft. Er übte auch eine ausgedehnte Seelsorgetätigkeit aus. Aus allen Gesellschaftsschichten, Reiche wie Arme, hohe Kirchenfürsten und bescheidene Taglöhner drängten sich zu seinem Beichtstuhl. Alle gingen gestärkt und mit dem ernstesten Willen zur Besserung von ihm. Viele Fälle sind bekannt, wo ergraute Sünder auf dem Sterbebett nur durch sein Wort mit Gott sich versöhnt hatten.

 

Eine ganz besondere Vorliebe besaß aber der heilige Priester für die Gefangenen. Damals waren die Sträflingszellen äußerst schlecht eingerichtet; bessere Elemente teilten sie mit verworfenen Verbrechern. Cafassos Sorge suchte zu bessern, wo er nur konnte. Dadurch, dass er allen mit Achtung und Liebe begegnete, wie man sie nur unglücklichen Brüdern erweisen kann, dass er sie teilnahmsvoll mit Aufmerksamkeiten überhäufte, gewann er den vollsten Einfluss auf die Gefangenen und erlebte die wunderbarsten Erfolge. Wohl missbrauchten manche Boshafte seine Güte. Dann siegte aber meist seine unüberwindliche Geduld. So heuchelte einst ein hartnäckiger Sünder Sinnesänderung und bestellte den erfreuten Priester für den nächsten Tag zur Beichte. Es war Winter und eisig kalt. Cafasso erschien pünktlich. Aber im Augenblick, da er die Schwelle des Hauses überschreiten wollte, ergoss sich er unnennbare Inhalt eines gewissen Topfes über Hut und Mantel des Ahnungslosen. Ohne jede Aufregung reinigte er sich wieder, bat flehentlich bei den Aufsehern, den Sträfling nicht zur strengen Bestrafung zu melden und trat lächelnd und seine Verspätung entschuldigend vor den Nichtswürdigen hin. Dieser, von der heldenmütigen Sanftmut des Dieners Gottes überwältigt, fiel schluchzend vor ihm auf die Knie und legte eine aufrichtige Beicht ab.

 

Was Don Cafasso am Fuß des Schafottes bei der Hinrichtung der Schwerverbrecher erfuhr, waren ihm beste Tröstungen. Von den 68 Verurteilten, die der allgemein bekannte „Galgenpater“ mit unendlicher Liebe auf das letzte Stündlein vorbereitete, starb nicht ein einziger unbußfertig. Ja, oft gelang es ihm in den eiskalten Herzen dieser Unglücklichen eine so lebendige Reue über ihre Sünden und ein so festes Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes zu erwecken, dass sie fast mit Freuden den letzten Schritt der Buße taten. Er erklärte ihnen, wie sie durch die ergebungsvolle Annahme des Todes einen der größten und verdienstlichsten Akte der Religion, der Sühne, erfüllen könnten.

 

Der mitleids- und eifervolle Priester ist dadurch auch für unser letztes Stündlein ein Helfer geworden. Vom heiligen Alfons von Liguori wusste er, dass Gott in der willigen Hinnahme des Todes zur Sühne und zur Erfüllung des göttlichen Willens die wohlgefälligste Buße und das vollkommenste Opfer sehe. Deshalb entschloss er sich nach reiflicher Überlegung, den Heiligen Vater zu bitten, den Akt der Ergebung in den Tod, den er seine Sträflinge machen ließ, zugunsten aller Gläubigen mit einem vollkommenen Ablass für die Todesstunde zu versehen. Der gute Pius IX. gewährte am 9. April 1855 die verlangte Gnade, doch nur für eine bestimmte Anzahl von Personen. Es bedurfte später der fünfmaligen Bitte eines anderen Turiner Priesters, bis Pius X. am 9. März 1904 diesen so überaus nützlichen Ablass zum Gemeingut aller Gläubigen machte. Nun ist es jedem Gläubigen leicht gemacht, in gesunden Tagen durch die ernste Gesinnung einer demütigen und vertrauensvollen Hingabe an Gottes Willen sich den Sterbeablass zu sichern.

 

Sollte ein so großer Wohltäter und Freund der Sterbenden nicht selbst die Gnade eines guten Todes verdient haben? Am 23. Juni 1860 kam für Cafasso die entscheidende Stunde. Eine Lungenentzündung führte sie rasch heran. Don Bosco stand am Sterbelager seines Freundes und Schützers. Tiefe Stille herrschte. Da richtete sich der Sterbende plötzlich auf, streckte die Arme himmelwärts, lächelte selig, sank dann zurück und hauchte seine reine Seele aus. Die Umstehenden, tief ergriffen, gaben der Überzeugung Ausdruck, die Himmelskönigin habe den sehnlichen Wunsch ihres treuen Dieners erfüllt und sei ihm sichtbar beim Hinübergang zur Seite gewesen.

 

 

„Herr, mein Gott, schon jetzt nehme ich jede Art des Todes, so wie es dir gefallen wird, mit allen ihren Ängsten, Leiden und Schmerzen von deiner Hand mit voller Ergebung und Bereitwilligkeit an.“ Vollkommener Ablass in der Todesstunde.