Seliger Isaak Jogues, Jesuit, Missionar, nordamerikanischer Martyrer, + 18.10.1646 – Gedenktag: 18. Oktober

 

„Meine Hände habe ich aufgehoben und ausgestreckt nach deinen Geboten, die ich so sehr geliebt habe; ich habe mich geübt in all dem, was du mir als Recht gezeigt hast.“ (Psalm 119,48) Wie oft und mit welch erhabenen Gefühlen mag der große Missionar Isaak Jogues diesen Vers gebetet haben! Ja, er hat Herz und Hand zu Gottes heiligen Geboten erhoben, er hat der Liebe, die sein Inneres erfüllte, auch im äußeren Handeln einen würdigen Ausdruck verliehen. Darum hat auch der Herr dieses Aufheben der Hände zu Gebet und Tat wohlgefällig angesehen und ihm dafür die unschätzbare Gnade verliehen, dass der seeleneifrige Priester gerade seine Hände zum Martyrium darbieten und dadurch den Vater im Himmel verherrlichen durfte.

 

An den sonnigen Ufern der Loire wurde Isaak Jogues 1607 geboren. Orleans, die uralte Stadt, die von Kaiser Aurelian ihren Namen erhalten hat, war seine Heimat. Seine Familie genoss Ansehen und war, wie es scheint, auch ziemlich wohlhabend. Dem jungen Mann hätten sich demgemäß gute Aussichten in der Welt eröffnet. Allein er streckte seine Hände nach den überirdischen Gütern aus. Schon gar früh regte sich in ihm der Wunsch, einmal selber mittätig sein zu können an der Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden. Er trat im 18. Lebensjahr der Gesellschaft Jesu bei.

 

Der Befehl der Oberen rief den jungen Pater Jogues auf das schwierige Missionsfeld von Kanada in Nordamerika. Welch zahllose Hindernisse, Mühen und Gefahren dort in dem unwirtlichen, von Indianern bewohnten Land den eifrigen Missionar erwarteten, davon können wir uns keinen rechten Begriff machen. Bis zu den Ottawas und Chippewas wollte er vordringen. Als Reisestraße benützte er den durch seine viele Inseln bekannten Lorenzostrom. Das war kein geringes Wagnis. Lagen doch die verschiedenen Indianerstämme, obgleich untereinander verwandt, ständig in blutigem Streit miteinander. So hatten die Huronen, die den Missionaren versöhnlicher gestimmt waren, ständig unter den Angriffen der Irokesen zu leiden. Dabei standen diese Indianer auf einer so niedrigen Stufe des Naturlebens, dass man es kaum noch mit menschlichen Gewohnheiten und menschlichen Anschauungen vergleichen kann. Zwischen diesen feindlichen Brüdern sich bewegen, hieß ständiger Lebensgefahr sich aussetzen.

 

Pater Jogues war denn auch noch gar nicht weit in das Land der kanadischen Seen eingedrungen, als eine Schar Irokesen aus einem Hinterhalt hervorbrach und im Nu das Fahrzeug des Missionars umringte. In den nächsten Minuten waren er und seine Begleiter gebunden und Gefangene der Indianer. Was nun folgte, kann auch eine starke Phantasie sich kaum so vorstellen, wie es in Wirklichkeit vor sich ging. Pater Jogues wurde nach Art und Brauch dieser wilden Naturvölker zunächst einmal misshandelt. Man setzte ihm so lange mit erbarmungslosen Schlägen zu, bis eine Ohnmacht seine Sinne umfing. Dann folgte eine Marter, die für den gottbegeisterten Missionar noch viel ärger war, als die wütenden, Marter gewohnten Söhne der Wildheit es sich denken konnten. Die Irokesen sahen in Jogues einen Stammesfeind. Blutgierig bissen sie, gleich wilden Katzen, mit ihren messerscharfen Zähnen in die Hände ihres Opfers, bissen ihm der Reihe nach die Fingerspitzen ab, zerrten ihm beide Zeigefinger aus den Gelenken und trennten sie schließlich ganz ab.

 

Nach solcher Marter mag der treue Nachfolger Christi in seligem Bekennergeist gebetet haben: „Meine Hände habe ich aufgehoben zu dir und strecke sie weiter aus nach deinen Geboten!“ Die menschliche Natur mag ja vor Qual und Weh gebebt und ihm das Gebet der Ergebung schwer gemacht haben. Aber schwerer noch, viel schwerer musste das Bewusstsein ihm auf die Seele drücken, dass er nun, sollte er mit dem Leben davon kommen, doch für die Zukunft unfähig sei, sein priesterliches Amt am Altar auszuüben. Die Vorschrift der Kirche ist streng. Sie muss es verbieten, mit verkrüppelten Händen die heiligen Gestalten bei der heiligen Messe zu berühren. Sie muss die Ehrfurcht vor den heiligen Geheimnissen schützen und darf nicht zulassen, dass die Behandlung des Allerheiligsten nach außen unwürdig erscheine oder dass es bei der Ungelenkigkeit der menschlichen Glieder der Gefahr der Verunehrung ausgesetzt werde. So hatten die grausamen Menschen dem Boten des Heils unbewusst das größte Leid zugefügt, indem sie ihn unfähig machten, das heilige Messopfer, die Quelle des Trostes für einen Missionar, darzubringen. War noch irgendein Wirken möglich auf dem Saatfeld Gottes, wo er schon von fern die zur Ernte reifen Früchte winken sah? Die Marter der Hände war ihm zur schwersten Qual geworden, nicht zu einer körperlichen nur, sondern tausendfach mehr zu einer seelischen.

 

Indessen war das Martyrium auch leiblich noch nicht zu Ende, schien vielmehr ein beständiges zu werden. Die Irokesen schleppten den überwundenen Feind als Siegesbeute in ihre Gebiete. Der Transport nahm acht Tage in Anspruch und gestaltete sich für den edlen Priester zu einer Kette von neuen ausgesuchten Quälereien. Lagen die bedauernswerten Opfer auf der Wasserfahrt gebunden in den Kähnen, so vertrieben ihre Wächter sich die Zeit, mit langen Dornen oder spitzen Holzsplittern die Wunden immer wieder neu aufzureißen. Führte der Marsch durch dichten Wald oder über die steilen Felsen der Stromschnellen, so dienten die Gefangenen als Lasttiere, die unter unbarmherzigen Schlägen vorangetrieben wurden. Als die Peiniger dann anderen Irokesenhorden begegneten, ließen diese die Gefangenen Spießruten laufen und misshandelten Jogues Hände, die er schon auf den Altar Gottes zum Opfer hingegeben hatte, abermals und zwar so, dass kein einziger seiner Finger mehr verschont blieb und auch danach niemals mehr geheilt und eingerichtet werden konnte. Im Wigwam der Indianer angekommen, wurde der Selige den Kindern zur Zielscheibe ihrer Bosheiten überliefert. Dabei schnitten ihm, wie er später selbst bezeugte, die Fesseln derart in das Fleisch, dass er, wäre er nicht doch endlich noch rechtzeitig losgelöst worden, wohl in der nächsten halben Stunde schon der unmenschlichen Behandlung hätte erliegen müssen. In einer Stammesberatung wurde endlich das Schlussgericht gehalten. Einige der Gefährten des Missionars wurden verbrannt, er selbst und René (Renatus) Goupil, ein Laienbruder der Gesellschaft Jesu, wurden einer Irokesenfamilie als Sklaven zugewiesen. Schon nach kurzer Zeit traf den Bruder der Todesstreich. Ein Krieger, dessen sterbendem Bruder Goupil das Kreuzzeichen auf die Stirn gezeichnet hatte, erschlug ihn mit der Streitaxt.

 

Mit Schaudern liest man bisweilen von unsagbaren Misshandlungen von Kindern und dienenden Personen unter den Launen getaufter Stiefeltern und moderner Herrschaftsdamen! Was mag der hochgebildete Mann unter der Laune eines entmenschten Wilden gelitten haben! Ein ganzes Jahr lang dauerte diese Leidenszeit. Welch seelische Qualen für den Diener des Herrn, in der ständigen Umgebung von Wilden mit ihren rohen Sitten und heidnischen Gebräuchen, ohne den Trost der heiligen Messe und Sakramente, in ständiger Lebensgefahr ob der unberechenbaren Grausamkeit seiner Herren! Zu alledem ließ es Gott der Herr zu, dass sein hart geprüfter Diener in so drückender Lage mitunter von tiefster Entmutigung und Trostlosigkeit schier unbezwinglich überfallen wurde. Also dazu, so sagte sich der Bekenner Christi in solchen Stunden, bin ich nach Amerika gekommen, um einem gefühllosen, tierischen Menschen und seinem Hüttengenossen Sklave zu sein, ihm in unwürdigster Form zu dienen, der ich als Gesandter Christi allen in edelster, höchster Weise zu dienen mich gesehnt habe! Und dennoch hielt des Seligen Heldenseele aus. Unfassbares Wunder der Gnade, die den Menschen auch in der verzweifeltsten Lage noch zu halten und emporzuheben vermag! Und der ergebene Diener der Gnade ließ sich heben. Er betrachtete es schließlich selber dankbar als Fügung Gottes, dass er, nachdem er nicht als Missionar Eingang bei diesem unglücklichen Volk hatte finden können, er doch als Gefangener durch sein Beispiel das Evangelium der Liebe predigen konnte. Und wahrhaftig, dies herrliche Beispiel christlicher Geduld und standhafter Liebe war eine Predigt, deren seltsame Sprache nicht überhört werden konnte. Große Herzensfreude bereitete es dem seeleneifrigen Mann auch bisweilen, wenn es ihm gelang, heimlich einem sterbenden Kind den Himmel zu erschließen.

 

Mehrmals bot sich Gelegenheit zur Flucht. Aber der gewissenhafte Priester zog es vor, „auf dem Kreuz, an das der Herr ihn gebunden, zu leben und zu sterben.“ Durch dieses mutige Ausharren hat sich Pater Jogues den Ehrentitel des ersten Apostels der Irokesen verdient, als eines Apostels der Geduld. Einer holländischen Handelsgesellschaft gelang es endlich, den leiderprobten Dulder aus seiner traurigen Lage zu befreien, freilich erst, nachdem er im Gebet alles reiflich erwogen und in den Plan zur Rettung eingewilligt hatte. Nun sah sich Pater Jogues gezwungen, ehe er an eine neue Missionsunternehmung denken konnte, in seiner Heimat, also in Frankreich, die so notwendige Erholung von den ausgestandenen Leiden zu suchen. Da war es auch der Vater der Christenheit, Urban VIII., der dem standhaften Bekenner seine Teilnahme zuwandte. Nun durfte man auch die Bitte an das Oberhaupt der Kirche versuchen, dem erprobten Streiter Christi trotz der Verstümmelung seiner Hände wieder die Fähigkeit zurückzugeben, das heilige Messopfer zu feiern und die heiligen Sakramente zu spenden, damit er von neuem seinen hohen Beruf aufzugreifen vermochte. Das Wort, das damals Urban VIII., der selbst von höchster Verehrung für die heilige Messe und ihre Zeremonien durchdrungen war, gesprochen hat, ist ein hochherziges Anerkennungszeugnis für unseren lieben Seligen, wie nicht minder ehrenvoll für den, der es gegeben hat. Der Papst erteilte die erbetene Vollmacht mit dem denkwürdigen Ausspruch: „Unwürdig wäre es, wenn ein Martyrer Christi nicht auch das Blut Christi trinken dürfte.“ So machte sich der beglückte Missionar wieder neuerdings auf, in die Indianergebiete Nordamerikas zu eilen und den dort drohenden Gefahren mutig zu begegnen. Wen die Liebe Gottes zu großen Taten treibt, den schrecken keine noch so großen Hindernisse.

 

Noch war erst ein mühevolles Werk zu vollziehen, bevor Pater Jogues sein eigentliches Apostolat beginnen konnte. In einer Art politischer Sendung musste er als Friedensstifter dienen zwischen den Irokesen und den mit ihnen im Streit liegenden Weißen, seiner eigenen, französischen Nation. Mit großem Geschick unterzog sich der Missionar dieser Aufgabe. Schon nach sechs Wochen konnte er wieder heil nach Quebec zurückkehren, nachdem er mit den Irokesen einen günstigen Frieden geschlossen hatte.

 

Nun endlich, im Jahr 1646, durfte der Selige hoffen, bei dem armen Volk als Friedensbote des himmlischen Königs mit Erfolg das Evangelium verkünden und seine Friedensfrüchte bringen zu können. Aber der wirkliche Erfolg waren neue Martern, war sein Opfertod. Nur als Schlachtopfer sollte Pater Jogues für die Seelenrettung der ursprünglichen Irokesen sich hingeben können. Vor seiner Abreise hatte er einem Freund geschrieben: „Mein Herz sagt mir, wenn du hingehst, wirst du nicht mehr zurückkommen. Aber ich werde mich glücklich schätzen, wenn der Herr dort mein Opfer vollendet wissen will, wo ich es begonnen habe.“ Und Gott wollte es. In treuloser Hintansetzung aller Friedensabmachungen bemächtigten sich die Irokesen des Missionars und seiner Begleiter. Wieder musste er Spießruten laufen wie ehedem, wieder marterte man ihn auf grausame Weise, indem die furchtbaren Söhne der Wildnis Stücke Fleisch von seinem Leib rissen und vor seinen Augen verzehrten. Ein Beilhieb, mitleidiger als die Menschenfresser, machte schließlich seinem Leben ein Ende. Mit ihm wurde auch sein Begleiter, der junge Delalande, ein Laie, enthauptet.

 

Drei Jahre später besiegelte auch der erste Jesuitenmissionar der Huronen, Pater Brébeuf, sein Apostolat mit dem Martertod. Wieder waren es die Irokesen, die nach einem Überfall auf das Missionsdorf die beiden Missionare Brébeuf und Lalemant in ihre Gewalt bekamen und in bekannt grausamer Weise zu Tode marterten. Im gleichen Jahr folgten ihnen noch die Patres Daniel, Garnier und Chabanel. Diesen „nordamerikanischen Martyrern“ unter der glorreichen Führung Pater Jogues hat Papst Pius XI. Am 21. Juni des Jubeljahres 1925 die Ehre der Altäre als Seligen zuerkannt.

 

Der selige Pater Issak Jogues hat in seinem Beruf scheinbar nicht viel erreicht. Und doch hat er alles gewonnen. Sein Gebet und sein Blut hat dem widerstrebenden Volk schließlich doch den christlichen Glauben vermittelt. Ihn selbst aber hat die göttliche „Weisheit auf rechten Wegen geführt, hat ihn angesehen gemacht, seine Mühen und Arbeiten gesegnet und ihm das Reich Gottes gezeigt“ (Weisheit 10,11).