Der heilige Stephan war der Sohn einer ansehnlichen und wohlhabenden Familie zu Thiers bei Clermont und seine frommen Eltern, Stephan und Candida, erzogen ihn durch Lehren und Beispiel in der Furcht Gottes und übergaben ihn als einen talentvollen und heilsbegierigen Jüngling der Leitung des heiligen Milo, Erzbischof in Benevent, der bei ihm den Grund zu seiner künftigen Heiligkeit legte. Zwölf Jahre lang genoss Stephan den Unterricht dieses gottbegeisterten Oberhirten und erwarb sich einen solchen Schatz von Kenntnissen in den Heilswissenschaften und eine solche Frömmigkeit, dass ihn der heilige Milo zu seinem Diakon weihte und zum Mitarbeiter im heiligen Amt erwählte. Nach dem Tod seines Lehrers begab er sich nach Rom und arbeitete vier Jahre lang unter ununterbrochenem Fasten und Gebet an dem Plan zur Errichtung eines neuen, strengen Ordens und nachdem er die Bestätigung vom Papst erhalten hatte, baute er auf dem Berg Murel, der in der Nähe von Limoges liegt, ein Kloster und nahm Jünger an, die er zur strengen Abtötung und Armut anhielt. Fünfzig Jahre lang lebte der Heilige mit seinen Ordensmännern in der größten Abgeschiedenheit von der Welt auf diesem Berg und nur erst dann verließ er das Kloster, als der Ruf seines heiligen Lebens eine Menge Menschen herbei zog, die bei ihm Rat und Hilfe in ihren Angelegenheiten und Bedrängnissen suchten. Er begab sich daher mit den Seinigen in die einsame Gegend von Grammont, und da er aus Demut seinem Orden keinen Namen gab, erhielt er die Benennung des Ordens von Grammont; denn er selbst pflegte zu sagen, er sei kein Mönch und kein Einsiedler, sondern ein unwürdiger Diener Gottes. Die Regel seines Ordens war einfach und forderte eine gänzliche Lostrennung von allem Irdischen. Seine Jünger lebten nur vom Almosen, das die Gläubigen freiwillig in das Kloster brachten, wo es nur die Laienbrüder in Verwahrung nehmen durften.
Der heilige Abt Stephan führte seine Schüler mehr durch sein Beispiel, als durch Befehle und Ermahnungen zu einem gottseligen Leben; denn er beobachtete stets das strengste Stillschweigen, war der Demütigste unter allen und diente den Niedrigsten wie seinen Herrn. Er trug zu jeder Jahreszeit ein altes, abgetragenes Kleid, hatte auf dem bloßen Leib einen eisernen Panzer und schlief auf der Erde. Seine Nahrung bestand nur in Brot und Wasser und von allen übrigen Speisen enthielt er sich sorgfältig und gab seinen Anteil den Armen und Kranken, die er seine Kinder nannte. Während des Gebetes warf er sich oft auf das Angesicht, dass die Haut seiner Knie und Hände so rau wurde, wie die der Kamele. Gott verherrlichte ihn schon während seiner Lebenszeit durch die Gabe der Wunder, die er aber äußerst selten und nur dann wirkte, wenn Armen und Unglücklichen durch Menschen nicht mehr geholfen werden konnte. Er starb im Jahr 1124 und wurde von Papst Clemens III. am 30. August des Jahres 1189 unter die Zahl der Heiligen gesetzt.
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Der heilige Stefan von Thiers (von Muret; von Grandmont – französischer Name: Étienne) * 1050 in Thires im Départemt Puy-de-Dôme in Frankreich - † 8. Februar 1124 in Muret in Frankreich - Fest: 8. Februar - Stefan wurde am 21. März 1189 durch Papst Clemens III. heiliggesprochen.
Lebensbeschreibung des heiligen Stefan von:
Dr. Räß, Professor der Theologie und Direktor im bischöflichen Seminar in Mainz,
und Dr. Weis, Geistlicher Rat und Canonicus am hohen Dom in Speier,
Mainz 1823, Band 2, S. 499 (aus dem Französischen)
Der heilige Stefan
Stifter des Ordens von Grandmont
(Stefan von Liciac, vierter Prior von Grandmont, schrieb die Lebensgeschichte dieses Heiligen im Jahr 1141; allein dieses Werk scheint verloren gegangen zu sein. Gerhard Ithier, siebenter Prior desselben Klosters, hat einen Auszug davon geliefert, den wir noch haben, und wovon Dom Martene eine gute Ausgabe veranstaltet hat, Vet. Script. Ampliss. Collect., tom. VI, p. 1043. Die Anmerkungen des gelehrten Benediktiners verbessern die Verstöße gegen die Zeitrechnung, und andere Fehler, in welche der Abkürzer gefallen ist. Martene hat auch, ibid., mehrere andre Aktenstücke in Betreff der Lebensgeschichte des heiligen Stefan von Grandmont bekannt gemacht. Sieh auch Rivet, Hist. littèr. De la France, tom. X, p.410, und die Gallia Christ. nova, tom. II, p. 646)
Jahr 1124
Der heilige Stefan war ein Sohn des frommen Grafen von Thiers, des ersten Edelmannes von Auvergne. Von seiner Kindheit an zeigte er schon viel Neigung zur Tugend, und ließ den Keim diese hohen Heiligkeit schon blicken, zu der er in der Folge heranreifte. Einem tugendhaften Priester, Milo genannt, der damals Dechant der Kirche von Paris war, übertrugen die Eltern die Sorge seiner Erziehung. Nachdem dieser zum Bischof von Benevent im Jahr 1074 erwählt worden, behielt er den jungen Stefan bei sich, und fuhr fort, ihn in der Kenntnis der heiligen Schrift und in den Wegen der Vollkommenheit zu unterrichten. Gerührt von dem seltenen Verdienst seines Schülers, entschloss er sich, ihn dem Altar zu weihen, und erteilte ihm das Diakonat. Nach Milos Tod 1076, ging der Heilige nach Rom, um da seine Studien zu beenden, wo er vier Jahre verweilte. Während dieser ganzen Zeit schien es ihm, als höre er eine innere Stimme, die ihm sagte, er solle die Welt verlassen. Die Betrachtungen, die er über die Gefahren, die die Seele umgeben, über die Notwendigkeit, ein bußfertiges Leben zu führen, und über die Vorteile der Einsamkeit anstellte, bestimmten ihn vollends, diesem innern Ruf zu folgen. Er wandte sich daher an den Papst Gregor VII. und begehrte von ihm die Erlaubnis, Einsiedler zu werden, und die Regel einer sehr strengen Genossenschaft, die er in Kalabrien kennen gelernt hatte, zu befolgen.
Als ihm der Papst sein Verlangen bewilligt hatte, kehrte er in das Schloss von Thiers zurück, um seine häuslichen Angelegenheiten zuerst zu ordnen. Er hatte von Seiten seiner Freunde, die sich mit aller Kraft seinen Absichten entgegensetzten, harte Kämpfe zu bestehen. Seine Eltern, die ihn allzeit als ein Kind des Segens angesehen hatten, das Gott ihrem Gebet gegeben hat, und die, weit entfernt seinen Wünschen Hindernisse zu legen, viel mehr zu ihrer Ausführung mitgeholfen hätten, lebten nicht mehr. Alles Widerstreiten war aber vergeblich. Er entfloh heimlich, und nachdem er in verschiedenen Wüsteneien umhergeirrt war, zog er sich an den Berg Muret zurück, in der Nähe von Limoges. Es herrschte da eine überaus große Kälte, und nur wilde Tiere hatten da ihre Wohnung. An diesem Ort entschloss sich der Heilige zu verbleiben, und sich dem Dienst des Herrn durch ein besonderes Gelübde zu widmen. Er drückte sich bei seiner Weihe also aus: „Ich Stefan entsage dem Teufel, und seiner Pracht; ich opfere und weihe mich unbedingt dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, dem einzigen Gott in drei Personen.“ Er schrieb mit eigener Hand diese seine Verpflichtung, und bewahrte sie stets samt dem Ring, dessen er sich zur Versiegelung seiner Weihe bedient hatte. Er erbaute sich eine Art Hütte von geflochtenen Baumzweigen, um sich vor dem Ungemach der Witterung zu schützen, und brachte da sechsundvierzig Jahre zu in der Übung des Gebetes und der Buße. Die Abtötungen, die er ausübte, waren ganz außerordentlich, und meistens überstiegen sie die sich selbst überlassene menschliche Schwachheit. Anfangs nährte er sich von nichts als Kräutern; allein, da ihn Schäfer im zweiten Jahr seiner Zurückgezogenheit entdeckt hatten, brachten sie ihm aus Nächstenliebe von Zeit zu Zeit Brot. Nachher übernahmen Landleute der Nachbarschaft dieses Werk, und fuhren fort, dem Heiligen, so lange er lebte, diesen Dienst zu erweisen. Nicht zufrieden, seinen Leib durch eine sehr strenge Buße zu züchtigen, trug er auf bloßem Leib ein härenes Kleid mit kleinen eisernen Ringen, über welches ein sehr schlechtes Obergewand hing, das er weder im Sommer noch Winter änderte. Wenn er sich einige Ruhe gestatten musste, schlief er auf Brettern, die er in Gestalt eines Sarges gelegt hatte. Die Zeit, welche er nicht mit Handarbeit zubrachte, widmete er auf der Erde liegend der Anbetung der göttlichen Majestät. Die Wonneempfindungen, die ihm in der Beschauung zu Teil wurden, bemächtigten sich so aller seiner Seelenkräfte, dass er öfters zwei bis drei Tage zubrachte, ohne nur an das Essen zu denken. Erst im Alter von sechzig Jahren ließ er sich bewegen, einige Tropfen Weines unter sein Trinkwasser, wegen der Schwäche seines Magens, zu nehmen.
Da der Ruf seiner Heiligkeit mehrere Personen in die Wüste gezogen hatte, war er bald genötigt, Schüler anzunehmen. Er liebte sie, wie seine Kinder; leitete sie mit bewunderungswürdiger Weisheit, die stets die Abtötungen nach den Kräften des Leibes und der Seele abmaß. So streng er gegen sich selbst war, so liebevoll und sanft behandelte er andere. Dessen ungeachtet bestand er immerhin fest auf der Erfüllung der wesentlichen Pflichten des Einsiedlerlebens, als da sind: das Stillschweigen, die Armut, und die Selbstverleugnung. Die Ermahnungen, die er an seine Schüler hielt, behandelten hauptsächlich die Notwendigkeit, sein Herz von allen Neigungen zu den Geschöpfen loszureißen. Jenen, die zu ihm kamen, um unter seiner Leitung zu leben, pflegte er zu sagen: „Hier ist ein Gefängnis, das weder Tür noch Öffnung hat; und aus demselben könnt ihr nicht anders kommen, wenn ihr in die Welt zurückkehren wollt, als dass ihr die Mauer durchbrecht. Wenn euch dieses Unheil widerführe, wäre ich nicht im Stande, jemanden euch nachzuschicken, da alle hier Wohnenden in der Welt eben so fremd sind, wie ich.“ Stefan sah sich als den Geringsten seiner Genossenschaft an, und nahm allzeit den letzten Platz ein. Er war ein Feind von allen Ehrenbezeigungen, die mit dem Amt eines Obern verbunden sind. Während seine Mitbrüder am Tisch aßen, saß er mitten unter ihnen auf der Erde, und las ihnen die Leben der Heiligen vor. Gott belohnte diese Demut mit der Gabe der Wunder und Weissagungen. Unter allen Wundern aber, die er wirkte, ist keines so staunenswürdig, als die Bekehrung so vieler verstockter Sünder. Man hätte beinahe sagen mögen, es sei unmöglich, dass jemand der Gnade, die alle seine Worte begleitete, widerstehe.
Unterdessen wurde durch den öffentlichen Ruf immer mehr und mehr die erhabene Heiligkeit des Dieners Gottes bekannt. Zwei Kardinäle, (einer dieser Kardinäle wurde in der Folge Papst unter dem Namen Innocenz II.) die als Legaten nach Frankreich geschickt wurden, begaben sich in seine Einöde, um ihn zu besuchen. In der Unterredung, die sie mit ihm hielten, fragten sie ihn nach seiner Lebensweise. Bist du Chorherr, fragten sie ihn, Mönch, oder Einsiedler? Ich bin nichts von allem diesen, entgegnete der Heilige; und da man in ihn drang, sich deutlich zu erklären, sprach er sich folgendermaßen aus: „Wir sind arme Sünder, die die Barmherzigkeit Gottes in diese Wüste geführt hat, um da Buße zu tun. Der Statthalter Christi selbst hat uns nach unsrer Bitte, zur Sühnung unsrer Sünden, die verschiedenen Übungen auferlegt, denen wir uns unterziehen. Wir sind zu unvollkommen und zu gebrechlich, als dass wir den Mut hätten, die glühende Inbrunst jener heiligen Einsiedler nachzuahmen, die durch die Beschauung so innig und unaufhörlich mit Gott vereinigt wurden, dass sie selbst ihrer leiblichen Bedürfnisse vergaßen. Ihr seht auch, dass wir weder das Kleid der Mönche, noch jenes der Chorherren tragen. Noch weiter sind wir davon entfernt, ihre Namen anzunehmen, weil wir weder den Charakter der einen, noch die Heiligkeit der anderen haben. Noch einmal, wir sind nur arme Sünder, die, durch die Strenge der göttlichen Gerechtigkeit geschreckt, mit Furcht und Zittern dahin arbeiten, dass uns Jesus Christus am großen Tag seiner Vergeltung gnädig sein möge.“ Die Legaten verließen den Heiligen, von tiefer Ehrfurcht ihm gegenüber durchdrungen, und durch alles, was sie gesehen und gehört hatten, sehr erbaut.
Acht Tage nach ihrer Abreise gab der Himmel dem Heiligen zu erkennen, dass sein Lebensende herannahe. Dies war für ihn ein neuer Beweggrund, seinen Eifer bei allen seinen Übungen zu verdoppeln. Als er einige Zeit nachher in eine Krankheit verfiel, der er erliegen musste, wandte er die wenigen ihm noch übrigen Augenblicke dazu an, seine Schüler in ihrem Beruf zu bestärken, und ihnen ein zärtliches Vertrauen auf Gott einzuflößen. Er redete mit ihnen in so lebhaften und rührenden Worten, dass er sie von der Unruhe befreite, in die sie bei dem Gedanken, was nach ihres Führers Tod aus ihnen werden sollte, verfielen. Hierauf ließ er sich in die Kirche tragen, wo er die heilige Messe hörte, und das Sakrament der letzten Ölung und des Altars empfing. Er starb den 8. Februar 1124, indem er die Worte aussprach: „Herr in deine Hände gebe ich meine Seele zurück.“ Er war beinahe achtzig Jahre alt (Er starb im sechsundvierzigsten Jahr seines einsamen Lebens nach der Erzählung Wilhelms Dandina, eines zuverlässigen Schriftstellers, welcher eine Lebensbeschreibung Hugo`s von Lacerta, der unter den ersten Schülern des Heiligen sehr berühmt war.); seine Schüler begruben ihn in der Stille, um dem zu großen Zusammenlauf des Volkes vorzubeugen; allein die Nachricht von seinem Tod hatte sich nicht sobald verbreitet, als man scharenweise zu seinem Grab herbeiströmte, wo Gott auch viele Wunder wirkte. Vier Monate nach seinem Tod, machten die Mönche von Ambazac, einer Priorei, die von der Abtei St. Augustin von Limoges, des Benediktinerordens abhing, auf Muret Anspruch, und forderten es zurück. Die Schüler des heiligen Stefan, welche den Geist und die Grundsätze ihres gottseligen Meisters ererbt hatten, wollten lieber ihren Wohnort abtreten, als sich dessen Besitz auf dem Wege des Rechts zu versichern. Sie zogen sich daher in die Wüste von Grandmont zurück, die eine Stunde von Muret entfernt liegt, und nahmen die kostbaren Überbleibsel (Reliquien) ihres heiligen Stifters mit sich. Von da haben sie den Namen Grandmontiner erhalten. Der heilige Stefan wurde von Clemens III. 1198, auf Begehren Heinrichs II., Königs von England, unter die Zahl der Heiligen gesetzt.
Der glühende Eifer der ersten Schüler des heiligen Stefan von Grandmont erwarb ihnen die Bewunderung aller, die sie kannten. Petrus von Celles nannte sie Engel, und sagte, dass er ein vollkommenes Vertrauen auf ihre Gebete setzte. Johann von Salisbury, ein gleichzeitiger Schriftsteller, stellt sie als außerordentliche Menschen vor, die, da sie sich über alles Sinnliche erhoben, ihre Leidenschaften und die Natur selbst bezähmt hätten. Stefan, Bischof von Tournay, erteilt ihnen auch das glänzendste Lob. Diesen Zeugnissen könnten wir leicht, wenn es notwendig wäre, noch mehrere andere beisetzen, die man ihrer Tugend erteilte.