Bernard, der immer in der Geschichte seines Lebens, verfasst von einem seiner Schüler, unter dem Namen eines Heiligen vorkommt, wurde um das Jahr 1046 zu Abbeville, in der Provinz Ponthieu, geboren. Seine Eltern, die sehr fromm und bei einem geringen Vermögen dennoch gastfreundlich waren, erzogen ihn in der Gottesfurcht und den Wissenschaften, worin er bald die größten Fortschritte machte. Schon in seiner Jugend zeigte er viel Liebe für den Ordensstand, widmete sich fleißig dem Gebet und fastete häufig, ungeachtet seiner Körperschwäche.
In seinem zwanzigsten Lebensjahr verließ er sein Vaterland und ging mit drei Gefährten nach Poitou, mit dem Entschluss, dort ein Kloster aufzusuchen, wo die Regel noch streng beobachtet würde. Er kam in das des heiligen Cyprian, gemeinhin als St. Cyvran genannt, nahe bei Poitiers, und wurde vom Abt Raynald II., der ihm das Ordenskleid anlegte, freundschaftlich aufgenommen. Sein vollkommener Gehorsam gegen seine Obern, seine Unterwürfigkeit gegen die Brüder, seine Demut, Sanftmut, Treue und Pünktlichkeit in Erfüllung der Vorschriften, seine Liebe zur Abtötung und allen Tugenden, die man ihn mit großer Erbauung ausüben sah, zeichneten ihn dergestalt vor allen anderen aus, dass man ihn in seinem dreißigsten Lebensjahr zum Prior der Abtei des heiligen Savinus, zehn bis elf Meilen von Poitiers an der Gartempe, wählte. Er ließ sich hier besonders angelegen sein, die klösterliche Zucht zu ihrer ersten Reinheit zurückzuführen, trotz aller Schwierigkeiten, die er von Seiten des Abtes Gervasius und der Ordensbrüder zu erdulden hatte, die ohne alle Scheu sich der Simonie schuldig machten. Endlich brachte er es dahin, nicht sowohl durch sein Ansehen als vielmehr durch die Geduld, mit der er all ihre Unbilden und Misshandlungen ertrug, dass sie sich seiner Reform unterwarfen.
Nachdem er zwanzig Jahre hindurch an der geistigen Wiederherstellung des Ordenshauses zum hl. Savinus gearbeitet hatte, veränderte er seinen Entschluss, hier seine letzten Lebenstage zuzubringen, indem er erfahren hatte, dass sein Abt in Palästina verstorben war. Das Vorgefühl, man würde ihn zum Abt wählen, erregte in ihm den Gedanken, die Flucht zu ergreifen. Er verbarg sich einige Zeit in eine Einöde der Maine-Provinz, von wo er sich nach den äußersten Grenzen der Bretagne, auf der Halbinsel von Chaussey, begab. In der Folge kam er wieder zu seinem ersten Kloster, wo er die Gelübde abgelegt hatte. Der Abt Raynald II. hatte kaum seine Ankunft erfahren, als er ihn aufsuchen und in das Kloster rufen ließ, unter dem Vorwand, ihn wieder zurückzubegleiten. Doch, kaum war er im Kloster, so ernannte er ihn zum Prior und zu seinem künftigen Nachfolger.
Wenn sich Bernard vor seinen anderen Brüdern auszeichnete, so war es nicht so sehr durch seinen Rang, als durch seine Demut und seinen Eifer, mit dem er alle ihnen vorgeschriebenen Tugenden selbst ausübte. Durch die päpstlichen Legaten, Johannes und Benedict, wurde er im Jahr 1100 zu dem in Poitiers versammelten Konzil berufen und bewies dort mit Robert von Arbriselles einen ausnehmenden Widerstand, gegen das allgemeine Ärgernis, das König Philipp veranlasste, und gegen die Gewalttätigkeiten des Grafen von Poitou, der die Exkommunikation dieses Fürsten zu hintertreiben suchte.
Wegen einiger Streitigkeiten mit den Mönchen von Cluny, die ihm das Recht der Unabhängigkeit seines Klosters streitig machen wollten, entsagte er seiner Abtsstelle und zog sich wieder in seine vorige Einsamkeit zurück, wo er sich mit dem obengenannten Robert von Arbriselles verband und mit ihm apostolische Missionen in der Normandie unternahm. Inzwischen kamen die Mönche des Klosters zum heiligen Cyprian, nach einem vierjährigen Widerstand gegen die Ansprüche der Mönche von Cluny, mit Briefen des Bischofs von Poitiers, und ersuchten ihren Abt, die Rechte ihres Klosters zu verteidigen. In dieser Angelegenheit reiste Bernard zwei Mal, aber ohne Erfolg, nach Rom. Die beiden Legaten, die ihn auf dem Konzil zu Poitiers gesehen hatten, machten solche Lobsprüche von seiner Tugend, besonders von seiner unerschütterlichen Standhaftigkeit in Verteidigung der Gerechtigkeit und der Wahrheit, dass endlich der Papst, auf den Vorschlag der Kardinäle, nach einer ersten Abweisung ihn noch einmal vor sich berief. Bernard sprach für die Freiheit seiner Kirche mit solcher Kraft und Beredtheit, dass die Mönche von Cluny nichts darauf zu erwidern vermochten. Das Urteil des Papstes war auf seiner Seite und er wollte ihn selbst zur Würde eines Kardinal-Priesters erheben, um ihn stets bei sich zu haben, und seine Einsicht bei kirchlichen Angelegenheiten nützen zu können. Aber Bernard wollte nicht einmal die Abtswürde annehmen, die man ihm wieder aufzudringen suchte. Er war zufrieden, den Sieg in der Sache seiner Kirche davongetragen zu haben und bat den Heiligen Vater um Erlaubnis, in die Einsamkeit sich wieder zurückzuziehen. Pascalis bewilligte ihm dies mit dem Auftrag, als apostolischer Prediger seine begonnene Bekehrung der Völker und Verbesserung der Sitten fortzusetzen. Auch durfte er während seines ganzen Aufenthaltes nirgends, als an seiner Tafel speisen.
Bernard kam nun wieder nach Poitiers zurück, empfahl seine Kirche dem Schutz Gottes, und reiste, nachdem er zwei bis drei seiner Ordensbrüder zu sich genommen hatte, nach der wüsten Halbinsel Chaussey. Hier duldeten ihn die Seeräuber nicht lange. Indes vermehrte sich die Anzahl seiner Schüler. Da wählte er die Wälder von Savigni, in der Normandie, zu seinem Aufenthalt. Der Ort schien ihm nicht mehr öde genug, als er sich mit Jüngern des gottseligen Robert von Arbriselles, seines Freundes, bevölkerte. Er gab ihnen diesen Ort ab und zog sich mit seinem Häuflein in die Wälder von Tiron, wo Rotrou, der Graf von Perche und Mortagne, ihm ein Grundstück zu einem Kloster gab, dessen Grund im Jahr 1109 gelegt wurde. Der berühmte Ivo von Chartres begünstigte diese Anstalt nach allen Kräften. Hier war es, wo Bernard die Regel des heiligen Benedikt zu ihrer früheren Vollkommenheit wieder zurückbrachte, und wo er eine Kongregation stiftete, die später unter dem Namen der Kongregation von Tiron bekannt und als eine herrliche Reform dieses Ordens angesehen wurde, so wie es früher in ihrem Entstehen die von Cluny in Burgund, die von Cava in Italien und Sizilien, die von Seauve in Guienne und von Citeaux in Burgund in demselben Jahrhundert, gewesen waren. Der Segen Gottes ruhte augenscheinlich auf dieser Anstalt. In weniger als 15 oder 20 Jahren belief sich schon die Anzahl der Häuser auf hundert und selbst der gottselige Vital von Mortan, einer der Mitgenossen des gottseligen Robert von Arbriselles, wurde durch die Vortrefflichkeit dieser neuen Anstalt so gerührt, dass er alle Klöster und Kirchen, die von der zu Savigni abhingen, deren man schon bei fünfzig zählte, teils Abteien, teils Priorate, der Abtei von Tiron unterwerfen wollte.
Die Schüler des gottseligen Bernard verbreiteten den Glanz der Heiligkeit ihres Lehrers im ganzen Land, nicht sowohl durch ihre Gespräche als durch ihr Betragen. Sie lebten in beständiger Armut, übten harte Bußwerke aus und waren mit einem schlechten grauen Stoff gekleidet. Seine Liebe erstreckte sich nicht bloß auf sein Kloster, auch außerhalb desselben streute er den Samen des Glaubens aus, und unterrichtete die Bewohner der benachbarten Dörfer in den Heilswahrheiten. Gott verlieh ihm die Gabe der Weissagung und Wunder. Jeder Fürst und jeder Vornehme im Reich wünschte ihn in seinem Land zu besitzen, oder machte ihm doch Geschenke zum Ausbau seiner Anstalt. Ludwig den Dicken, seinen Wohltäter, besuchte er zu Paris. Heinrich, den König von England, stattete er einen Besuch in der Normandie ab. Alle Großen Englands bezeugten ihm, nach dem Beispiel ihres Königs, die größte Achtung. Dies war die Ursache, dass viele Häuser von der Kongregation von Tiron in England aufkamen. David, der Sohn Malcolms III. und der heiligen Margaretha, der bald danach König von Schottland wurde, reiste aus dem äußersten Norden mit einem starken Gefolge nach Tiron, um ihn zu sehen. Allein er fand ihn nicht mehr am Leben. Der gottselige Bernard war am 5. April 1117 krank geworden und entschlief einige Tage darauf, versehen mit allen heiligen Sterbesakramenten, sanft im Herrn am 14. April, in einem Alter von mehr als siebzig Jahren. Er wurde in seiner Kirche unter großem Zulauf des Volkes begraben, nachdem er drei Tage lang der öffentlichen Verehrung ausgesetzt gewesen.