Heiliger Crispinus Fioretti von Viterbo, italienischer Kapuzinerbruder, + 19.5.1750 – Festtag: 19. Mai

       

Klein sein vor den Menschen durch Demut und Zurückgezogenheit, groß sein vor Gott durch tatkräftiges christliches Tugendleben, darin besteht der kürzeste Weg, wenigstens „kleine Heilige“ zu werden.

 

„Unser kleiner Heiliger“ hieß in der Stadt Viterbo, zum ehemaligen Kirchenstaat gehörig, ein kleiner Ministrant, der in den Kirchen der Stadt mit engelhafter Andacht den Altardienst versah. Besonders an Marienfesten, an den Ehrentagen „seiner himmlischen Mutter“, schien der fromme Ministrant ganz von himmlischer Liebesglut und Freudigkeit vergeistigt. Große Hoffnungen setzten die Väter des Jesuitenkollegs auf diesen ihren Musterschüler, wie er so „zunahm an Weisheit und Alter und Gnade vor Gott und den Menschen“. Doch Gottes Ratschlüsse weisen oft andere Wege als die Pläne der Menschen. Die Eltern in ihren bescheidenen Vermögensverhältnissen beschlossen, das lang dauernde Studium ihres Sohnes in die Erlernung des Schusterhandwerkes umzuändern, und der junge Student vertauschte gehorsam die geliebten Bücher mit Schusterahle und Hammer.

 

Die franziskanische Predigt des guten Beispiels sollte nun auch im Leben unseres Heiligen eine merkwürdige Wendung bringen. Der heilige Ordensstifter Franziskus befahl bekanntlich einmal einem Bruder, mit ihm predigen zu gehen. In heiliger Sammlung gingen beide durch die belebten Straßen von Assisi und kehrten wieder in das Kloster zurück. „Vater,“ sprach der Bruder zu dem Heiligen, „wann willst du denn eine Predigt halten?“ Da belehrte ihn St. Franziskus, dass sie durch ihr gutes Beispiel bereits genugsam gepredigt hätten.

 

Bei allgemeinen Bittprozessionen in der Stadt um Abwendung von Misswachs sah der Heilige die Kapuzinernovizen, wie sie trotz der großen Volksmenge ganz in sich versunken und innerlich gesammelt, wie entrückt dieser Welt, an den Bittwallfahrten teilnahmen. Dieses Beispiel erschien ihm als eine Verwirklichung des Rates des heiligen Franziskus, dass der Ordensmann immer in seiner Klause bleiben müsse, indem der Leib die Zelle darstelle und darin die Seele als Einsiedler wohne. Die Sehnsucht der Seele nach diesem inneren Herzensfrieden gab den Ausschlag zur Bitte um Aufnahme in den Kapuzinerorden, die nach mancherlei Prüfung gewährt wurde. Mit dem Eifer eines bereits erprobten Ordensmannes oblag der junge Laiennovize Crispin den klösterlichen Übungen in Gebet, Arbeit und Buße und ließ sich durch die vielfachen Schreckbilder und listigen Angriffe des bösen Geistes nicht in seinem beharrlichen Tugendfortschritt irremachen. Während die meisten Seelen durch die sogenannten „Kinderkrankheiten“ des geistlichen Lebens, durch Überdruss, Unmut, Missmut und Verzagtheit ewig im Kindesalter stehen bleiben oder gar wieder vom Streben nach christlicher Vollkommenheit entmutigt abstehen, zwang sich Bruder Crispinus durch unablässige Abtötung auf dem Kreuz- und Himmelsweg des Ordenslebens vorwärts und himmelwärts. Seine trefflichen, geistlichen Aussprüche lassen einen kleinen Einblick tun in seine praktische Aszese. Von den Ordensgelübden pflegte er mit größter Ehrfurcht und Begeisterung zu reden: „Du, o Herr, wolltest an ein peinliches Kreuz mit drei eisernen Nägeln geheftet werden, und mich, deinen niedrigsten Knecht, wolltest du vermöge deiner Barmherzigkeit mit drei goldenen Nägeln an das süße und liebliche Kreuz des Ordensstandes geheftet sehen.“ Bei seiner erschreckenden körperlichen Abtötung bewahrte er einen gewissen heiligen Humor, und wenn sein armes Fleisch wieder recht unter die Gewalt des Geistes und der Gnade gebeugt werden sollte, bekam es zuerst eine Anrede: „Höre, was ich dir jetzt sage: zwischen mir und dir wird kein Friede sein; du bist mir allzu viel Tier. Aber ich werde dich zu zügeln und zu zähmen wissen.“ Den Mitbrüdern gegenüber suchte er seine Lebensstrenge also zu rechtfertigen: „Ihr Brüder wisst nicht, was für ein Tier mein Leib ist. Er ist eine Schlange, bei der es nicht hinreicht, sie durch Kälte zu töten. Denn kaum fühlt sie den ersten Sonnenstrahl, so wird sie wieder warm und fällt in ihre Wut zurück und könnte mich vergiften. Deshalb muss ich, so lange der Leib nicht gestorben ist, auf der Hut sein und ihn in Zucht halten mit einem festen Stock in der Hand.“

 

Bruder Crispinus fasste seine äußeren und inneren Erfahrungen in Sprüche zusammen, die er bei Gelegenheit wiederholte, z.B. „Wer Gott nicht liebt, ist ein Tor.“ – „O mein Herr Jesus Christus! Lass mich bei dieser Arbeit kein anderes Ziel haben als dich!“ – „So groß ist das Gut, das ich erwarte, dass mir alle Pein lieb ist.“ – „Das Grab ist eine Schule, die alle jene Toren zum Verstand bringen mag, die an der Welt und nicht an Gott hangen.“ Die eigene Himmelssehnsucht pflegte der Selige auszudrücken, wenn er am Abend gewöhnlich freudig sagte, dass, Gott sei Dank, wieder ein Tag dahin wäre, der ihn einen Schritt näher der Ewigkeit bringe.

 

Eine übernatürliche Nächstenliebe trieb den unermüdlichen Bruder zu unzähligen Werken der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit, ohne Achtung auf Erfolg oder Misserfolg. Dank oder Undank. Jede Beleidigung von Seiten der Mitmenschen betrachtete er als willkommene Tugendprobe zur Geduld und Sanftmut. Auf die Frage, wie man diese Seelengleichmütigkeit erlangen könne, gab Crispinus den Rat: „Bruder, um nicht zornig zu werden, merke dir diese drei Worte: leiden, schweigen, beten! Um sie aber wohl zu behalten, muss man sie lernen mit Fasten. Denn, wenn ein Dunst von der Galle in das Gehirn aufsteigt, vergisst man sie allsogleich.“

 

Das reiche Tugendleben trotz des einfachen äußeren Lebensganges des Heiligen weist noch besonders zwei Merkmale auf, das ist seine ständige, himmlische Heiterkeit und die kindliche Verehrung seiner „himmlischen Mutter“. Diese heilige Freudigkeit und Frohsinnigkeit trotz aller Widerwärtigkeiten und Bußübungen verlieh dem Heiligen einen staunenswerten Einfluss auf Weltleute. Er wollte kein sonderbarer rauborstiger Heiliger sein, sondern alle für die Schönheit und das Glück des vollkommenen Lebens gewinnen. Ein hochgelehrter Priester fragte ihn einst, ob er denn gar nichts von Anfechtungen und Geistesbedrängnissen zu leiden habe. Crispinus antwortete mit demütiger Offenheit: „Wenn ihr wüsstet, wie oft mich der Feind anficht, ihr würdet staunen. Allein ich jage ihn sogleich davon, indem ich die Lehre des heiligen Paulus an die Epheser anwende, wo er sagt, wir sollen uns in unserem anhaltenden Kampf ermuntern durch die liebliche Melodie der Hymnen, der Psalmen und geistlichen Lieder. Wenn ich das tue, so verschwindet der Feind wie der Rauch im Winde.“ Die von Jugend gepflegte Verehrung der lieben Mutter Gottes erreichte bei dem Heiligen eine tiefe Inbrunst und heilige Kindlichkeit; in jedem Anliegen ging er mit felsenfestem Vertrauen zu seiner himmlischen Mutter und wurde oftmals wunderbar erhört. In traurigen Pestzeiten ließ er von seiner himmlischen Mutter Körbchen mit Früchten segnen und trug sie zu den Kranken; die Ärzte erklärten, der arme, greise Kapuzinerbruder richte mit seinen paar Oliven mehr aus als sie mit ihrer Kunst und ihren Hilfsmitteln. Von einem dieser Krankenbesuche kam er selbst todkrank heim und Verschied mit Anrufung Jesus und Mariens selig im Alter von 82 Jahren. Crispinus wurde am 26. August 1806 von Papst Pius VII. seliggesprochen. Für Papst Johannes Paul II. war es am 20. Juni 1982 die erste Heiligsprechung.

 

„Kleine Heilige“ müssen wir alle werden. Es ist dieses Vollkommenheitsstreben durchaus kein Ding der Unmöglichkeit. Die „großen Heiligen“ waren auch Menschen wie wir, mit Fehlern, Schwachheiten, Versuchungen. Aber sie haben den Mut und die Geduld nicht verloren und durch Gottvertrauen und Gottergebenheit, Abtötung, Demut und Geduld und Freude einen kleinen Himmel sich schon auf dieser Welt geschaffen und den ewigen großen Himmel sich noch dazu verdient. Heilige Freudigkeit und Herzensfrohsinn sind sowohl Belohnung für die Tugend als auch ein starkes Hilfsmittel zum Vorwärtsstreben. Gewiss ist zum Tugendleben viel Mut und Demut, Großmut und Opfermut notwendig, aber auch ebenso viel Freudigkeit; denn ein Heiliger, der traurig ist, sagt einmal der heilige Franz von Sales, ist ein trauriger Heiliger. 

 

„Erbauliche Züge aus dem Leben des seligen Crispin von Viterbo“

(Aus: Marianischer Festkalender, Regensburg 1866)

 

Die ersten Eindrücke, die man in der Kindheit empfängt, verwischen sich niemals ganz, und oft üben sie auf die ganze übrige Lebenszeit einen mächtigen Einfluss aus. Wir haben eine Probe hiervon aus dem Leben des seligen Crispin von Viterbo, eines Laienbruders aus dem Kapuziner-Orden.

 

Er war erst fünf Jahre alt, als seine fromme Mutter ihn am Tag von Mariä Verkündigung in die Kirche Unserer Lieben Frau von der Eiche führte. Sie kniete vor dem wundertätigen Bild nieder, das man dort verehrt, und nachdem sie ihn Marien geweiht hatte, sagte sie zu ihm, indem sie ihm ihr Bild zeigte: „Sieh, mein Kind, hier ist deine Mutter, schenke dich ihr in diesem Augenblick. Liebe sie von ganzem Herzen und ehre sie als deine Herrin.“

 

Diese Worte machten auf den Seligen einen solchen Eindruck, dass er sie von da ab nur seine Mutter und seine Herrin nannte. Sobald er zu den Unterscheidungsjahren gekommen war, fastete er an den Tagen ihrer Feste und nahm an den Samstagen nur Wasser und Brot zu sich.

 

Seine fromme Mutter hatte ihn auch gelehrt, in allen Gefahren zu seiner mächtigen Beschützerin seine Zuflucht zu nehmen.

 

Als er zehn Jahre alt war, tat man ihn bei einem seiner Oheime, einem Schuhmacher, in die Lehre. Am Abend an jedem Samstag gab ihm dieser Oheim, wenn er mit seiner Arbeit zufrieden war, ein kleines Stück Geld. Der glückselige Junge rannte auf den Markt und kaufte da einen Blumenstrauß. Alsdann trug er ihn zu einer Bildsäule, oder zu irgendeinem Bild der heiligen Jungfrau, und blieb den ganzen Sonntagvormittag und ministrierte in dieser Kirche mit einer engelhaften Andacht bei den Messen.

 

Einige Zeit darauf trat er in ein Kloster, und zwar zum großen Leidwesen seiner Eltern. Nachdem er Profess getan hatte, schickte man ihn ins Kloster im Tolsa-Gebiet, wo er Koch wurde. Er errichtete der heiligen Jungfrau einen Altar in der Kirche und trug Sorge, ihn immer mit so frischen und wohlriechenden Blumen zu verzieren, dass die Luft davon ganz durchduftet war.

 

Später wurde er nach Albano geschickt. Das erste, was er tat, war, dass er in seiner Küche ein schönes Bild der Mutter Gottes aufstellte, das er mit Blumen bekränzte, und vor dem er gerne betete. Wenn man zu ihm kam, so führte er die Besucher vor dieses Bild, und rezitierte ihnen die schönen Stanzen, die Tasso in seinem befreiten Jerusalem Marien geweiht hatte.

 

Clemens XI. besuchte den armen Bruder Koch gar gerne. Eines Morgens ging er in sein Kloster, um die Heilige Messe zu hören. Er ließ Wachs dahin tragen und befahl, man solle auch zwei Kerzen für die Mutter Gottes des Bruders Crispin dazulegen. Diese Gabe war eine Anspielung auf einen ganz neuerlichen Vorfall, den man ihm erzählt hatte.

 

Ein vornehmer Herr aus Brescia hatte dem Seligen für seinen Altar zwei prächtige in Seide gestickte Blumen zum Geschenk gemacht. Einige junge Leute, die in die Kirche gingen, stahlen die Blumen, was dem Bruder Crispin großes Leid verursachte, wegen des Mangels an Ehrfurcht, den sich diese jungen Leute gegen die Mutter Gottes hatten zu Schulden kommen lassen, für die diese Blumen doch bestimmt gewesen waren. Pater Damasceni, der bei Clemens XI. sehr beliebt war, gab ihm bald darauf zwei Kerzen. Der Selige zündete sie auf seinem Altar an und ging in den Garten, um Gemüse zu holen. Pater Damasceni ließ alsbald die Kerzen wegnehmen, so dass der Bruder bei seiner Rückkehr glaubte, man habe sie wieder gestohlen. Er beklagte sich darüber bei der heiligen Jungfrau auf die rührendste, treuherzigste Weise: „Ei was!“ sagte er zu ihr mit einer ganz kindlichen Vertrautheit, „gestern die Blumen und heute die Kerzen. Mutter, du bist wahrlich zu gut. Eines Tages werden sie dir dein Kind vom Arm herabnehmen und du wirst dich nicht getrauen, etwas dagegen zu sagen. Ja ja, ich sage ich dir, ich wiederhole es dir, und werde es dir tausend Mal sagen, du bist so gut, dass sie dir am Ende noch dein Kind nehmen werden.“

 

Pater Damasceni, der sich versteckt hatte, hörte seine liebevollen Vorwürfe, ohne dass der Selige ihn sehen konnte. Er trat wieder in die Küche, gab ihm die Kerzen zurück, und verließ ihn, voll Bewunderung über die so lebhafte, so vertrauende Zärtlichkeit, die der Diener Gottes zu Maria hegte.

 

Crispin wurde am 13. November 1668 geboren und starb am 19. Mai 1750.