Heilige Veronika Giuliani, Mystikerin, Äbtissin, + 9.7.1727 – Fest: 9. Juli

 

Da sich die Liebe besonders durch die Teilnahme an dem Unglück und den Schmerzen des Geliebten bewährt, so verehrte auch, wie so viele andere Heilige, die im Jahr 1839 heiliggesprochene Jungfrau Veronika Giuliani (gestorben am 9. Juli 1727) die seligste jungfräuliche Mutter ununterbrochen durch diese Teilnahme an ihren bitteren Schmerzen. Die Leiden Mariens waren oft der Gegenstand der Betrachtung und Gespräche der frommen Jungfrau und zwar unter solch mitleidender Empfindung, dass Pater Tassinari, einer ihrer Beichtväter, von sich selbst bezeugt, er habe sich der Tränen nicht enthalten können, wenn er sie darüber reden hörte, und beisetzt, Veronika habe ihm ein lebendiges Bild von der schmerzhaften Mutter vermitteln können. Um die Herzen ihrer Klosterfrauen zu dieser Andacht zu öffnen, ließ sie im Chor eine Bildsäule errichten, die die schmerzhafte Mutter lebhaft darstellte, und führte ihr zu Ehren einen Bittgang auf jeden dritten Sonntag des Monats im Kloster ein, der auch später immer gehalten wurde. Als Veronika zur Oberin gewählt und ihr nach Gewohnheit die Schlüssel, die Ordensregel und das Siegel des Klosters übergeben worden waren, trug sie sie zuerst vor das allerheiligste Sakrament, dann warf sie sich vor dem Bildnis der schmerzhaften Mutter auf die Knie und brachte ihr die Schlüssel, die Regel und das Siegel dar mit der Bitte, sie möchte an ihrer Statt Oberin des Klosters sein. Jeden Abend vor dem Schlafengehen wiederholte sie diese andächtige Huldigung und Übergabe der Schlüssel an Maria als Oberin.

 

Am Karfreitag des Jahres 1697 begab sich mit ihr Folgendes: „Indem ich für die Sünder betete,“ so berichtet sie selbst, „wurde ich verzückt und hatte die Erscheinung Jesu, des Gekreuzigten, und Mariens, seiner schmerzhaftesten Mutter unter dem Kreuz, wie sie auf dem Kalvarienberg gestanden hat. Der Herr sagte zu mir, er sei gekommen, mich ganz in sich zu verwandeln und mir das Siegel seiner heiligen Wunden aufzudrücken. Ich wendete mich mit vollem Vertrauen zur Mutter Gottes und sagte: Ich bin zu allem bereit, o seligste Jungfrau! Opfere du dich in meiner Person mit allen deinen Verdiensten, Leiden und Schmerzen, die du unter dem Kreuz und während des heiligen Leidens erduldet hast; bitte deinen Sohn um Gnade und Barmherzigkeit für mich, denn ich vermag nichts, und bereite du mich zu dieser Gnade.

 

Die seligste Jungfrau stellte sich zu den Füßen ihres Sohnes und tat alles. Während sie für mich bat, erkannte ich mein Nichts, und dass alles nur von Gott ist; ich sah ein, wie sehr er die Seelen liebt, besonders meine undankbare Seele, und erkannte innigst meine Hilflosigkeit, und meinen Undank. O Gott, ich kann davon weiter nichts ausdrücken, als dass ich ein festes Vertrauen auf den Herrn und eine Abschälung von mir selber empfand, Gott allein und die Seele allein. Hier offenbarte mir der Herr, wie ich mich in Zukunft zu verhalten hätte, und wiederholte mir: Ich bin gekommen, mich dir gleichförmig zu machen, ich will dich ans Kreuz heften. Was da meine Seele empfand, kann ich nicht beschreiben. Unterdessen zog der Herr meine Seele zu sich und vereinigte sie aufs Liebevollste mit sich, und soviel ich abnehmen konnte, war es eine neue Verzückung, die zu der vorigen Gemütssammlung hinzukam. In diesem Augenblick entzündete sich in mir eine solche Begierde, mit dem Herrn gekreuzigt zu werden, dass ich zur seligsten Mutter sagte: O Mutter der Gnaden und der Barmherzigkeit, erwirb mir die Gunst, mit meinem gekreuzigten Bräutigam gekreuzigt zu werden. Und sie sprach zu ihrem Sohn: Kreuzige diese Seele!

 

Er aber erwiderte: Sie wird diese Gnade erhalten; und fragte mich wieder: Was wünschst, was verlangst du? Ich antwortete: Du weißt es, mein Herr, wonach ich mich sehne. Er aber antwortete: Ich will von dir vernehmen, wonach du verlangst. Und ich sagte: Mein Gott, ich verlange die Erfüllung deines Willens. Da sprach der Herr zu mir: Eben das wollte ich von dir haben, und ich will dich nun in meinem Willen befestigen und ganz in mich verwandeln. Was wünschst du? Ich antwortete: O Gott, mein höchstes Gut, verweile nicht mehr und kreuzige mich mit dir! Da ergriff mich eine heftige Reue über alle meine begangenen Sünden; ich bat den Herrn von ganzem Herzen um Vergebung, und opferte ihm sein Blut, sein Leiden und seine Schmerzen, besonders seine heiligsten Wunden auf, und empfand den innigsten Schmerz über alles, was ich in meinem Leben jemals begangen hatte. Darauf antwortete mir der Herr: Ich verzeihe dir; verlange aber von dir für die Zukunft mehr Treue, und mittelst meiner Wunden verleihe ich dir diese Gnade, zu deren Zeichen werde ich dir die erwähnten Siegel aufdrücken.

 

In diesem Augenblick sah ich von seinen heiligen Wunden fünf glänzende Lichtstrahlen ausgehen, die sich mir näherten und sich dann in kleine Flammen verwandelten. In vier von ihnen waren Nägel, und in der fünften eine Lanze, dem Gold gleich und ganz glühend; die Lanze durchdrang mein Herz, die Nägel aber durchbohrten meine Hände und Füße. Ich empfand große Schmerzen, aber in eben diesen Schmerzen sah und fühlte ich mich ganz in Gott verwandelt. Sobald ich verwundet war, wurden die Feuerflammen wieder zu glänzenden Lichtstrahlen und ließen sich auf die Hände, Füße und Seite des Gekreuzigten nieder. Der Herr hat mich als seine Braut bestätigt, mich seiner Mutter übergeben und für allezeit ihrem Schutz anvertraut.“

 

Nachdem dieses Gesicht verschwunden war und Veronika wieder zu sich kam, fand sie sich mit ausgestreckten und erstarrten Armen, und mit großen Schmerzen an Händen, Füßen und Herzen.

 

Nach ihrem Tod fand die abgeordnete Kommission nicht nur die fünf Wundmale an ihrem Leib, sondern, nachdem er Leichnam geöffnet worden war, neben den Leidenswerkzeugen und den heiligen Namen „Jesus und Maria“, auch sieben Schwerter ihrem Herzen eingeprägt, gerade so, wie sie selbst in ihrem Leben auf Befehl ihres Beichtvaters es aufgezeichnet hatte. So sollte sich klar offenbaren, wie sehr ihr Herz der Betrachtung und Verehrung der Schmerzen der allerseligsten Jungfrau gewidmet war.