Der letzte Entscheidungskampf zwischen Christentum und Heidentum und Hand in Hand damit die größte und blutigste Christenverfolgung im römischen Weltreich tobten unter Kaiser Diokletian (284-305) und seinen Mitregenten. Das Blut der Christen floss in Strömen. Selbst die Frauen der beiden Herrscher, Priska und Valeria, wurden zu opfern gezwungen und starben in der Verbannung. Am furchtbarsten wütete der Verfolgungssturm im Morgenland, insbesondere auch in der Kirche Ägyptens.
Eine ergreifende Szene aus diesem blutigen Verfolgungsdrama überlieferten die echten Martyrerakten der heiligen Didymus und Theodora der Nachwelt. Das sogenannte vierte Verfolgungsedikt Diokletians aus dem Jahr 304 lautete kurz: Wer nicht opfert, ist dem Tod verfallen. Theodora, eine christliche Jungfrau aus Ägyptens Hauptstadt Alexandrien, hatte sich standhaft geweigert das heidnische Opfer darzubringen und wurde darum in den Kerker geworfen. Vor den Richterstuhl des Präfekten geführt, gab sie im Verhör Antworten, die beweisen, dass sie die Doppelwaffe des Glaubens und der Tugend mit unerschrockenem Mut und sieghafter Überlegenheit zu führen wusste – schwachen Christen zur Beschämung, wahren Christen zur Ermunterung.
Die Antwort auf des Richters erste Frage nach ihrem Stand lautete: „Ich bin Christin.“ Auf die weitere, ob sie eine Freie oder Sklavin sei, wiederholte sie: „Ich bin Christin, d.i. eine Freigelassene Christi, der mich durch seine Ankunft frei machte, in dieser Welt aber das Kind freigeborener Eltern.“ Auf den Vorhalt, warum sie als Freie nicht vermählt sei, entgegnete die Jungfrau: „Um Christus willen. Da er in dieser Welt im Fleisch erschien, hat er uns von der Verderbnis und Vergänglichkeit des Fleisches losgemacht und das ewige Leben versprochen. Darum glaube ich, dass ich unversehrt bleibe, wenn ich in seiner Treue verharre.“ Der Drohung, sie würde, wenn sie das vom Kaiser geforderte Opfer verweigere, der Entehrung preisgegeben, begegnete sie ruhig: „Es wird dir, denke ich, nicht unbekannt sein, dass Gott auf den Willen des Menschen sieht: es ist der Wille die Keuschheit zu wahren, den der Herr sieht.“ Dem Spott des Präfekten endlich, wie sie einem Gekreuzigten vertrauen könne, wehrte sie mit dem freimütigen Bekenntnis: „Ich glaube an Christus, der unter Pontius gelitten hat, und ich vertraue, dass er mich aus den Händen dieser Feinde befreien und ohne Makel bewahren wird, wenn ich in seiner Treue verharre und nimmer will ich ihn verleugnen.“
Was Worte und Drohungen nicht erreichten, sollte nun durch Gewalt erzwungen werden. Die Jungfrau wurde grausam auf die Folterbank gestreckt. Aber auch inmitten der Folter erklärte sie: „Beim Herrn, ich opfere nicht und huldige keinen Dämonen, da ich den Herrn zum Helfer habe.“
Drei Tage hatte die Martyrin noch Bedenkzeit erhalten. Darauf wurde sie abermals dem Richter vorgeführt, und da sie standhaft bei ihrem Entschluss beharrte, zunächst zur Entehrung in einem öffentlichen Haus des Lasters verurteilt. Der heilige Ambrosius schildert den weiteren Vorgang in wesentlicher Übereinstimmung mit den obigen Martyrerakten folgendermaßen: „Der Tag, der mit der Siegeskrone winkte, brach an. Alles war voll gespannter Erwartung. Das Mädchen wird vorgeführt, bereit zum zweifachen Kampf der Jungfräulichkeit und des Glaubens.“ „Schließt das Ohr, Jungfrauen! Man führt das gottgeweihte Mädchen in das Haus der Schande. Doch nein, öffnet das Ohr, Jungfrauen! Christi Jungfrau kann wohl preisgegeben, kann aber nicht entehrt werden. Wo immer die gottgeweihte Jungfrau ist, da ist Gottes Tempel. Die Stätten des Lasters nehmen der Keuschheit nicht den guten Ruf, vielmehr die Keuschheit ihnen den schlechten Ruf.“ „Eine Menge Lüstlinge strömt zum Haus . . . Drinnen eingeschlossen weilt die Taube, draußen kreisen die Habichte; sie streiten sich, wer zuerst über die Beute herfallen soll. Jene erhebt die Hände zum Himmel, als wäre sie in ein Bethaus gekommen, nicht in ein Haus der Lust. „Christus“, so fleht sie, „du hast dem jungfräulichen Daniel die wilden Löwen gebändigt, du kannst auch der Menschen wilden Sinn zähmen . . . Die Rechte verdorrte, die an deines Tempels Weihegaben sich vergriff (3. Könige 3,14f). Jetzt legt man Hand an deinen Tempel selbst. Dulde seine frevelhafte Schändung nicht . . . !“
Der Herr sandte ihr den Retter in der Person eines christlichen Kriegers namens Didymus, der sich mit Gewalt den Weg ins Haus bahnte, während die übrigen entsetzt zurückwichen. Auch die Jungfrau floh vor ihm zurück. Allein der Glaubensbruder beruhigte sie und eröffnete ihr seine Absicht sie zu retten. Er schlug ihr vor, die Kleidung mit ihm zu wechseln, um unerkannt aus dem Haus entkommen zu können. Die Heilige erkannte Gottes Fügung und ging auf den Vorschlag ein. Sie warf den Soldatenmantel um, drückte den Helm tief in die Stirn und vermochte unbehelligt zu entschwinden. Als bald darauf einige Heiden eintraten, trauten sie kaum ihren Augen, da sie statt der Jungfrau einen Mann in Frauenkleidung trafen. Dieser klärte nun freimütig den ganzen Vorfall auf. Vor den Richter gestellt, beteuerte er: „Schreibe, was geschehen ist, nicht mir, sondern dem Herrn zu.“ Da Didymus den Glauben nicht abschwören wollte, wurde er zur Enthauptung verurteilt. Er krönte das Werk seiner Liebe mit der Verdienstkrone des Martyriums.
Aber auch die befreite Jungfrau erlitt noch vor ihm den Martyrertod. Der heilige Ambrosius erzählt ausführlich die rührende Szene, nach der sie ihrerseits wiederum für den gefährdeten Retter eintrat und ihm so gleichsam die Siegespalme des Martyriums streitig machte. Denn „nur der Schande, beteuerte sie, nicht dem Martyrium bin ich aus dem Weg gegangen.“ „Welcher Ausgang“, fragt Ambrosius zum Schluss, „wartet ihrer?“ Beide stritten und beide siegten. Nicht geteilt wurde die Krone, sondern verdoppelt. Beide heilige Martyrer verhalfen einander zum Guten: die eine machte den Anfang, der andere den Schluss beim Martyrium.“
Was vermag nicht die Gnade Gottes aus schwachen Menschenkindern zu machen! Zarte Mädchen werden zu Glaubenskämpfern und Tugendstreitern voll Heldenmut und Todesverachtung. „Sie konnten es“, so lasst uns mit dem heiligen Augustin beschämt sprechen, „ich sollte es nicht können?“