Unermesslichen Segen brachte der heilige Stephan, der erste König von Ungarn, über sein Reich, indem er Bistümer und Klöster gründete, den Götzendienst verbot und sein Volk für das Christentum gewann. Aber nach seinem Tod brach die Ursprüngliche Wildheit der Magyaren wieder durch, denn der heidnische Ungar Batha empörte sich mit mehreren anderen Magnaten, zerstörte die christlichen Tempel, marterte die Priester und vertrieb die Christen. Der neue König Peter und nach ihm Andreas I. unterdrückten bald die Empörung, befahlen die strengste Beobachtung der Gesetze des heiligen Stephan und verboten unter Strafe den Rücktritt zum Heidentum, indes hinderten die ausgebrochenen Thronstreitigkeiten die Ausführung der weisen Anordnungen. König Peter trieb seinen Vetter Bela aus dem Land, und der flüchtete sich an den Hof des Herzogs von Polen, der ihn freundlich aufnahm und ihm seine Tochter zur Frau gab. In dieser Ehe wurden den Eltern zwei Söhne geboren, Geisa und Ladislaus.
Die fromme Mutter erzog ihre Söhne in der Furcht Gottes und erfreute sich besonders an ihrem jüngeren Sohn Ladislaus, der im Jahr 1031 geboren wurde. Schon als Kind zeichnete sich Ladislaus durch Bescheidenheit, Sanftmut, Unschuld, Klugheit, Andacht und Liebe zu den Armen aus. Dabei unterließ er nicht die Pflege der Wissenschaften und ritterliche Übungen.
Als Andreas I. nach dem abgesetzten und im Gefängnis gestorbenen König Peter zur Regierung gelangte, kehrte sein Bruder Bela mit seiner Familie ins Vaterland zurück. Gegen Andreas erhob sich ein Aufstand und Bela stieß ihn vom Thron. Ladislaus missbilligte die Ungerechtigkeit seines Vaters und weigerte sich nach dessen Tod die ihm dargebotene Krone Ungarns anzunehmen, weil sie dem Sohn des verstorbenen Königs, Salomon, zustehe. Erst nachdem Salomon von den Ungarn vertrieben und Belas erstgeborener Sohn gestorben war, ließ sich Ladislaus bewegen, die Zügel der Regierung zu ergreifen im Jahr 1077. Er wollte jedoch nicht gekrönt sein, solange Salomon lebe.
Die Ungarn hatten eine gute Wahl getroffen, denn der neue Regent war ein gerechter, gütiger, tapferer und heiliger Herr, ohne Ehrgeiz und Weltliebe, voll Demut und Keuschheit, ein Ritter ohne Furcht und Tadel, treu in Wort und Tat, menschenfreundlich und barmherzig. Das Volk nannte ihn den Beschützer der Keuschheit, die Zuflucht der Elenden, das Muster der Frömmigkeit, den Befreier der Nation. Armen gab er reichliche Almosen, Jungfrauen stattete er mit Heiratsgut aus. Bedrängte beschützte er, im Rechtsprechen zeigte er Mäßigung. Wie er durch seine hohe Gestalt und schöne Geistesbildung beeindruckte, so leuchtete seine Seele in vielen Tugenden.
Als er einst in der Schlacht vier Feinde mit eigener Hand erlegt hatte, wurde er vom fünften schwer verwundet. Da sieht er, wie ein feindlicher Reiter mit einer geraubten Jungfrau auf dem Pferd davoneilte. Ladislaus wollte um jeden Preis die Jungfrau vor der Entehrung retten, aber seine Wunde hinderte ihn, den fliehenden Feind zu erreichen. Deshalb rief er der Jungfrau zu, sie solle sich vom Pferd herabstürzen und den Reiter mit sich herunterreißen. Als das geschehen war und der König den herabgestürzten Hunnen leicht hätte töten können, wollte er doch in seinem ritterlichen Sinn den Vorteil nicht ausnutzen, sondern stieg selber vom Pferd und tötete den Feind in ehrlichem Zweikampf.
Während Ladislaus auf das Wohl seines Volkes bedacht war, sann der abgesetzte Salomon mit List auf eine Gelegenheit, sich des Königs zu bemächtigen. Aber sein Anschlag wurde durch die kluge Vorsicht des Königs vereitelt, und er musste seine Bosheit in einem Turm der Veste Vissegrad büßen. Freigelassen zog sich Salomon nach Pola bei Venedig zurück und beschloss sein Leben als Einsiedler, nachdem er noch einmal mit Hilfe der Hunnen versucht hatte, den Thron von Ungarn wiederzugewinnen. Ladislaus schlug den Hunnenkönig so vollständig, dass 10000 Hunnen nebst unermesslicher Beute auf dem Platz blieben. Als die Hunnen und Kumanen noch einmal einen Einfall in Ungarn wagten (1089), tötete Ladislaus, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, ihren Anführer Kopoles im Zweikampf. Die Gefangenen nahmen die christliche Religion an und erhielten zum Wohnsitz einen fruchtbaren Landstrich der Theiß entlang. Die Ruthenen, die den Hunnen Beistand geleistet hatten, unterwarfen sich jetzt freiwillig und Ladislaus verzieh ihnen großmütig. Auch in den übrigen Kriegszügen gegen die Böhmen, Polen und Russen blieb er immer Sieger.
Nachdem Ladislaus die Ruhe seines Reiches nach außen gesichert hatte, suchte er im Innern seines Landes Glück und Wohlstand mehr und mehr zu begründen. Er vernichtete die letzten Reste des Heidentums, indem er die noch hier und dort auf Bergen, an Quellen und in Hainen Opferkultus übenden Ungarn stets mit Abnahme eines Ochsens bestrafte, an solchen Opferplätzen Kreuze und heilige Bilder errichten ließ und für die strenge Befolgung der Gesetze des heiligen Stephan sorgte. In all seinen Regierungshandlungen erstrebte er die Ehre Gottes, das Beste der Religion und das Wohl seiner Untertanen. Er stiftete viele Klöster und gründete die Bistümer Agram und Großwardein. Sein Palast glich mehr einem Kloster, als einem fürstlichen Hof. An seiner Tafel herrschte die größte Mäßigkeit und er erlaubte sich nicht einmal den Genuss von Wein. Mehrmals in der Woche fastete er und er schlief auf hartem Lager. Die freie Zeit, die ihm seine Berufsgeschäfte übrig ließen, widmete er dem Gebet und der Betrachtung am Fuß des Altares. Häufig hörte man das Volk sagen: „Der König von Ungarn kann nichts anderes, als Spitäler stiften und Almosen geben.“
Dass Ladislaus noch mehr verstand, hatte er oft genug bewiesen. Als deshalb Papst Urban II. einen Kreuzzug predigte, um das Heilige Land aus den Händen der Sarazenen zu befreien, wählten die Fürsten Europas einstimmig den König Ladislaus als den würdigsten und tapfersten Kriegshelden zum obersten Feldherrn. Hatte Ladislaus früher die ihm angetragene deutsche Kaiserkrone ausgeschlagen, so nahm er jetzt bereitwillig den Oberbefehl über die Kreuzfahrer an, um seine Kraft und sein Blut für die Sache Christi zu opfern, und vielleicht die Marterkrone zu gewinnen. Schon war er mit einem bedeutenden Kriegsheer auf dem Weg in das Morgenland, da befiel ihn an der Grenze Ungarns eine heftige Krankheit, die er sogleich als seine letzte erkannte. Er berief die Großen seines Reiches an sein Sterbelager, vermachte seine Schätze den Kirchen und Armen und beschloss sein gottseliges und tatenreiches Leben am 30. Juli 1095. Sein Leichnam fand die Ruhestätte in dem von ihm erbauten Dom in Großwardein. Infolge vieler Wunder an seinem Grab versetzte ihn Papst Cölestin III. 1198 unter die Heiligen und bestimmte zu seiner Festfeier den 27. Jun, an dem seine Reliquien erhoben wurden.