hl. Johannes von Ägypten - hl. Schutzengel - hl. Tatjana
Der heilige Johannes, geboren um das Jahr 305, war von sehr niederer Herkunft und erlernte in seiner Jugend das Zimmermannshandwerk. In seinem 25. Lebensjahr verließ er die Welt und begab sich unter die Leitung eines alten Einsiedlers, der in seinem Lehrjünger eine Demut und Einfalt antraf, die ihn in Staunen setzten. Er befahl ihm, um ihn in der Übung des Gehorsams zu erhalten, mehrere Dinge, die in den Augen der Welt lächerlich scheinen dürften, z.B. zwei Mal des Tages einen abgestandenen Baumstamm zu begießen. Dies tat Johannes ein ganzes Jahr lang mit absoluter Genauigkeit. Eben dieser Demut und Folgsamkeit schreibt Cassianus die außerordentlichen Gnaden zu, womit ihn Gott in der Folge begünstigte. Er blieb bei dem guten Greis, so lange er lebte, d.h. etwa 12 Jahre. Danach brachte er noch vier Jahre in verschiedenen benachbarten Klöstern zu.
Ungefähr in seinem 40. Lebensjahr zog er auf einen ganz einsamen Felsen nahe bei Lycopolis. (Diese Stadt, in der Meletius der Schismatiker zu Anfang des 4. Jahrhunderts Bischof war, lag nördlich von der Thebais in Ägypten.) Er vermauerte den Eingang in seine Zelle und ließ nur ein kleines Fenster offen, durch das man ihm seinen Lebensbedarf reichte: durch dieses Fensterchen erteilte er auch Unterricht denjenigen, die ihn besuchten. 5 Tage in der Woche unterhielt er sich mit Gott allein. Man sah ihn nur am Samstag und Sonntag, und dies war nur den Männern gestattet. Er nahm täglich nur ein klein wenig nach Sonnenuntergang zu sich. Nie aß er Brot oder sonst gekochte Speisen. So lebte er bis in sein 90. Lebensjahr. Bei seiner Zelle erbaute man eine Art Herberge, wo seine Jünger die Fremden empfingen. Die Gabe der Weissagung besaß er im höchsten Grad und offenbarte denen, die ihn besuchten, ihre verborgensten Sünden und ihre geheimsten Gedanken. Auch hatte er die Wundergabe und heilte mit geweihtem Öl die Kranken. Solche Wunderdinge erwarben seinem Namen bald hohe Berühmtheit.
Als Kaiser Theodosius I. über den Krieg, den er gegen den Tyrannen Maximus zu unternehmen im Begriff stand, ihn zu Rate zog, antwortete er ihm, dass er ohne großes Blutvergießen den Sieg davontragen werde. Da der Fürst an der Erfüllung der Weissagung nicht zweifelte, rückte er gegen das Abendland vor, und schlug Maximus zwei Mal in Pannonien. Hierauf setzte er über die Alpen, nahm in Aquileja den Tyrannen gefangen, dem die Soldaten den Kopf abschlugen, und kehrte nach Konstantinopel zurück, überzeugt, dass er dem Gebet des Heiligen diesen glänzenden Sieg zu verdanken habe. Bei anderen Gelegenheiten erfuhr er ebenfalls, dass Johannes mit dem prophetischen Geist begnadet sei.
Als sich Eugenius im Abendland um das Jahr 392 den Purpur anlegte, schickte Theodosius den Oberkämmerer Eutropius nach Ägypten, mit dem Befehl, den Heiligen mit sich nach Konstantinopel zu führen oder wenigstens ihn zu befragen, ob er dem Aufrührer entgegen gehen oder ihn im Morgenland erwarten sollte. Johannes verbat sich die Reise in die Kaiserstadt und sagte, Theodosius würde siegen, aber nicht ohne großen Verlust. Er fügte noch hinzu, dass er in Italien sterben und ihm einer seiner Söhne im Abendland auf dem Thron nachfolgen würde. Auch diese Prophezeiung wurde buchstäblich erfüllt.
Wir haben schon bemerkt, dass sich der Heilige zum Gesetz gemacht hatte, keine Frau zu sehen. Dies veranlasste folgende Begebenheit, die hier angeführt zu werden verdient. Eines Tages besuchte ein Hauptmann den heiligen Johannes, und bat ihn, er möchte nicht übel aufnehmen, dass ihm seine Frau ebenfalls einen Besuch abstatte, und setzte noch bei, sie habe auf ihrer Herreise von Lycopolis große Gefahren und Schwierigkeiten zu bestehen gehabt, um dieses Glückes teilhaftig zu werden. Er erwiderte ihm, dass seit den vierzig Jahren, die er auf seinem Felsen zubringe, er sich zum unabänderlichen Gesetz gemacht habe, nie eine Frau zu sehen, und dass er ihn mithin bitte, er möchte sich durch diese Weigerung nicht beleidigt finden. Der Hauptmann ging sehr traurig hinweg, um seiner Frau den Misserfolg seines Gesuches zu hinterbringen. Des anderen Tages wiederholte er seine Bitten, und sagte dem Heiligen, seine Frau würde vor Schmerzen sterben, wenn ihr die Gnade, um die er in ihrem Namen anhalte, nicht vergönnt werden sollte. Hierauf antwortete ihm der Diener Gottes: „Geh hin zu deiner Frau und sage ihr, sie würde mich diese Nacht sehen, ohne das Haus zu verlassen.“ Der Mann und die Frau waren in sehnsuchtsvoller Erwartung, dieses Versprechen erfüllt zu sehen. Kaum war sie eingeschlafen, als ihr Johannes im Traum erschien, und sagte: „Frau, die Lebendigkeit deines Glaubens nötigt mich, hierher zu kommen. Dennoch muss ich dich ermahnen, nicht so zu verlangen, die Diener Gottes auf Erden zu sehen. Begnüge dich damit, dass du ihr Leben im Geist betrachtest, und ihrem Beispiel nachahmst. Woher kommt aber übrigens dieses große Verlangen mich zu sehen? Bin ich ein Heiliger oder ein Prophet? Ich bin nur ein schwacher Mensch und Sünder. Also bloß in Betracht deines Glaubens habe ich zu unserm Herrn meine Zuflucht genommen, der dich nun von allen deinen körperlichen Krankheiten befreit. Lebe fortan in der Furcht Gottes, und vergiss niemals seine Wohltaten.“ Er gab ihr noch andere Mahnungen zu einem christlichen Leben, worauf er verschwand.
Bei ihrem Erwachen erzählte die Frau ihrem Mann das gehabte Traumgesicht. Sie schilderte ihm so genau und treffend alle Umstände und Züge der Person, die ihr erschienen war, dass der Hauptmann keinen Zweifel mehr hegte, dass es der heilige Einsiedler war. Daher ging er gleich des anderen Tages zu ihm, um ihm seinen Dank für die seiner Frau erwiesene Gunstbezeugung abzustatten. Bei seiner Ankunft kam ihm Johannes zuvor und sagte ihm: „Ich habe getan, was du von mir verlangt hast. Ich habe deine Frau gesehen und sie in allem, was sie von mir begehrte, zufrieden gestellt. Gehe nun in Frieden.“ Der Hauptmann empfing dann noch den Segen von dem Heiligen, entfernte sich und setzte seine Reise nach Syene fort.
Die Geschichte, die wir soeben erzählt haben, verbürgen uns Evragius, Palladius und der heilige Augustinus. Letzterer sagt, er habe sie von einem sehr angesehenen und glaubwürdigen Mann, der sie von denjenigen, welche sie betraf, selbst vernommen hatte. Und setzte noch hinzu, dass, wenn er den heiligen Einsiedler selbst zu Gesicht bekommen hätte, er sich noch genauer danach erkundigt und ihn gefragt haben würde, ob er ihr wirklich in Person erschienen, oder ob es ein mit der äußeren Gestalt seines Körpers angetaner Engel, oder ob bloß die Einbildungskraft dieser Frau von einem Gesicht aufgeregt gewesen sei.
Mehrere von der Wüste Nitria entfernte Einsiedler, unter denen die vorzüglichsten Evagrius, Albinus, Ammonius und Palladius waren, hatten ein großes Verlangen, den Diener Gottes zu sehen. Letzterer, der später Bischof zu Helenopolis wurde, und das Leben des Heiligen beschrieben hat, reiste nach der Thebais ab zu Anfang des Juli 394, als eben der Nil ausgetreten war. Als er bei der Wohnung des heiligen Johannes anlangte, fand er die Tür des Vorzimmers, die vor der Zelle stand, verschlossen, und erfuhr sogar, dass sie erst am folgenden Samstag aufgetan wurde. Er wartete also auf diesen Tag in der Behausung, wo man die Fremden beherbergte. Und am Samstag trat er um die achte Stunde vor den Heiligen, den er am Fenster antraf, durch das er zu denen sprach, die sich Rat bei ihm einholten. Nachdem er Palladius begrüßt hatte, erkundigte er sich um sein Vaterland, um die Ursache seines Kommens, und fragte ihn, ob er nicht aus dem Kloster des Evagrius sei. Palladius beantwortete alle diese Fragen.
Indes kommt Alypius, der Befehlshaber der Provinz, der sehr geschäftig und zu eilen schien. Der Heilige verlässt Palladius, um sich mit dem Befehlshaber zu unterreden. Das Gespräch dauerte etwas länger und so murrte Palladius wider den ehrwürdigen Greis, als finde auch bei ihm der Vorzug der Personen statt. Er war sogar im Begriff, davon zu gehen, als ihm Johannes durch seinen Dolmetscher Theodosius sagen ließ, er möchte nicht ungeduldig werden, der Befehlshaber würde sogleich abtreten, und sie hätten alsdann noch Zeit, sich miteinander zu unterreden. Palladius betroffen, dass der Heilige also in seiner Seele lese, wartete, ohne mehr zu murren. Nach Alypius Abreise berief ihn Johannes, und bemerkte ihm: „Warum bist du ungehalten gegen mich, und warum hast du mich innerlich über Dinge beschuldigt, die doch nicht auf mir lasten? Kann ich ja doch immerhin mit dir sprechen, und wäre mir dieses auch nicht möglich, so gibt es ja noch Väter und Brüder, die dich über die Wege deines Heils belehren können. Nicht dieselbe Bewandtnis hat es mit Alypius, dem Befehlshaber. Der Mann ist versenkt im Gewühl zeitlicher Geschäfte, er nützt die wenigen Augenblicke, die er erübrigt, um wieder Atem zu schöpfen, und wollte geschwind einige heilsame Ermahnungen bei mir holen. War es nun billig, dass ich dir den Vorzug gäbe?“ Hierauf legte er ihm alles dar, was in seinem Herzen vorging, und gedachte auch der Versuchung, die ihn befallen hatte, die Einöde zu verlassen. Er ließ sich sogar in die besonderen Scheingründe ein, die ihm der böse Feind einflüsterte, um einen solchen Schritt zu rechtfertigen. „Er hat dir,“ fuhr er fort, „den Gram deines Vaters über deine Abwesenheit vorgestellt, und dir die Hoffnung vorgespiegelt, du würdest deinen Bruder und deine Schwester haben der Welt entsagt. Was deinen Vater angeht, so wird er noch sieben Jahre leben.“ Hierauf sagte er ihm, dass er zur Bischofswürde gelangen werde, wobei er aber große Verfolgungen zu bestehen hätte, was auch wirklich geschah.
Um dieselbe Zeit besuchte der heilige Petronius mit 6 anderen Mönchen den gottseligen Einsiedler. Als sie Johannes befragte, ob nicht ein Geistlicher unter ihnen wäre, antworteten sie ihm mit nein. Dennoch war einer aus der Gesellschaft Diakon, der es aber aus Demut immerdar verhehlt hatte, und wovon die anderen nichts wussten. Der Heilige, durch höheres Licht erleuchtet, deutete mit dem Finger auf ihn und sagte: „Der da ist Diakon.“ Er verneinte es, indem er fälschlich glaubte, eine Lüge würde aufhören Sünde zu sein, wenn man die Absicht habe, sich zu verdemütigen. Johannes fasste ihn bei der Hand, küsste sie, und sagte: „Mein Sohn, verleugne nie die Gnade, die du von Gott empfangen hast, und begehe niemals eine Lüge aus Demut. Man darf nicht lügen, selbst nicht unter dem Vorwand, dass etwas Gutes daraus entspringe, denn alles, was nicht der Wahrheit gemäß ist, kommt nicht von Gott.“ Der Diakon nahm den Verweis mit Ehrerbietung an.
Nach dem Gebet, das sie gemeinschaftlich verrichteten, bat einer aus der Gesellschaft den Heiligen, ihn von einem dreitägigen qualvollen Fieber zu befreien. „Du wünschst,“ entgegnete ihm Johannes, „von einem Übel, das dir heilsam ist, befreit zu werden: denn gleichwie man den Körper mit Salzasche (Soda) wäscht, so werden die Seelen durch Krankheiten und andere Leiden dieser Art gereinigt.“ Dennoch aber weihte er Öl und gab es dem Kranken, der sich dessen bediente und vollkommen geheilt wurde.
Als die Einsiedler in die Fremdenherberge zurückgekehrt waren, wurden sie mit der herzlichsten Liebe bewirtet. Sie besuchten zum zweiten Mal den Heiligen, der sie mit viel Freude aufnahm. Er bat sie, sich niederzulassen, und hielt an sie eine Rede, in der er, nachdem er ihnen von seinem Elend und seiner Niedrigkeit gesprochen hatte, sie lehrte die Eitelkeit und den Stolz auszurotten, und sich die verschiedenen Tugenden erringen. Er führte ihnen das Beispiel mehrerer Einsiedler an, die, weil sie sich von einer geheimen Eitelkeit haben beschleichen lassen, in grobe Fehler gefallen sind. Einer dieser Einsiedler, der sich vom Geist des Hochmutes hatte berücken lassen, beging zuerst das Laster der Unreinigkeit, dann verfiel er in Verzweiflung und stürzte sich endlich in alle Freveltaten. Die Sünde der Unlauterkeit bewirkte in einem andern, dass er die Einöde verließ: aber eine Predigt, der er zufälligerweise beiwohnte, öffnete ihm die Augen. Er kehrte in sich zurück und wurde ein Muster der Bußfertigkeit. Als Petronius und seine Gefährten abreisen wollten, gab ihnen der Heilige noch seinen Segen mit den Worten: „Ziehet in Frieden, meine Kinder, und wisst, dass die Nachricht des über den Tyrannen Eugenius durch den frommen Kaiser Theodosius erfochtenen Sieges heute zu Alexandrien eingetroffen ist. Allein dieser vortreffliche Kaiser wird bald sein Leben durch einen natürlichen Tod beschließen.“
Der Heilige starb kurz darauf, wie er es vorhergesagt hatte. In den drei letzten Tagen seines Lebens wollte er niemanden mehr vor sich lassen. Er warf sich dann zum Gebet auf die Knie, und gab ruhig den Geist auf zu Ende des Jahres 394 oder zu Anfang des folgenden Jahres. Es ist wahrscheinlich, dass sein Tod am 17. Oktober sich ereignete, an welchem Tag die Kopten und Ägypter sein Fest begehen. Die lateinischen Martyrologien setzen seinen Namen auf den 27. März.
Glückselig derjenige, der Mut genug besitzt, die Welt zu fliehen, in der Absicht, seine Tage den Tränen der Buße und der Beschauung himmlischer Dinge zu weihen! In der Abgeschiedenheit wird er eine unversiegbare Quelle von Süßigkeiten und Tröstungen finden, die nur von jenen, die sie verkostet haben, gekannt sind. Die Einöde wird sich für ihn in ein wahres Paradies umwandeln. Seine liebste Beschäftigung wird sein, den Herrn zu loben und zu preisen, der ihm hienieden schon einen Vorgeschmack der Seligkeit der Auserwählten gibt. In sich verschlossen wird er keine andere Sorge mehr haben, als zum Urgrund seiner Unvollkommenheiten hinabzusteigen, um sich davon zu bessern, die Ausbrüche seiner Sinne durch die Abtötung zu dämpfen, die Bestrebungen seines Herzens zu läutern, alle eitle und schnöde Gedanken aus seinem Geist zu verbannen, mit einem Wort, neue Fortschritte zu machen in den Tugenden, die die Seele am Vollkommensten mit Gott vereinigen.